Eine Abstimmung im Rathaus: Wie viele Unterstützer wird OB Kuhn (rechts mit erhobener Hand) im Gemeinderat künftig haben? Foto: Leif Piechowski

Welche Haltung beziehen die für den Gemeinderat kandidierenden Gruppierungen zu wichtigen Themen der Stadtpolitik? Zu fünf Fragen haben wir die Spitzenkandidaten der zwölf Listen um Antworten gebeten. Heute die letzte von vier Folgen - mit Piraten, Stadtisten und Studentische Liste.

Welche Haltung beziehen die für den Gemeinderat kandidierenden Gruppierungen zu wichtigen Themen der Stadtpolitik? Zu fünf Fragen haben wir die Spitzenkandidaten der zwölf Listen um Antworten gebeten. Heute die letzte von vier Folgen - mit Piraten, Stadtisten und Studentische Liste.

1. Was kann, was muss Stuttgart für die Energiewende tun?

Piratenpartei, Stefan Urbat (48), Diplomphysiker:

"Bei der Energiewende gilt es, zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich zu unterscheiden. Einfluss hat die Stadt nur auf den öffentlichen Bereich. Gute Ideen für die Energiewende gibt es viele, da muss Stuttgart das Windrad nicht neu erfinden. Folgende erste Ansätze sind denkbar: auf den Dächern öffentlicher Gebäude wie z. B. Schulen Solarthermie oder -zellen anbringen, Bebauungspläne einer Prüfung unterziehen (z. B. Blockheizkraftwerke nur außerhalb des Kessels zulassen), den ÖPNV attraktiver machen, um die Feinstaubbelastung zu senken, das bestehende Car2go-Programm weiter ausbauen etc."

Stadtisten (fünf Spitzenkandidaten):

"Die Stadt soll Energie aus regenerativen Quellen beziehen (auch Wüsten- und Gezeitenkraftwerke in Form von Beteiligung) und innovative Projekte fördern. Öffentliche Gebäude sollen nach und nach eine energetische Hausautomatisierung erhalten, die z. B. bei offenen Fenstern die Heizung reduziert. Neubauten sollen nach aktuellem Stand der Technik realisiert werden. Energetische Fassadensanierung zerstört oft das ursprüngliche Bild, hier soll bei Infoabenden ein Erfahrungsaustausch zwischen Interessierten stattfinden. Energie ist kein Luxusgut, Sozialtarife sollen den Grundbedarf sicherstellen."

Studentische Liste, Christian Walter (24), Student:

"Die Landeshauptstadt Stuttgart mit ihrem grünen OB sollte bei der Energiewende eine innovative Vorreiterrolle übernehmen. Dazu gehören moderne Konzepte, die z. B. den Ausbau von Carsharing-Modellen, die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema, eine starke Rolle der Stadtwerke usw. umfassen."

Die Kandidaten zur Flächennutzung

 2. Nur dichtes Bauen auf Stuttgarts knappen Flächen oder auch Häuschen mit Garten?

Piratenpartei, Stefan Urbat (48), Diplomphysiker:

"Das Problem der knappen Flächen betrifft vor allem den Kessel, da ist ein Häuschen mit Garten kaum zu machen. Aber Stuttgart ist nicht die einzige Stadt mit Platzproblemen – hier können wir andere Städte betrachten, die dieses Problem kreativ lösen. Grundsätzlich dürfen weitere Grünflächen im Kessel wegen des Stadtklimas nicht versiegelt werden, und der soziale Wohnungsbau muss ausgeweitet werden. Stuttgart war mal wegweisend, was Architektur angeht, zum Beispiel mit der Weißenhofsiedlung, dem ersten Stahlbetonhochhaus Deutschlands und dem weltweit ersten Fernsehturm. An dieses Erbe sollten wir wieder anknüpfen."

Stadtisten:

"Grünflächen, Parks, Wälder und Ackerböden sind unbedingt zu erhalten. Ihre Bebauung wirkt weder der Mietpreisspirale noch der Wohnungsknappheit entgegen. Der Leerstand in der Stadt ist groß (siehe „Leerstandsmelder“). Hier muss die Stadt ihre Möglichkeiten nutzen und dem entgegenwirken. Stuttgart hat drei Ausbildungsorte für Architektur und Städtebau – diese Expertise muss die Stadt besser nutzen, um innovative Wohnkonzepte umzusetzen. Eine dichte, aber kreative Bebauung (gerne durch Baugemeinschaften) sollte in der Lage sein, diese multiplen Ansprüche zu erfüllen."

Studentische Liste, Christian Walter (24), Student:

"Wohnraum ist knapp. Innerhalb der Stadt stellen Parkanlagen und Grünflächen den Ersatz für den Garten vor dem Häusle. Zu dichtem, kreativem Bauen besteht angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt keine Alternative. Wir finden, dass besser viele Menschen auf kleiner Fläche Wohnraum finden sollten als ein Einzelner in einem Haus mit Garten."

Die Kandidaten zur Verkehrssituation

3. Was ist Ihnen wichtiger: freie Fahrt für Autos oder bessere Luftqualität?

Piratenpartei, Stefan Urbat (48), Diplomphysiker:

"Ein Entweder-Oder ist hier nicht zielführend. Für eine bessere Luftqualität muss der Individualverkehr sinken. Diesen kann man nicht einfach mit Zwangsmaßnahmen wie einer Citymaut reduzieren, denn die Leute müssen von A nach B. Sie brauchen eine attraktive Alternative zum Auto. Dies kann ein besser ausgebauter ÖPNV mit kürzeren Taktzeiten, günstigeren Tarifen und einem einfacheren Tarifsystem sein (bis hin zum fahrscheinlosen Nahverkehr). Zudem sollten Alleinfahrten vermieden und Carsharing gestärkt werden. Hier gibt es in Stuttgart mit Car2go und dem lokalen Start-up Autonetzer schon tolle Ansätze."

