Frustabbau kann den Job kosten - dem Arbeitgeber ist ein Mindestmaß an Loyalität geschuldet. Foto: dpa

Frustabbau kann den Job kosten - dem Arbeitgeber ist ein Mindestmaß an Loyalität geschuldet.

Stuttgart - Der Chef ist ungerecht, Kollegen nerven und mit dem Projekt geht es nicht voran, weil die Firma alles verbockt hat. Persönliche Empfindungen sollten kein Grund sein, in der Kantine, vor Freunden oder im Internet Dampf abzulassen. Unbedachte Worte können ein Kündigungsgrund sein.

„Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, und fünfzig, um schweigen zu lernen.” Dieses Zitat des amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway hat es in sich. Bezogen auf den Job kann es bedeuten: Wer sich nicht im Griff hat, für den kann ein unbedachtes Wort rasch das Ende der Karriere sein. Der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky sagte einmal: „Man stolpert nicht über seine Fehler, sondern über Menschen, die die Fehler ausnutzen.” Tratschtanten und Neider gibt es überall und die tragen Gesagtes oder Geschriebenes weiter, oft in der Hoffnung, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.

Man stelle sich den Vorgesetzten vor, der morgens vor versammelter Abteilung verkündet: „Es gibt neue Anweisungen, die sind zwar idiotisch, aber sie kommen von ganz oben.” So wird der Mund zur Waffe, mit der man sich selbst richtet, weil sie einem den Arbeitsplatz kosten kann. Noch leichter geht das im Internet. Man denke nur an einen Mitarbeiter aus dem Team, der abends seinen Frust über die „Idiotie des Managements in der Firma XY” in ein Forum stellt. Der schriftlich geäußerte Unmut macht es dem Arbeitgeber einfacher, den Mitarbeiter vor die Tür zu setzen, als eine verbale Attacke.

Dennoch: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, steht in Artikel 5 des Grundgesetzes. „Und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung endet nicht am Werkstor”, sagt Jochen Homburg, Ressortleiter Betriebspolitik und Betriebsverfassung im Vorstand der IG-Metall in Frankfurt am Main. Philosophisch betrachtet zitiert er Immanuel Kant, um die Grenzen dieses Rechts aufzuzeigen: „Die Freiheit des einen endet dort, wo die des anderen beginnt.” Juristisch findet das Recht seine Schranken in anderen Gesetzen, wie dem Recht der persönlichen Ehre, das den Einzelnen vor Beleidigungen schützt.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist also kein Freifahrschein für Lästern nach Herzenslust. „Arbeitnehmern steht es keinesfalls frei, Kollegen und Vorgesetzte zu beleidigen oder den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen”, sagt Ulrike Badewitz, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin. „Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber ein Mindestmaß an Loyalität. Hält er sich nicht daran, kann eine Verletzung des Arbeitsvertrags vorliegen, die auch zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.” Ob arbeitsvertragliche Grenzen überschritten wurden, müsse immer im Einzelfall beurteilt werden.

Beim Stichwort Beleidigung kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen. Denn darunter fallen alle Äußerungen, die kränkenden oder ehrverletzenden Charakter haben. „Eine Abmahnung ist dann nicht erforderlich, wenn das Vertrauen durch die Äußerung nachhaltig beeinträchtigt oder zerstört worden ist.” In dem Fall kann fristgerecht oder sogar fristlos gekündigt werden. „Die fristlose Kündigung ist immer dann möglich, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist aufgrund des zerstörten Vertrauens für eine Vertragspartei nicht mehr zumutbar ist.”

Hans-Jürgen Kotz, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Kreuztal, hat einige Beispiele für Beleidigungen und dessen Konsequenzen auf seiner Homepage veröffentlicht. Weil eine Verwaltungsangestellte beim Finanzamt Ausländer als Schmarotzer bezeichnete, wurde ihr fristgerecht gekündigt. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Kündigung mit Urteil vom 14.02.19996, 2 AZR 274/95. In einem anderen Fall stellte die Aussage eines Mitarbeiters auf einer Betriebsfeier im Beisein des Chefs „Der Boss ist ein Halsabschneider” einen fristlosen Kündigungsgrund dar. (Az.: II AZR 38/96). Buhrufe auf einer Betriebsfeier während der Ansprache des Chefs sind allerdings kein Kündigungsgrund, sie rechtfertigen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main höchstens eine Abmahnung (Az.: 5 Sa 37/01- Urteil vom 26.06.2001).

„Bei mündlich geäußerten Meinungen gibt es häufig ein Beweislastproblem”, sagt Badewitz. Im digitalen Fall nicht: bei einem Eintrag im Internet liegen die Fakten schwarz auf weiß vor. Zieht ein Arbeitnehmer vor Gericht, um die Entfernung einer Abmahnung zu verlangen oder bei einer Kündigung eine Kündigungsschutzklage zu erheben, muss der Arbeitgeber stichhaltige Gründe für Abmahnung oder Kündigung liefern.

Die Arbeitsrechtlerin empfiehlt Arbeitnehmern, sich in der Öffentlichkeit über Chef, Firma und Kollegen zurückzuhalten und immer nur sachlich mit angemessenen Worten zu äußern. Gut, wer Hemingways Rat befolgen und auch mal schweigen kann, wenn es notwendig ist.