Die Tübinger Geowissenschaftlerin und Paläontologin Madelaine Böhme hat mit ihrem Team die bisher unbekannte Menschenaffen-Gattung namens Danuvius guggenmosi entdeckt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Vor fast zwölf Millionen Jahren war in der Region des heutigen Unterallgäu ein Menschenaffe schon auf zwei Beinen unterwegs. Das schließen Tübinger Forscher aus Knochenfunden. Die Funde stellten die bisherige Sichtweise auf die Evolution des Menschen grundlegend infrage.

Tübingen - Forscher der Universität Tübingen haben dem am Mittwoch (6. November) präsentierten Fossil einer bislang unbekannten Menschenaffenart den Beinamen Udo gegeben – nach Sänger Udo Lindenberg. Neben anderen Knochen entdeckten die Wissenschaftler den knapp zwölf Millionen Jahre alten Unterkiefer des Primaten mit wissenschaftlichen Namen Danuvius guggenmosi in einem Allgäuer Bachlauf am 17. Mai 2016, dem 70. Geburtstag des Sängers.

Udo Lindenberg hat sich noch nicht zur Patenschaft geäußert

„Im Radio sind nur seine Songs gelaufen“, sagte die Geowissenschaftlerin und Paläontologin Madelaine Böhme bei der Präsentation der Funde. „Udo“ könnte die bisherige Sichtweise auf die menschliche Evolutionsgeschichte grundlegend in Frage stellen. Der 73-jährige Lindenberg hat sich nach Böhmes Angaben zunächst noch nicht zu seiner Namenspatenschaft für das Allgäuer Menschenaffen-Männchen geäußert.

Affenmännchen „Udo“ konnte bereits aufrecht laufen

Nach Einschätzung der Tübinger Wissenschaftlerin, deren Studie im Fachmagazin „Nature“ erschienen ist, weist das Skelett darauf hin, dass sich der aufrechte Gang in Europa statt in Afrika und früher als bislang angenommen entwickelt hat.

Danuvius guggenmosi war demnach ein Vorfahr von Mensch und Menschenaffe,der sich bereits vor 11,62 Millionen Jahren auf zwei Beinen fortbewegen konnte, erklärte Böhme bei der Präsentation der Funde im geowissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen. Das wäre mehrere Millionen Jahre früher als Wissenschaftler bislang zumeist angenommen haben.

Urahn des Menschen stammt aus dem Allgäu

Das Tübinger Forscherteam hatte zwischen 2015 und 2018 in einem Bachlauf der Tongrube Hammerschmiede auf der Gemarkung der Gemeinde Pforzen im Unterallgäu die versteinerten Fossilien entdeckt.

„Bislang war der aufrechte Gang ein ausschließliches Merkmal von Menschen. Aber Danuvius war ein Menschenaffe“, betonte Böhme. So habe Danuvius seinen Rumpf durch eine S-förmige Wirbelsäule aufrecht halten können, während Menschenaffen lediglich eine einfach gebogene Wirbelsäule besitzen.

„Danuvius kombinierte die von den hinteren Gliedmaßen dominierte Zweibeinigkeit mit dem von den vorderen Gliedmaßen dominierten Klettern“, erklärte der Mitautor der „Nature“-Studie, David Begun von der University of Toronto.

Name des Vorfahrs erinnert an Hobbyarchäologen Guggenmos

Der Name des nun entdeckten Menschenaffen Danuvius guggenmosi erinnert an den Hobbyarchäologen Sigulf Guggenmos. Er hatte nach Angaben der Universität Tübingen 1972 in der ehemaligen Ziegelei Hammerschmiede in Pforzen im Ostallgäu erstmals Fossilien in dieser Fundstätte entdeckt.

Der aus dem bayerischen Westendorf stammende Guggenmos stieß in mehr als 40 Jahren auf unzählige Fundstücke vor allem aus der Steinzeit beziehungsweise aus der Zeit der Römer. Am bedeutendsten war dabei die Entdeckung einer Brandopferstätte auf dem Grund des Forggensees. Guggenmos ist 2018 im Alter von 76 Jahren gestorben.

Fossilien-Schatzgrube Hammerschmiede

In der Tongrube in Pforzen graben die Universität Tübingen und das Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment unter Leitung von Madelaine Böhme seit 2011 vor allem nach Tierresten. Insgesamt wurden bisher rund 15 000 Fossilien von 115 Wirbeltier-Arten geborgen.

Darunter finden sich Fische, Riesensalamander, Schildkröten, Vögel, Elefanten, die weltweit ältesten Pandas. Zwischen 2015 und 2018 wurden die Knochenreste von Danuvius guggenmosi gefunden.