Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen über alle Bereiche hinweg um die Hälfte gesenkt werden. (Symbolbild) Foto: dpa/Marijan Murat

Der Klimaschutz darf auch in der Energiekrise nicht unter die Räder kommen - findet Grün-Schwarz und hat die Ziele für Verkehr, Gebäude und Industrie hochgeschraubt. Doch die Arbeitgeber setzen dicke Fragezeichen hinter die Pläne.

Die Wirtschaft in Baden-Württemberg macht Front gegen die neuen Klimaziele der grün-schwarzen Landesregierung für die einzelnen Sektoren wie Industrie und Verkehr. Es stehe außer Frage, dass trotz der schweren Energiekrise Klimaschutz auch künftig eine hohe Priorität behalten müsse. „Eine Festlegung von verbindlichen Klimaschutzzielen auf Landesebene halten wir aber nicht für zielführend“, sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Es sei schon schwierig genug, globale Klimaziele auf die Europäische Union und deren Mitgliedsstaaten zu verteilen. „Eine noch kleinteiligere Betrachtung - also das Herunterbrechen auf die Ebene der Bundesländer - ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll.“

Grüne und CDU hatten vor kurzem den Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Zielen beschlossen. Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen über alle Bereiche hinweg um die Hälfte gesenkt werden. Die CO2-Emissionen der Industrie im Land müssen demnach stark gesenkt werden. Im Jahr 1990 lagen diese bei 18,8 Millionen Tonnen, 2019 noch bei 12,7 Millionen Tonnen. 2030 sollen es nur noch 7,2 Millionen sein, ein Minus von 43 Prozent. Mit der Novelle will Baden-Württemberg das erste Bundesland sein, das konkrete Ziele für die Reduzierung von CO2 für Verkehr, Gebäude und Wirtschaft gesetzlich verankert.

Hauptgeschäftsführer Dick hält das Gesetz für eine Gefahr für die Industrie. „Entscheidend für uns ist, dass die Klimaziele ohne einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen erreicht werden können.“ Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Sektorenziele stellten aber eine Belastung für die Unternehmen im Südwesten dar. „Gerade jetzt muss es darum gehen, die Wirtschaft im Südwesten bei der Bewältigung der Auswirkungen der aktuellen Krise zu unterstützen, statt sie zu behindern.“ Maßnahmen, die nur für Unternehmen in Baden-Württemberg gelten, könnten Wettbewerbsnachteile bedeuten. „Man denke beispielsweise an den im Koalitionsvertrag angelegten baden-württembergischen Alleingang hin zu einer Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen.“

Grenke schlägt eine andere Rechnung beim Klimaschutz vor

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) beklagte, dass die Landesregierung die Wirtschaft noch nicht einbezogen habe in ihre Pläne. „Es ist unklar, wie das Erreichen der Sektorziele im industriellen Bereich bewerkstelligt werden soll“, sagte BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke der dpa. „Die aktuell vorgeschlagenen Maßnahmenpakete reichen in keinem Sektor wirklich aus, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Gerade die Industrie wird hier gewissermaßen sich selbst überlassen, wie die ambitionierten Ziele realisiert werden sollen.“

Viele Firmen hätten in den vergangenen Jahren vielfältige Klimaschutz-Maßnahmen ergriffen, vor allem bei Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. „Doch die kontinuierlichen Emissionsminderungen im baden-württembergischen Industriesektor wurden durch die gestiegene Wirtschaftsleistung nahezu kompensiert.“

Grenke schlug eine andere Rechnung beim Klimaschutz vor: Es müsse im Sinne eines „Effizienzgebots“ gehandelt werden, bei der jede eingesparte Tonne CO2 mit dem eingesetzten Kapital verrechnet werde. Denn: Im Fokus müsse die „Gesamtzielerreichung“ stehen. Der BWIHK-Präsident dringt zudem auf eine deutliche Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und Industrieanlagen. „Denn ohne massiven Zubau erneuerbarer Energien und ohne den drastischen Umbau der Industrie inklusive Transformation der Produktionsanlagen ist eine Zielerreichung im Industriesektor nicht realistisch.“

Die Regierung hat die Klimaziele aus einem Gutachten übernommen, dass mehrere Forschungsinstitute für das Umweltministerium erstellt hatten. In der Studie ist von einem „ambitionierten Wandel in Richtung einer Treibhausgas-neutralen Industrieproduktion“ die Rede. Der Wandel umfasse Maßnahmen und grundsätzliches Umsteuern in allen Bereichen: So müsse die Energie- und Materialeffizienz gesteigert, die Kreislaufwirtschaft ausgebaut sowie auf erneuerbare Energien umgestiegen werden. Nötig sei auch ein Umbau der energieintensiven Zementindustrie und der Einsatz von Wasserstoff.