Josepha Grünberg in „Frühstück bei Tiffany“ Foto: Schauspielbühnen Stuttgart/Martin Sigmund

Der Hollywood-Film „Frühstück bei Tiffany“ hat Geschichte geschrieben. Gelingt es dem Alten Schauspielhaus Stuttgart, den Mythos zum Leben zu erwecken?

Aber nein, einen Vaterkomplex habe sie nicht. Holly hat sich nur antrainiert, ältere Männer zu mögen, 42 Jahre aufwärts und wohlhabend. Armer Fred. Er ist jung, er ist hübsch und Schriftsteller, wenn auch ohne Erfolg. Fred ist Holly verfallen, hoffnungslos. Eine Nacht gewährt sie ihm, mehr nicht.

 

Nicht nur Fred, Joe, Doc und Rusty, sondern auch Millionen Kinobesucher verfielen dieser Holly Golightly, die Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ spielte und Filmgeschichte schrieb. Denn dieses Mädchen, das mit Kaffee to go die Auslage von Tiffanys studierte, war anders als andere Hollywood-Stars. Hepburn war burschikos, mager, fast kindlich.

Volle Reihen im Alten Schauspielhaus

Ist es mutig oder schlau, dass sich das Alte Schauspielhaus nun an den Filmklassiker gewagt hat, den doch jeder irgendwann mal gesehen hat? Auch das Bild von Holly mit großer schwarzer Sonnenbrille ging um die Welt. Eines zumindest ist gewiss: Die Premiere von „Frühstück bei Tiffany“ hat volle Reihen beschert und einen geselligen Theaterabend wie in Vor-Corona-Zeiten. Und als Josepha Grünberg die Bühne betritt, ist es – rein optisch – ein Déjà-vu: Holly, wie sie im kulturellen Gedächtnis abgespeichert ist.

Hepburn war nur die Zweitbesetzung

Ursprünglich sollte Marilyn Monroe in der Verfilmung von Blake Edwards die Rolle übernehmen. Man riet ihr ab, dieses leichte Mädchen zu spielen, ein Partygirl, das sich in New York von Männern aushalten lässt. Audrey Hepburn war also bloß zweite Wahl. Aber sie wurde nach der Filmpremiere 1961 von der Kritik zur „besten Fehlbesetzung aller Zeiten“ gekürt.

Audrey Hepburn trug Givenchy

Josepha Grünberg macht ihre Sache gut, auch wenn sie freilich nicht die Ausstrahlung einer Audrey Hepburn bieten kann, aber ähnlich zerbrechlich wirkt. Mit der Eleganz des Hollywood-Stars kann das Alte Schauspielhaus auch nicht aufwarten: Hepburn wurde durch „Frühstück bei Tiffany“ zur Mode-Ikone, da sie Garderobe von Givenchy trug. Das „Kleine Schwarze“ soll auf den Film zurückgehen. Das schwarze Etuikleid wurde später bei Christie’s versteigert als das teuerste Kleid der Filmgeschichte.

Auf der Bühne steht ein komischer großer Kasten

Die Inszenierung im Alten Schauspielhaus kommt in Sachen Ausstattung eher spartanisch daher. Mitten auf der Bühne steht ein wuchtiger, von innen beleuchteter Kasten (Bühnenbild: Barbara Krott). Über Leitern können die Schauspieler hinaufklettern oder darin verschwinden. Das mag praktisch sein, die Szenen allerdings müssen ringsherum im nicht definierten Raum stattfinden, sodass wenig Atmosphäre aufkommt. Schade, dass man ganz auf das Setting verzichtet hat, dass Fred und Holly Tür an Tür leben – aber nicht zusammenkommen.

Holly ist depressiv

Dabei sind die Apartments doch Teil ihrer Charaktere: hier die traurige Schreibstube Freds, dort Hollys Chaos. Fred beäugt neugierig, wie hier die Männer ein- und ausgehen. Die Figur der Holly war ihrer Zeit weit voraus: Single, ungebunden und selbstbestimmt – zumindest vordergründig. Denn Hollys Unnahbarkeit ist nicht Ausdruck von Freiheit, sondern hilfloses Agieren einer psychisch zerrütteten Persönlichkeit. Holly ist depressiv. Sie nennt es „das rote Elend“. Diese Zerbrechlichkeit weckt den Beschützerinstinkt der Männer, die psychischen Abgründe machen die Figur aber auch vielschichtig und interessant. Was Holly mit ihren Männern verbindet, würde man heute toxische Beziehung nennen. „Man darf sein Herz nicht an wilde Geschöpfe binden“, sagt sie zu Fred. Er wird von Philip Wilhelmi gespielt, der auch als Erzähler den Abend souverän zusammenhält, weil die Inszenierung nicht so recht weiß, welchen Ton sie anschlagen will.

Man könnte von toxischen Beziehungen sprechen

Im Roman ist Fred schwul

Der Regisseur Benjamin Hille greift meist zum Naturalismus, lässt Szenen aber auch einfrieren, um etwa ein Gemälde von Edward Hopper nachzustellen. Hollys Männer werden dagegen komödiantisch parodiert.

Am Ende folgt die Inszenierung nicht dem Happy End, das man in Hollywood kühn erfunden hatte, sondern hält sich an die Romanvorlage von Truman Capote. Bei ihm ist der Nachbar Fred allerdings schwul und seine Freundschaft zu Holly rein platonisch.

Unvergesslicher Song

Gänsehaut
Es ist einer der schönsten Songs: „Moon River“. Henry Mancini komponierten den komplette Soundtrack von „Frühstück bei Tiffany“. Auch als Josepha Grünberg im Alten Schauspielhaus „Moon River“ singt, geht die Tragik dieses brüchigen Figur in süßer Melancholie auf.

Vorstellungen
„Frühstück bei Tiffany“ läuft bis 16.Juli im Alten Schauspielhaus Dienstag bis Samstag.