Wie werden Abseits-Entscheidungen künftig gehandhabt? Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Diese Nachricht könnte Mario Gomez vom VfB Stuttgart gefallen: Die Fußball-Regelhüter des IFAB wollen eine Neu-Ausrichtung des Videobeweises bei hauchdünnen Abseits-Entscheidungen. Ob das die Gemüter in der hitzigen Debatte beruhigt, erscheint fraglich.

Frankfurt/Main - Jürgen Klopp hatte gemeckert, Pep Guardiola war stocksauer, die betroffenen Profis fielen vom Glauben ab - doch im neuen Jahr soll beim Videobeweis alles besser werden. Der Aufschrei der Stars aus der englischen Premier League hat für eine Neu-Ausrichtung gesorgt, die in der Fußball-Bundesliga kaum noch jemand für möglich gehalten hat. Laut der Regelhüter des International Football Association Boards (IFAB) muss der Kölner Keller bei hauchdünnen Abseits-Entscheidungen künftig schweigen.

„Beim Videobeweis gehen einige Dinge in eine Richtung, die wir wohl neu justieren müssen“, sagte IFAB-Generalsekretär Lukas Brud mit Blick auf die jährliche Zusammenkunft des Gremiums am 29. Februar in Nordirland der BBC: „Wenn man mehrere Minuten braucht, um herauszufinden, ob es Abseits war oder nicht, dann ist das Ganze nicht eindeutig und offensichtlich - dann sollte die ursprüngliche Entscheidung Bestand haben.“

Großer Frust bei Mario Gomez

Zentimeter-Entscheidungen bei Abseits-Situationen, die selbst durch den Einsatz der kalibrierten Linien nicht immer zweifelsfrei aufzuklären waren, hatten während der Hinrunde der laufenden Bundesliga-Saison immer wieder für heftige Diskussionen gesorgt. Kurioses „Opfer“ war dabei besonders Ex-Nationalspieler Mario Gomez. Dem Stuttgarter waren binnen drei Spielen fünf (!) Treffer aberkannt worden. Frustriert sprach Gomez von einem „Wahnsinn“. Er sei sogar froh, „nicht mehr fünf Jahre“ zu spielen.

Dass das Rad zurückgedreht werden würde, hatte dennoch kaum jemand für möglichen gehalten. „Ich sehne mich nach der Zeit vor dem Videobeweis“, hatte Sportgeschäftsführer Rudi Völler von Bayer Leverkusen nach dem letzten Spieltag vor Weihnachten gesagt: „Aber es ist wie bei vielen Dingen: Wenn man sie mal hat, kriegt man sie nicht mehr los.“ 

Der Ansatz beinhaltet Probleme

Abschaffen will Brud den Videobeweis zwar nicht, aber das Eingreifen des Video-Assistenten bei minimalen Abseitsstellungen soll es nicht mehr geben. Anlass für die IFAB-Überlegungen waren gleich fünf Entscheidungen an einem Spieltag der Premier League kurz vor dem Jahreswechsel, die die Gemüter auf der Insel erhitzt hatten.

„In der Theorie ist ein Millimeter Abseits zwar Abseits“, erklärte Brud: „Aber wenn die Entscheidung auf dem Platz getroffen wurde, dass ein Spieler nicht im Abseits war - und der Video-Assistent braucht fünf bis zwölf Kamera-Einstellungen, um etwas anderes zu beweisen, dann sollte die getroffene Entscheidung nicht geändert werden.“

Damit legt Brud den Video-Assistenten ans Herz, nicht ganz genau hinzusehen. Diese Herangehensweise ist den Schiedsrichtern allerdings nicht unbedingt auf den Leib geschrieben. Zudem beinhaltet der Ansatz die Probleme des Ermessensspielraums und der Auslegung, die schon beim Handspiel für eine Debatte nach der anderen sorgen.

Motto lautet „weniger ist mehr“

Dennoch wird das Motto „weniger ist mehr“ von Brud präferiert. „Das Problem ist, dass die Leute versuchen, zu gründlich zu sein. Aber wir wollen keine ‚besseren Entscheidungen’, wir wollen ‚nur’ die klaren und offensichtlichen Fehler ausmerzen“, äußerte der Funktionär: „Das müssen wir deutlich klarstellen. Wir werden allen Wettbewerben, bei denen der Videobeweis zum Einsatz kommt, in den kommenden Wochen Updates schicken - denn wir beobachten einige Entwicklungen, die nicht so sind wie sie sein sollten.“

Mit der Neu-Justierung schwenkt das IFAB auf die Linie der Europäischen Fußball-Union (UEFA) ein. „Wenn du eine große Nase hast, bist du heutzutage im Abseits“, hatte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zuletzt gesagt - und eine Toleranzgrenze von „10 bis 20 Zentimeter“ gefordert.