Darf ganz gewiss mit einem Beethoven beginnen: der 15-jährige Geiger Raffael Avelini. Foto: Martin Bernklau

In der Kirche auf dem Haigst treten Preisträger bei einem Frühjahrskonzert auf.

Stuttgart-Degerloch - Es scheint, als sei das eine unerschöpfliche Quelle, ein tiefer glasklarer Brunnen, woraus Monika Giurgiuman in ihrer Begabtenklasse der Stuttgarter Musikschule immer wieder neue, eigenwillige und oft spektakuläre Talente schöpft und sie der Öffentlichkeit vorstellt. Nie, nie sind es irgendwelche vor Drill oder Elternehrgeiz blass und kalt gebliebene Klein-Karrieristen, sondern stets Persönlichkeiten allesamt schon, ganz unterschiedlich in Charakter, Stil, Reife und Temperament. Vier der jungen Musiker traten am Sonntagabend bei der Kammermusik in der Haigstkirche zum alljährlichen Frühlingserwachen der Hochbegabten auf: der Geiger Raffael Avelini, das Duo aus dem Klarinettisten Julius Engelbach und der Pianistin Rebekka Irion sowie Marvin Pechner als Pianist.

Irgendwo zwischen Technik und Tiefe, Empfindung und Ausdruck, Verstehen und Ausleben sortieren sich diese Temperamente, schon früh und mit oft ganz erstaunlicher Kontur. Sie dürfen bei aller unerlässlichen Disziplin und Arbeit, auch unter der spürbaren Führung durch prägende Lehrer ganz offenbar ganz sie selber bleiben – und vielleicht vollends werden.

Das sinnlich Sensible

Der 15 Jahre junge Geiger Raffael Avelini aus der Klasse von Ovidiu Abramovici ist ein Typus, der ganz gewiss mit einem Beethoven beginnen darf und soll. Der Kopfsatz aus dessen erster Sonate in D-Dur wechselt zwischen Energie und Lyrik, huldigt ergeben der Form und zeigt doch den wilden, nicht zähmbaren Ausdruckswillen einer rebellisch eigensinnigen Persönlichkeit. Auch der Klavierbegleiter Boris Pyvnik, emeritierter Lehrer an der Musikschule, schloss sich dieser Energie an, die dann im Zweifel eher der Intensität als dem Feinziselierten den Vorzug gibt.

Ein Steigern, Verdichten gerade in die hohen Lagen hinein, holte Raffael Avelini aus der um 1780 in Füssen gefertigten Geige, die er als Stipendiat spielen darf. Natürlich passt dazu auch der chopin-mäßig gehaltvolle Konzertsatz des polnischen Geigenvirtuosen Henryk Wienawski oder die etwas erzieherisch gebildete Improvisation von Dmitri Kabalewski, der unter der Knute der stalinistischen Sowjetkunst auch überleben wollte.

Gemessen, geradezu klassisch formvollendet zeigte sich das Duo aus dem Klarinettisten Julius Engelbach, Schüler von Markus Kern, und der ebenfalls 16-jährigen Rebekka Irion, die bei Monika Giurgiuman selber nicht zuletzt die hohe Kunst des kammermusikalischen Begleitens gelernt hat. Das sinnlich Sensible und den Esprit des Französischen kultivierten die beiden mit Debussys „Première Rhapsodie“ und mit zwei Sonatensätzen von Francis Poulenc. Springlebendig war diese höchst klassische Moderne aber trotz ihrer Perfektion auch noch.

So schüchtern und bescheiden wirkt er

Der 1999 geborene Marvin Pecher kam erst vor zwei Jahren an die Stuttgarter Musikschule in die Klavierklasse von Romuald Noll. So schüchtern und bescheiden er wirkt, am Klavier wird dieser phänomenale Junge fast schon zum Tier, zum Raubtier, zum Tastenlöwen. So eine Anschlagskraft, so eine wilde Wucht bei geradezu gebieterischer Präsenz über alle polyfonen Linien ließen ihm – unter längst zahllosen Preisen – die „Droblito“-Juroren in Berlin die Auszeichnung für „schöpferischen Wagemut“ widmen. Eine Naturgewalt, auswendig und mit allerhöchster Konzentration bei der Sache: Sergej Prokofjews Sonate und Franz Liszts Tarantella aus „Venezia und Napoli“, blendende Virtuosenstücke, die doch auch erst mal verstanden gehören. Marvin Pecher kann das schon.

Dass er auch einen Mozart angemessen spielen kann, mochte man nach dieser romantisch-virtuosen Urgewalt bezweifeln. Aber er konnte es, ganz eigenwillig, klar und hart, ganz ohne falsche Mozart-Süße, mit seinem Satz aus der 333er-Sonate. Die Zuhörer feierten natürlich auch das. Sogar anschwellende Bravo-Rufe gab es, wie für die anderen Preisträger auch schon.