Das seltene historische Bild von 1974 zeigt die Zelle des RAF-Mitgründers Andreas Baader... Foto: dpa

Ist die RAF museumsreif? Die Grünen im Gemeinderat sagen Ja. Daher wollen sie eine Zelle, in der in den 1970er Jahren im Stammheimer Gefängnis die Gründer der Terrorgruppe einsaßen, für das Haus der Geschichte erhalten.

Stuttgart - Am 18. Oktober 1977, in den ersten Stunden des Tages, erschießen sich im Stammheimer Gefängnis in ihren Zellen die Häftlinge Jan-Carl Raspe und Andreas Baader; Gudrun Ensslin erhängt sich. Nur die Selbsttötung Irmgard Möllers misslingt. Durch die Suizide der führenden Köpfe der Terrorgruppe Rote-Armee-Fraktion (RAF) – deren Mitgründerin Ulrike Meinhoff sich bereits 1976 in Haft getötet hatte – wird das Gefängnis in Stammheim endgültig zu einem Ort deutscher Zeitgeschichte.

Die RAF-Gefangenen waren am 28. April 1977 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen fünf Morden und 54 versuchten Tötungsdelikten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Dass die RAF-Spitze in ihren Zellen im 7. Stockwerk der vermeintlich sichersten Haftanstalt Deutschlands Pistolen und Sprengstoff haben und nach der misslungenen Freipressung durch Gesinnungsgenossen die Schusswaffen gegen sich richten kann – RAF-intern als „suicide action“ gegen den verhassten deutschen Staat angekündigt –, ist damals ein Skandal.

Auch für die Grünen-Fraktion im Gemeinderat ist das Gefängnis im Norden der Stadt ein Geschichtsort. Doch das Hochhaus, dessen siebte Etage für die RAF zum Hochsicherheitstrakt umgebaut worden war, ist baulich marode und soll 2015, wenn die im Bau befindlichen Neubauten fertig sind, abgebrochen werden. Der Abriss sei „notwendig“, sagen auch die Grünen. Doch wegen der „historischen Bedeutsamkeit des Zellentrakts“ müssten „wenigstens Teile einer oder mehrerer ehemaligen RAF-Zellen zu Museumszwecken erhalten“ werden. Dafür soll mit dem Haus der Geschichte ein Konzept erstellt werden. So steht es in einem Antrag der Grünen, den sie am Mittwoch an die Stadtverwaltung gerichtet haben.

Profunder RAF-Kenner reagiert auf Vorstoß der Grünen verhalten

OB Fritz Kuhn (Grüne) wollte sich am Mittwoch nicht zu dem Antrag seiner Parteikollegen im Gemeinderat äußern. Nachdem man den Antrag noch nicht selbst vorliegen und von dem Vorstoß erst durch die Presse erfahre habe, könne sich der OB noch keine Meinung bilden, hieß es in Kuhns Umfeld.

Einer der profundesten Kenner des RAF-Terrors ist der heutige Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger. Er reagiert auf den Vorstoß der Grünen verhalten. „Ich wäre hin- und hergerissen“, bekennt Pflieger. „Einerseits will man dem Terror kein Denkmal setzen – andererseits steht Stammheim für mich auch für den Erfolg von Demokratie und Rechtsstaat im Umgang mit dem Terror“. In dem Gerichtsgebäude neben dem Gefängnisareal sind seit 1977 und bis zum heutigen Tag nicht nur RAF-Terroristen, sondern auch zahlreiche andere Terroristen und Extremisten verurteilt worden.

Von dem Ansatz, einstige RAF-Zellen ins Museum zu bringen, rät Pflieger allerdings ab. Selbiges könnte dazu führen, dass ungewollt ein Denkmal entstehe, warnt der Strafverfolger. Pflieger hält Dokumente, Fotos, Filme oder Interviews von Zeitzeugen für einen Rückblick auf ein düsteres Kapitel der Republik für geeigneter. Das ließe auch mehr Raum für die 34 Menschen, welche die RAF bis zur selbst erklärten Auflösung 1998 ermordet hat.

RAF-Sonderausstellung von 14. Juni an

Das Haus der Geschichte steht nach eigenem Bekunden „seit geraumer Zeit“ mit der Gefängnisleitung zum Thema RAF in Kontakt. „Falls dort noch Objekte aus der RAF-Zeit vorhanden sind, ist unser Haus gerne bereit, sich an Überlegungen zu beteiligen, diese – wenn möglich – zu sichern“, teilt Museumsleiter Thomas Schnabel am Mittwoch mit. Die Haftanstalt sei „zweifelsfrei von großer Bedeutung für die Geschichte der Bundesrepublik und Baden-Württembergs“, so Schnabel. Am 14. Juni beginnt im Museum eine RAF-Sonderausstellung.

Unabhängig davon, ob die Grünen für ihren Vorstoß eine Mehrheit finden oder nicht, gibt es ein ganz einfaches, praktisches Problem: Die Zellen, in denen die RAF einsaß, gibt es zwar noch. Aber sie befinden sich nach Auskunft des Justizministeriums „nach so vielen Jahren nicht mehr im Originalzustand“. Gegenwärtig sind im 7. Stock junge Untersuchungshäftlinge untergebracht. Wer aktuelle Fotos der Zellen mit historischen Aufnahmen vergleicht, erkennt, dass es im heutigen Stammheimer Gefängnis keine RAF-Relikte zu entdecken gibt.