Kommende Woche wieder Auftakt beim Grundwassermanagement – Heimerl gegen Kombibahnhof.

Stuttgart - Wäre ein Kombibahnhof doch ein Kompromiss im erbitterten Stuttgart-21-Streit? Die Debatte dauert nach dem Vorstoß von Heiner Geißler an. Unterdessen wurde klar, dass kommende Woche die Bauarbeiten am Grundwassermanagement für den Tiefbahnhof weitergehen.

Wochenlang hatte nach den Ausschreitungen vom 20. Juni auf der Stuttgart-21-Baustelle eine Pause geherrscht. Jetzt, nachdem der Schlichter Heiner Geißler auch das Ergebnis des Stresstests für die Bahnhofspläne präsentiert hat, kündigt sich wieder Baubetrieb an. Kommende Woche werde es bei den Arbeiten am Grundwassermanagement weitergehen, kündigten das Kommunikationsbüro für S21 und die Polizei an. Den genauen Tag nannten sie nicht. An der Cannstatter Straße sollen Ständer installiert werden für die Rohre des Grundwassermanagements. Die blauen Rohre selbst sollen frühestens in der folgenden Woche montiert werden.

Die Arbeiten an den Ständern waren am 20.Juni durch Ausschreitungen unterbrochen worden. Damals wurden laut Polizei neun Beamte verletzt. Außerdem sei ein Sachschaden in Höhe von eineinhalb Millionen Euro entstanden.

Während im Lager der S-21-Gegner in den letzten Tagen noch über den Kompromissvorschlag von Geißler (CDU) diskutiert wurde, statt S21 einen kombinierten Tief- und oberirdischen Kopfbahnhof anzustreben, kamen aus dem Lager der S-21-Befürworter immer mehr Absagen an diese Idee.

Auch Gerhard Heimerl, der in den 1980er Jahren die Kombilösung entwickelt und sich in den 90er Jahren davon verabschiedet hatte, sprach sich am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa gegen Geißlers Vorschlag aus. "Ich bin sicher, wenn er umgesetzt werden sollte, würden die Proteste in gleicher Weise weitergehen", sagte der frühere Leiter des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Uni Stuttgart.

Die Stadtverwaltung bekräftigte ihre Auffassung, dass für den Bau eines kleineren Durchgangsbahnhofs unter einem verkleinerten oberirdischen Kopfbahnhof ein neues Raumordnungsverfahren und ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig wären. Auch im Regierungspräsidium Stuttgart wird nach Informationen unserer Zeitung zumindest ein Planfeststellungsverfahren für notwendig gehalten.

Die Hauptkritikpunkte der Gegner - der Eingriff in den Untergrund mit seinen Mineralwasservorkommen, die Beschädigung des Südflügels des Bonatzbaus und das Fällen von Bäumen - würden nicht ausgeräumt. Mit bis zu fünf Milliarden Euro würde diese Lösung auch kostspieliger als das 4,1 Milliarden Euro teure S21. Zu den Baukosten für den verkleinerten Tiefbahnhof (bis zu drei Milliarden Euro) kämen noch die Kosten für die Modernisierung des Kopfbahnhofs (1,3 Milliarden) und für entfallende Grundstückserlöse (700 Millionen). Der Chef der Schweizer Verkehrsberatungsfirma SMA, der den Vorschlag mit Geißler erarbeitete, habe sich offenbar zu wenig Zeit dafür genommen.

An S21 schätzt Heimerl das städtebauliche Potenzial für neue Stadtquartiere in der Innenstadt und die Möglichkeit zur Erweiterung des Schlossgartens: "Es ist eben ein Unterschied, ob durch die Verlegung des gesamten Bahnhofs unter die Erde die komplette innerstädtische Gleisfläche zur Verfügung steht oder nur ein unattraktiver Streifen von 20 Metern entlang der Bahngleise." Verkehrlich biete S21 den Vorteil von umsteigefreien Durchgangslinien für Regionalzüge etwa zwischen Heilbronn und Tübingen sowie zwischen Aalen und Schwäbisch Hall und dem Flughafen. "Zudem fallen beim Geißler-Vorschlag die Verbindungen zwischen Flughafen und Böblingen/Singen weg." Er respektiere Geißlers Bemühen, Stuttgart zu befrieden, sagte Heimerl, "aber über den Vorschlag ist die Zeit hinweggegangen".

S-21-Architekt Christoph Ingenhoven sagte der "Financial Times Deutschland", Geißlers Plan vereinige die Nachteile beider Lösungen. "Er setzt das Ansehen, das er sich bei der Schlichtung erworben hat, durch seinen fragwürdigen Vorschlag aufs Spiel. Dadurch gefährdet er sein Alterswerk."