Der Kreisarchäologe Reinhard Rademacher und sein Team untersuchen zwischen Gingen und Süßen eine frühneuzeitliche Filstalroute. Ein Fund überrascht. Er verweist zurück auf die Jungsteinzeit.
Wer archäologische Spuren sichern will, darf keine Berührungsängste mit Schmutz und Lehm haben. Erst recht müssen Vergangenheitsforscher wetterfest sein. Auf laue Frühjahrstemperaturen können sie nicht warten, wenn wegen der Sicherung von möglichen archäologischen Fundstätten Baustellen ruhen. Dies wird derzeit zwischen Süßen und Gingen deutlich. Dort erforscht Kreisarchäologe Reinhard Rademacher eine spätmittelalterliche Fernstraße, die durchs Filstal führte.
Es ist trocken, aber eisig auf dem Feld südlich der alten B 10 zwischen Gingen und Süßen. Wenigstens habe sich der kalte Ostwind gelegt, freuen sich Rademacher und Michael Weidenbacher. Der junge Forscher arbeitet derzeit mit Zeitvertrag für die Kreisarchäologie. Er möchte im nächsten Jahr an der Universität Bamberg seine Promotion über Burgen im Filstal abschließen.
Fernstraße aus dem späten Mittelalter
Westlich von Gingen legt das Amt für Flurneuordnung Grundstücke zusammen. Mitten in den landwirtschaftlichen Flächen ist ein etwa 50 Zentimeter tiefer Graben ausgebaggert, der in Ost-West-Richtung verläuft. Der Kreisarchäologe verweist auf eine kleine Erhebung im Acker, die aus der Ferne kaum zu erkennen ist. Das sind die Reste der Fernstraße aus spätem Mittelalter und früher Neuzeit. Den Rest der Straße hat der Bagger bereits entfernt. „Das war ein Fernweg und eine Handelsroute. Die hatte schon eine Bedeutung“, betont der Archäologe. Die Verbindung ist auch auf einer Karte von 1560 eingezeichnet und auf dem Filstalpanorama von 1535 zu sehen.
Der Weg durchs Filstal in Richtung Geislingen und Ulm war etwas aufgeschüttet und geschottert. Die dammartige Erhebung kommt weg, damit die Äcker besser bearbeitet werden können. Aber zuerst wirft die Kreisarchäologie einen Blick auf die alte Strecke. Sie wird vor ihrer Beseitigung dokumentiert. Außerdem erhoffen sich Rademacher und Weidenbacher neue Erkenntnisse über die Geschichte des Filstals. Spuren der Vergangenheit könnten durch die Freilegung und Beseitigung der Trasse ans Tageslicht kommen.
Funde weisen auf Kulturen weit vor der Keltenzeit
„Wir sind hier eigentlich den Kelten auf der Spur“, sagt Rademacher. Der Archäologe vermutet, dass es in diesem Teil des Filstals, wo die Lauter mündet und das Tal besonders breit ist, rund ums dritte Jahrhundert vor Christus viele Kelten siedelten. Keltenspuren machten sich auf dem untersuchten Teil des Filstalwegs aber rar. Dafür kamen Funde ans Tageslicht, die auf Kulturen weit vor und nach der Keltenzeit verweisen.
Die ersten Bauernkulturen dürften sich im heutigen Schwaben laut Rademacher um 5500 vor Christus niedergelassen haben. Sie haben den fruchtbaren Löß bearbeitet. Für den Kreis Göppingen seien bisher keine Siedlungen aus dieser Bandkeramikkultur nachgewiesen. Das könnte sich ändern. Jetzt wurde das Blatt einer Flachhacke gefunden. Der flache Stein, an dem einmal ein Holzstiel befestigt war, wurde vermutlich in der Jungsteinzeit vor mehr als 7000 Jahren im Ackerbau eingesetzt.
Die Forscher führen zu einer Stelle, an der noch das alte Profil des Weges zu erkennen ist. Obgleich es trocken ist, werden die Stiefel immer schwerer, der Lehm bleibt hängen. Ein Bagger hat den Boden bis zum Flussschotter beseitigt. Weidenbacher zeigt auf Buntsandsteine, die mit einigen Metern Abstand eine gerade Linie bilden. Womöglich dienten die auffälligen rötlichen Steine beim Anlegen der Fernstraße als Richtschnur.
Dann kommt die Stelle, die noch vorhanden ist. Der Aufbau wird sichtbar. Die früheren Straßenbauer haben zuerst Erde zu einer Böschung angehäuft. Darauf wurde der Weg mit Schotter befestigt. Weidenbacher schätzt, dass er etwa drei Meter breit war. Hier waren einmal Ochsenkarren und Kutschen, Fußgänger und Reiter unterwegs. Das Filstalpanorama zeigt sogar einen Überfall an dem Weg. Der Aufbau macht aber deutlich, dass es sich auf keinen Fall um die ehemalige Römerstraße handelt, der Aufbau wäre anders. „Die Straße der Römer ist es leider nicht. Die wird noch gesucht“, sagt der Kreisarchäologe. Auf dem Rückweg hat Weidenbacher den Blick auf den Boden gerichtet. Plötzlich bückt er sich und hebt ein acht bis zehn Zentimeter breites rostiges Stück auf. „Das ist eine Pferdetrense“, sagt Rademacher. „Das ist jetzt ein interessanter Fund.“ Das Teil eines Pferdegeschirrs soll nun von Schmutz und Rost befreit werden, um es genauer zu untersuchen.
Am Freitag kehrten die Forscher zurück. Sie dokumentierten den exakten Aufbau der Straße. Das Wetter ist kein Freund der Wissenschaft. Zur Kälte kam jetzt Regen hinzu.
Eisenverhüttung als Grundlage des Wohlstands?
Altertum
Etwa 300 vor Christus haben die Kelten im Filstal gesiedelt. In Sichtweite hat der Kreisarchäologe Reinhard Rademacher zwischen Süßen und Gingen und Kuchen drei Sitze der keltischen Oberschicht, sogenannte Viereckschanzen, ausgemacht. Das lasse auf eine relativ dichte Besiedlung im Umfeld der Lautermündung schließen.
Lebensgrundlage
Der Archäologe bezweifelt, dass die Landwirtschaft Grundlage des Wohlstandes war. Rademacher vermutet viel mehr, dass im mittleren Filstal in größerem Umfang Eisen verhüttet wurde. Bisher gibt es allerdings mehr Indizien als Belege