In der U 7 hat sich eine Frau bei einer Bremsung verletzt. Foto: / Michael Steinert

Weil ein Stadtbahnfahrer stark bremsen musste, hat sich eine Frau verletzt. Die Frau klagt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart auf Schadenersatz.

Stuttgart - Die Frau sagt, sie sei in einer Stadtbahn der Linie U 7 Richtung Ostfildern auf einem Einzelsitz gesessen. Neben ihr der Kinderwagen mit ihrer Kleinsten, ihre anderen vier Kinder seien weiter vorne gesessen. „Der Fahrer hat dreimal gebremst, ich bin nach vorne gefallen und dann stark nach hinten“, so die fünffache Mutter. Dabei habe sie sich schwer an der rechten Schulter verletzt.

Und deswegen wolle sie 10 000 Euro Schadenersatz von der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG. Schließlich habe sich auch ihr Sohn aus dem selben Grund eine schmerzhafte Schulterprellung zugezogen.

Der Fall datiert vom 27. Februar 2016. Bis zum Januar 2019 hat es gedauert, ehe das Landgericht die Klage gegen die SSB in erster Instanz abwies. Begründung: Dem Stadtbahnfahrer sei keine Pflichtverletzung nachzuweisen, die Frau habe ihre Verletzung mitverschuldet, weil sie, was nicht auszuschließen sei, mit dem Rücken zum Fenster und nicht zur Lehne gesessen sei. Diese „falsche“ Sitzposition taucht jedenfalls in den Akten auf. Zudem war kein anderer Fahrgast in Mitleidenschaft gezogen worden. Dass sie mit dem Rücken zum Fenster gesessen sei, bestreitet die Klägerin. Das Landgericht hatte einen Vergleich vorgeschlagen. Man könne die Sache ad acta legen, wenn die SSB der Frau 5000 Euro bezahle. Die Klägerin lehnte ab – und verlor den Prozess.

Erste Instanz weist die Klage ab

Deshalb trifft man sich jetzt, fast fünf Jahre nach dem Vorfall, vor dem 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in der Berufung.

Der heute 43-jährige Stadtbahnfahrer sagt, ein silberner BMW habe in Höhe des Bethesda-Krankenhauses nach links gezogen. „Das kommt auf der Sperrfläche vor dem Krankenhaus öfter vor“, so der SSB-Fahrer. Er habe gebremst, um eine Kollision zu vermeiden. Das sei aber eine normale, also keine Gefahrenbremsung gewesen. Auf der Meldung des Vorfalls ist allerdings „Gefahrenbremsung“ angekreuzt.

Die Frau habe sich bei ihm gemeldet und gesagt, sie sei verletzt. Also sei er bis zum Bopser weitergefahren, wo dann der Krankenwagen angefahren sei. So bestätigt das auch ein Ehepaar, das hinter dem Fahrer gesessen war. Das Paar hatte den die Stadtbahn bedrängenden Wagen gesehen und „eine harte Bremsung“ registriert. Aus dem Sitz habe sie der Bremsvorgang aber nicht gehoben.

Immer noch starke Schmerzen

Die Klägerin, eine Witwe mit besagten fünf Kindern, die inzwischen in Hessen lebt, klagt über schwere Nachwirkungen des Sturzes. Sie habe immer noch starke Schmerzen, sei mehrmals operiert worden und könne den rechten Arm nicht mehr richtig anheben. „Die Tabletten, die ich nehmen soll, machen mich sehr müde“, so die Frau.

Matthias Haag, Vorsitzender Richter des 4. Zivilsenats, unterrichtet die Beteiligten vom Zwischenergebnis des Senats. „Wir sind überzeugt, dass der Fahrer bremste, weil ihm ein Fahrzeug in die Quere kam. Er musste bremsen.“ Dann geht es tief ins Zivilrecht und ins Bürgerliche Gesetzbuch. Vom Anscheinsbeweis und dessen Erschütterung ist die Rede, von möglichen Ansprüchen der Klägerin aus verschiedenen Quellen, vom Haftpflichtgesetz und dem Beförderungsvertrag, den die Frau als Fahrgast mit der SSB eingegangen sei.

Die vorläufige Sicht des Senats sei, dass die SSB nicht haften müsse. Man könne nicht ausschließen, dass die Frau seitlich auf dem Sitz gesessen habe. „Da ist aber noch die Verletzung des Sohnes“, gibt Richter Matthias Haag zu bedenken. Einem damals Neunjährigen könne man grundsätzlich kein Mitverschulden attestieren. Das könnte für die SSB unter Umständen teuer werden. Also schlägt Haag den 5000-Euro-Vergleich des Landgerichts nochmals vor.

Die Klägerin willigt schließlich am späten Abend nach Rücksprache mit ihrem Anwalt ein. Der Anwalt der SSB scheint nicht abgeneigt, muss aber noch seine Mandantin fragen.