Stadtisten:

"Freie Fahrt für intelligente Mobilität! Die Nutzung aller Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung (u. a. Kreisverkehre statt Ampeln) und innovativ vernetzte Verkehrskonzepte sind nötig. Stuttgart muss Vorreiter bei E-Mobilität und 'Car2X'-Technologie werden. Der ÖPNV soll attraktiver als das Kfz werden. Eine Tarifzone für ganz Stuttgart und wenige Ringzonen im Umland sowie eine kostengünstige Jahreskarte (Ziel: 365 Euro) für das Stadtgebiet sind Anreize hierfür. Durchgängige Radwege sind ferner ein probates Mittel für bessere Luft, ebenso wie strikte Emissionseinhaltungen auf Baustellen."

Studentische Liste, Christian Walter (24), Student:

"Stuttgart ist Deutschlands Feinstaub-Hauptstadt. Wir müssen von 'freie Fahrt für freie Bürger' wegkommen, hin zu 'freie Lungen für freie Bürger'. Deshalb sind wir für weniger Individualverkehr und einen attraktiveren Nahverkehr."

Die Kandidaten zu Betreuungsmodellen

4. Welche Betreuungsmodelle sollte es an Grundschulen geben?

Piratenpartei, Stefan Urbat (48), Diplomphysiker:

"Wir Piraten stehen für Wahlfreiheit. Das bedeutet beim Thema Grundschulen, dass wir sowohl die Ganztags- als auch Halbtagsschule befürworten. In Hinsicht auf die Ganztagsschule erachte ich ein kostenloses Mittagessen als sinnvoll. Wir wünschen uns für Stuttgarter Eltern eine flexible Kinderbetreuung, die der Lebenswirklichkeit der Eltern gerecht wird –  auch jenseits der Grundschule. Das heißt konkret: genügend und gut ausgestattete Kitas und Kindergärten mit längeren Öffnungszeiten, mehr Tagesväter und -mütter und insgesamt eine bessere Bezahlung für Erzieher, denen wir unsere Kinder anvertrauen."

Stadtisten:

"Veränderte Familienstrukturen machen flexible und vielfältige Betreuungsmöglichkeiten erforderlich. Flexible Bring- und Abholzeiten sind notwendig, so können Eltern selbst entscheiden, wann ihre Kinder in Schule oder Kita und wann in der Familie betreut werden. Die Vernetzung von Kitas und Schulen im Stadtbezirk zur Schaffung von Synergien und die Förderung alternativer Betreuungsmöglichkeiten muss ausgebaut werden – Bürger machen lassen! Die Stadt muss die Personaldecke an Erziehern und Kinderpflegern ausbauen und mehr Anreize für Schulabgänger schaffen, einen Erziehungsberuf zu erlernen."

Studentische Liste, Christian Walter (24), Student:

"Alle Grundschulen sollten flächendeckend Ganztagesbetreuung auf freiwilliger Basis und Mittagessen für alle Schüler anbieten. Die Kooperation zwischen Sportvereinen und den Grundschulen zur Gestaltung der Betreuung muss noch mehr gefördert werden."

Die Kandidaten zur öko-sozialen Ratsmehrheit

 5. Noch regiert OB Kuhn mit einer öko-sozialen Ratsmehrheit. Wäre es für ihn schwerer, seine Ziele mit einer bürgerlichen Mehrheit umzusetzen?

Piratenpartei, Stefan Urbat (48), Diplomphysiker:

"Neben den Piraten, die sich in Stuttgart zum ersten Mal zur Kommunalwahl stellen, gibt es noch weitere „Kommunalneulinge“ wie die Stadtisten und AfD. Ich wage die Prognose, dass der nächste Gemeinderat aus mehr Parteien bestehen wird als heute. Die Mehrheitsfindung für den OB wird dadurch spannender, aber evtl. auch sachgerechter. Besonderes Konfliktpotenzial im neuen Gemeinderat sehe ich im Verkehrsbereich, da hier Auto- und ÖPNV-Interessen teilweise aufeinanderstoßen."

Stadtisten:

"Wir Stadtisten sind grundsätzlich offen für gute Ideen aus allen politischen Richtungen, die sich positiv auf alle Bürger sowie die Stadt auswirken, und freuen uns auch, wenn stadtistische Anregungen von Dritten aufgegriffen werden. Ein tiefer Blick in die Glaskugel verrät uns für den Tag nach der Wahl: Mit Rückenwind regiert es sich leichter als mit Gegenwind. Oder einfacher ausgedrückt: Wir beteiligen uns nicht an derartigen Spekulationen."

Studentische Liste, Christian Walter (24), Student:

"Wir beschäftigen uns eigentlich nicht mit Konjunktiven. Für die Stuttgarter Nachrichten und deren Leser machen wir aber gerne eine Ausnahme: Selbstverständlich hätte er es als Grüner gegenüber den bürgerlichen Parteien schwerer. Wir werden im Gemeinderat Anträge völlig unabhängig von Parteikalkül und Fraktionszwang ausschließlich im Sinne Stuttgarts prüfen."