Eine US-Spitzendiplomatin benutzt das böse F-Wort - im Bezug auf die EU.  Nach Victoria Nulands Entschuldigung für ihre verbale Entgleisung hat die Suche nach den Hintermännern begonnen: Wer hörte das Telefongespräch ab?

Eine US-Spitzendiplomatin benutzt das böse F-Wort - im Bezug auf die EU.  Nach Victoria Nulands Entschuldigung für ihre verbale Entgleisung hat die Suche nach den Hintermännern begonnen: Wer hörte das Telefongespräch ab?

Moskau/Brüssel - Nach abfälligen Äußerungen der US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland über die Europäische Union bemüht sich Washington um Schadensbegrenzung. Die im US-Außenministerium für Europafragen zuständige Abteilungsleiterin hatte in einem heimlich mitgeschnittenen Telefongespräch mit dem US-Botschafter in Kiew gesagt: „Fuck the EU.“ Außerdem hält sie den von EU-Ländern geförderten ukrainischen Oppositionspolitiker Vitali Klitschko für nicht regierungstauglich.

Nuland lehnte auf einer Pressekonferenz am Freitag in Kiew jeden Kommentar zu dem Vorfall ab. „Das war eine private, diplomatische Unterhaltung“, sagte sie. Die EU reagierte demonstrativ gelassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält dagegen die Äußerungen für „absolut unakzeptabel“, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag in Berlin sagte.

Die USA beschuldigten Russland, hinter der Veröffentlichung des Mitschnitts im Internet zu stehen. „Dies ist ein neuer Tiefstand der russischen Spionagetaktik“, sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. Die Beziehungen zwischen Moskau und Washington gelten als belastet, etwa wegen des vorläufigen Asyls für den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Russland. Auch der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, deutete auf Moskau als Urheber.

Russland streitet jede Verantwortung ab

Ein Referent des russischen Vizeregierungschefs Dmitri Rogosin war einer derjenigen, die im Kurzmitteilungsdienst Twitter auf das Video aufmerksam machten und darauf verlinkten. Dmitri Loskutow schrieb auf die Frage, ob Russland eine Rolle gespielt habe: „Die Verbreitung begann schon früher.“ Auf nochmalige Nachfrage antwortete er: „Wie soll ich das wissen. Ich habe nur das Internet beobachtet.“

„Allein die Tatsache, dass ich reagiert habe, wird genutzt, um Russland die Schuld zu geben“, schrieb Loskutow weiter. Er legte auch Wert darauf, dass er auf Twitter sein Privatprofil benutzt habe. Das Außenministerium in Moskau wollte die Vorwürfe auf Anfrage der nicht kommentieren.

Die Veröffentlichung des Mitschnitts bringt die US-Regierung in eine heikle Lage. Aus den Veröffentlichungen des Whistleblowers Snowden geht hervor, dass der US-Geheimdienst NSA jahrelang Politiker im Ausland abhörte, unter anderem Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und deren Amtsvorgänger Gerhard Schröder (SPD).

Schulz: "Der Begriff Diplomatin und ihre Wortwahl stehen eigentlich im Widerspruch zueinander"

Nuland entschuldige sich nach Angaben des US-Außenministeriums bei ihren europäischen Partnern. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton betonte: „Wir kommentieren durchgesickerte angebliche Telefongespräche nicht.“ Die EU helfe der Ukraine in der schweren innenpolitischen Krise. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte: „Die Dame hat sich entschuldigt. Der Begriff Diplomatin und ihre Wortwahl stehen eigentlich im Widerspruch zueinander.“

Schulz kritisierte das Abhören durch Geheimdienste scharf. „Das Gefährliche ist, dass wir ja jeden Tag erneut sehen, dass es nichts mehr in dieser digitalisierten Welt der Geheimdienste gibt, das man noch als geschützt betrachten kann“, sagte der SPD-Politiker zu dpa audio. „Ein Diplomat kann mit Hilfe seiner Regierung vielleicht Dinge noch korrigieren. Ein einfacher Bürger wäre in einer solchen Situation völlig ausgeliefert.“ Die Beziehungen zwischen den USA und Europa sind bereits wegen des Abhörskandals um den Geheimdienst NSA angespannt.

Der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow vermutete, dass der ukrainische Geheimdienst SBU hinter der Veröffentlichung stecken könnte. Der SBU habe mehr Befugnisse und dürfe etwa Telefonanrufe unterbrechen, was in Russland illegal sei, sagte Soldatow der dpa. Der SBU lehnte einen Kommentar ab.

Nuland hatte sich in einem vertraulichen Telefongespräch vor einigen Tagen mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, geäußert. Darin ging es über Lösungsansätze zur Beilegung der Krise in der früheren Sowjetrepublik.

Nuland und Pyatt betonten dabei, dass der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko zunächst keine Rolle in einer möglichen Übergangsregierung spielen solle, die vom früheren Außenminister Arseni Jazenjuk angeführt werden könnte. Weder Klitschkos noch Jazenjuks Sprecherin waren zunächst für eine Stellungnahme zu erreichen.