Grün-Rot verabschiedet erstmals die Absolventen der Führungsakademie und macht klar, was man von den Spitzenkräften erwartet. Foto: dpa

Die Führungsakademie ist Kaderschmiede des Landes. Grün-Rot hat klare Vorstellungen über Ziele.

Stuttgart - Der Rahmen ist dem Anlass angemessen. Neues Schloss in Stuttgart. Wo Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sonst Staatsgäste aus aller Welt empfängt und sich die prominenten Besucher in das Goldene Buch des Landes eintragen, hat die künftig Führungselite des Landes Platz genommen. Das alte Jahr geht zu Ende, der Himmel über Stuttgart ist trübe. Aber hier drinnen sieht man lauter zufriedene Gesichter. Drei junge Streicher mit roter Krawatte sorgen für den musikalischen Rahmen, die 14 Absolventen des diesjährigen Kurses an der Führungsakademie sitzen erwartungsfroh in den ersten beiden Reihen.

Elf Monate haben die Top-Beamten in Seminaren gebüffelt, haben sich erklären lassen, wie man Staatsdiener führt und motiviert, wie man die Verwaltungsabläufe optimieren kann, wie das große Ganze der Politik mit dem scheinbar Kleinen des politischen Alltags in Einklang zu bringen ist, wie man seiner Abteilung oder gleich dem ganzen Amt strategische Ziele verordnet.

Lob für Verwaltung

Nun also erhalten die Absolventen ihre Zeugnisse. „Sie haben einen sehr anspruchsvollen Lehrgang hinter sich gebracht“, lobt Gerhard Stratthaus die Nachwuchskräfte. Der ehemalige Finanzminister, der seinen Job im Frühjahr 2008 auf Drängen des damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger hatte aufgeben müssen und zum Präsidenten der Führungsakademie ernannt wurde, lässt in seiner Begrüßung keine Zweifel, wie wichtig eine öffentliche Verwaltung ist. „Wir in Baden-Württemberg können selbstbewusst sagen, dass unsere Verwaltung gut funktioniert.“

Nur so, schiebt Stratthaus noch hinterher, könne ein Wirtschaftsstandort den erhofften Erfolg haben, „denn eine funktionierende Verwaltung ist auch für den wirtschaftlichen Erfolg extrem wichtig“. Soll heißen: Wo Baugesuche oder andere Verwaltungsangelegenheiten zu lange dauern oder in bürokratischen Schleifen hängenbleiben, lässt sich ein Unternehmen nur ungern nieder.

So ähnlich war auch die Motivation von Lothar Späth gewesen, der als Ministerpräsident im Jahr 1986 die Idee der Führungsakademie mit Leben erfüllte. Der Grundgedanke des CDU-Politikers damals: Eine leistungsfähige Verwaltung braucht hoch qualifizierte Führungskräfte. 25 Jahre ist das inzwischen her, über 400 Absolventen haben seither die Kaderschmiede des Landes durchlaufen – und sind hernach nicht selten auf herausragenden Posten der Landesverwaltung gelandet.

"Ressortdenken überwinden"

"Ressortdenken überwinden"

Wie aber hält es Grün-Rot mit diesem Instrument der Karriereförderung? Die Antwort darauf gibt der Grünen-Politiker Klaus-Peter Murawski, als Staatssekretär in der Regierungszentrale die rechte Hand von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Führungsakademie. „Wir müssen das Ressortdenken überwinden und die Abläufe in der gesamten Landesverwaltung von unten her optimieren“, ruft er den Absolventen zu. Es gebe das klare Ziel, mehr als bisher „ergebnisorientiert zusammenzuarbeiten“. Denn, so Murawski, die Zeit sei jetzt vorbei, Politik nach dem Prinzip „des Hasengärtle mit ganz engen Grenzen“ zu machen: „So kann man kein großes Unternehmen und auch kein Land mehr führen.“

Und so lässt der Staatssekretär vor der Verleihung der Urkunden keine Zweifel, welche Botschaft da ungeschrieben jenseits der Noten auch im Zeugnis steht. Das zu Ende gehende Jahr habe mit dem Regierungswechsel von Schwarz-Gelb auf Grün-Rot eine entscheidende Veränderung in Baden-Württemberg gebracht, „mit der wir selbst nicht rechnen konnten“.

Neue Zivilgesellschaft aufbauen

Nun aber, da Grün-Rot an der Macht sei, arbeite man daran, „die Bürger stärker an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen“ und eine „neue Zivilgesellschaft“ aufzubauen. „Wir wollen eine Verschweizerung Baden-Württembergs“, gibt Murawski als Ziel vor und zieht damit Parallelen zum Nachbarland, wo viele politische Entscheidungen durch Bürgerentscheide beeinflusst werden. Auf diesem Weg komme der Führungsakademie und ihren Absolventen für Baden-Württemberg eine zentrale Bedeutung zu, weil im Südwesten künftig Spitzenbeamte mit modernen Managementmethoden nötig seien. „Wir setzen darauf, dass Sie uns helfen. Denn Sie können uns mit Ihren Fähigkeiten helfen, dass wir die Zäune zwischen den Ressorts einreißen können.“

Was folgt, sind die Zeugnisübergabe, ein freundliches Händeschütteln, der musikalische Ausklang – und manch erstauntes Gesicht beim anschließenden Stehempfang. „Das war eine sehr politische Rede“, bemerkt einer mit Stirnrunzeln. „Da hat Herr Murawski aber sehr dick aufgetragen“, ergänzt ein anderer.

Kein Zweifel: Bei Sekt und Häppchen wächst offenbar bei manchem die Sorge, dass die öffentliche Verwaltung nun für parteipolitisch geprägte Ziele genutzt werden soll. Der Verdacht jedenfalls liegt auf der Hand – zumal er durch eine andere Tatsache untermauert wird. Der jeweilige Jahrgang der Führungsakademie beschäftigt sich neben der Fortbildung stets auch mit einem Schwerpunktthema. Diesmal lautete das Motto „Wir können alles – miteinander“. Und nächstes Jahr? Da soll sich alles um die neue Zivilgesellschaft drehen.