Mit der Spitze misst der Stuttgarter Fernsehturm 217 Meter, der erleuchtete Korb ist 150 Meter über dem Boden. Foto: Thomas Krämer

Nichts für Langschläfer ist die morgendliche Tour auf den Stuttgarter Fernsehturm. Los geht die Tour nämlich um kurz nach 6 Uhr am Marienplatz.

Degerloch - Samstag in der Früh. Fast ganz Stuttgart schläft an diesem Morgen noch, als sich um 6.15 Uhr mehr als 60 Menschen am Marienplatz treffen. Vor dem dunklen Himmel am Rand des Talkessels sind die Lichter des Fernsehturms zu sehen. Und genau der ist das Ziel der Veranstaltung „Fernsehturm für Frühaufsteher“, zu der die SWR Media Services als Betreiber des Stuttgarter Wahrzeichens eingeladen haben.

In dessen Nähe kommt die Gruppe mit einer weiteren Institution: Der Zacke, wie die Zahnradbahn liebevoll genannt wird. „Eine von nur vier derartigen Bahnen in ganz Deutschland“, erzählt Stadtführer Uli Stetter. Nach dem Bau der Strecke 1884 wurden anfangs Dampftriebwagen eingesetzt, schon rund zwanzig Jahre später habe man auf elektrischen Strom gesetzt, sagt der Cannstatter beim Einsteigen. Langsam setzt sich das Gefährt in Bewegung, meistert die mit knapp 18 Prozent Steigung steilste Stelle, dann tritt die Gruppe an der Nägelestraße in die Nacht hinaus.

Meisterwerk der Ingenieurskunst

Rund 20 Minuten geht es weitgehend flach durch den Wald. Das Licht aus Taschenlampen erhellt den Weg, während der hell erleuchtete Korb desFernsehturms zwischen den Ästen zu erkennen ist. Noch höher als deren knapp 150 Meter ist die Spitze des Turmes. Diese ragt 217 Meter über den Boden. Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das nach dem Bau als Vorbild für andere Türme dienen sollte. Und beinahe wäre stattdessen nur ein Drahtgerüst gebaut worden, um Stuttgart durch die Luft mit einem Bewegtbild zu versorgen.

„Beim Besuch der englischen Königin Elisabeth der II. im Juni 1953 schaute Stuttgart in die Röhre, obwohl bereits ein halbes Jahr zuvor der offizielle Fernsehbetrieb in Deutschland wieder aufgenommen worden war – die Topografie war zu schwierig. Und dann sollte 1954 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden . . .“, sagt Stetter. Das jedoch wurde nicht geschafft. Nach 20 Monaten Bauzeit wurde die Stahlbetonkonstruktion nach einem Entwurf von Baumeister Fritz Leonhardt im Februar 1956 eröffnet. „4,2 Millionen Mark hat das umstrittene Bauwerk gekostet“, stimmt Stetter die Gruppe auf dem Parkplatz vor dem Gebäude auf die Turmfahrt ein und weiß noch einige Anekdoten. Zum Beispiel die, dass der Fernsehturm einst hätte aus Gründen der Flugsicherheit rot und weiß angestrichen werden sollen. Den Spitznamen hatte das Bauwerk schon weg gehabt: Samba-Socke. Doch es kam nicht so weit. „Stattdessen wurden drei Xenon-Scheinwerfer angebaut, die sich um ihre eigene Achse drehen und den markanten Lichtstrahl aussenden“, sagt der Stadtführer. Keine Anekdote ist, dass die Bezeichnung des Bauwerks mittlerweile falsch ist. „Nur noch Radio und Polizeifunk werden gesendet, kein TV-Signal mehr“, sagt er.

In wenigen Sekunden geh’s nach oben

Durch den immer noch original aus den 50er Jahren stammenden Eingangsbereich des an der Basis gut zehn Meter dicken Turms geht es nun zu den freilich deutlich jüngeren Aufzügen und binnen weniger Sekunden nach oben. Schlucken hilft, den Druck aus den Ohren zu bekommen, schon blickt man auf die in der Dämmerung liegende Landeshauptstadt.

8.14 Uhr: Jetzt sollte eigentlich die Sonne aufgehen. Doch im Osten sind nur dunkelgraue Wolkenberge zu erkennen. Genug zu sehen gibt es trotzdem. Das Sportgelände der Waldau, der erleuchtete Stuttgarter Talkessel, der Flughafen und am Horizont im Süden die Schwäbische Alb mit einem fahlen Lichterstreif. Immerhin, „denn wenn man Pech hat, hüllt sich der Turm in Nebel“, sagt Stetter und empfiehlt der Gruppe einen heißen Kaffee beim Sektfrühstück. Zum Aufwärmen. Denn so weit oberhalb von Stuttgart ist es schon ein wenig frisch.