Die Familiencard wird Familien mit drei Kindern bis zu einem Jahreseinkommen von brutto 60.000 Euro sowie kinderreichen Familien ohne Einkommensprüfung gewährt. Foto: dpa

Viele setzen vor allem Geld von der Stadt für Sport und Freizeit ein – Familiencard für private Anbieter öffnen.

Stuttgart - An vielen Familien, die auf Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Sozialhilfe angewiesen sind, gehen die vom Bund gewährten Leistungen für Bildung und Teilhabe vorbei. Ende 2011 waren 16.730 Kinder anspruchsberechtigt, doch nur 3800 Anträge auf das Geld vom Bund sind im vergangenen Jahr beim Sozialamt eingegangen. Zuletzt sind dann nur 20 Prozent der 116.000 Euro, die den Eltern für ihre Kinder zur Verfügung gestellt worden sind, auch tatsächlich abgerufen worden. „Wir wissen nicht, warum für die vielen anderen Kinder keine Anträge gestellt wurden“, sagte ein Vertreter des Sozialamts im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats.

Anfangs lief die Zuteilung der Gelder noch durch das Jobcenter. Die Behörde bezahlte im April rückwirkend zum 1. Januar direkt an die Empfänger von Transferleistungen. Damals wurden immerhin 67 Prozent der Leistungen auch abgerufen.

Fast die Hälfte der Familien nutzten den Zuschuss für Angebote der Sportvereine

Doch seit Mai 2011 müssen die Familien die Gelder selbst beantragen. Die gewährte Summe von maximal zehn Euro pro Monat wird seither auf der in Stuttgart schon seit dem Jahr 2001 gebräuchlichen Familiencard aufgebucht. Doch seither ist die Summe der abgerufenen Gelder auf rund 23.000 Euro gesunken. Bezahlen dürfen die Familien damit „angeleitete Aktivitäten in Sportvereinen, Musikschulen oder sonstige künstlerische Betätigungen“ sowie Freizeiten. Fast die Hälfte der Familien nutzten den Zuschuss auch tatsächlich für Angebote der Sportvereine, immerhin fast 13 Prozent für einen Schwimmkurs in den städtischen Bädern.

Die Familiencard ist ungleich erfolgreicher. Sie wird Familien mit drei Kindern bis zu einem Jahreseinkommen von brutto 60.000 Euro sowie kinderreichen Familien ohne Einkommensprüfung gewährt. Darauf verbucht die Stadt jährlich eine freiwillige Leistung von 60 Euro. Im vergangenen Jahr stand den Familien ein Guthaben von insgesamt 2,7 Millionen Euro zur Verfügung, abgerufen haben sie rund 81 Prozent der Summe, in der Mehrzahl für den Besuch der städtischen Bäder, den Eintritt in die Wilhelma, für Angebote der Schulen, der Vereine oder für Vereinsbeiträge.

Problematische Bezahlung der Sportvereine

Unter 2600 Angeboten können berechtigte Familien die Leistungen, staatliche wie städtische, einsetzen. Das Sozialamt sieht für die dürftige Nutzung der staatlichen Gelder einen Grund als wesentlich an: Sie konnten bisher nur so lange genutzt werden, solange der Arbeitslosen- oder Sozialhilfebescheid gültig war, mithin ein halbes Jahr lang. Eine Übertragung war nicht möglich. Dieser Zeitraum soll allerdings künftig auf ein Jahr verlängert werden.

Problematisch war auch die Bezahlung der Sportvereine. Bisher haben sie die Vereinsbeiträge Anfang des Jahres eingezogen; wer erst später Anspruch auf die staatlichen Teilhabeleistungen hatte, konnte sie deshalb nicht mehr dafür nutzen. Nach Auskunft der Sozialverwaltung wollen die Vereine künftig erst im März abbuchen.

Der Bund will die Teilhabeleistungen zudem auch privaten Anbietern, zum Beispiel für Nachhilfe, Musik oder Ballett, öffnen. Dies ist bisher für das Geld von der Stadt nicht vorgesehen. Der stellvertretende Sozialamtsleiter Stefan Spatz stellte eine Anpassung in Aussicht: „Wir können uns bestimmte private Anbieter vorstellen und werden sie im Gemeinderat präsentieren.“ Zweierlei Berechtigungen seien ansonsten bei den Akzeptanzstellen nicht mehr zu handhaben.

Die Stadträte aller Fraktionen lobten die Vorschläge, weil sie den Familien einen noch flexibleren Einsatz der Gelder ermöglichen. Andreas Reißig (SPD) sieht die Familiencard als ein „bundesweit beispielgebendes Instrument zur zielgenauen Steuerung von Familienangeboten“. Iris Ripsam (CDU) ist von der sinnvollen Anwendung überzeugt: „Die gute Nutzung der Bäder freut uns.“