Der Rems-Murr-Kreis leistet für die Schließung des Krankenhauses in Backnang gewissermaßen seine letzte Reparationszahlung. Auf dem Areal werden das Parkdeck saniert und Mietwohnungen gebaut.
Selbst Hand an den Steuerknüppel legen durften der Landrat Richard Sigel und der Backnanger Oberbürgermeister aus versicherungstechnischen Gründen nicht. Aber sie drängten sich mit ins Führerhaus des Abrissbaggers, als dieser für einen symbolischen Akt kurz die Erde erzittern ließ. Mit der Sanierung des Parkhauses und dessen anschließender Überbauung soll gewissermaßen der Schlussstein für die Neuentwicklung eines Quartiers gesetzt werden, auf dem nach der Stilllegung des dortigen Kreiskrankenhauses zugunsten eines Neubaus in Winnenden lange Jahre nicht nur eine strukturelle Wunde klaffte.
Friedrich: Gute Lösung für besonderes Gelände
Es sei eine „gute Lösung“ auf einem „besonderen Gelände“ gefunden worden, sagt der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, der dieses Amt erst seit gut einem Jahr bekleidet. Nach der Schließung des Krankenhauses ist in den vergangenen Jahren auf dem Areal das erste nahezu autofreie Quartier der Stadt entwickelt worden. Zuletzt wurde im Frühjahr eine Wohnanlage mit acht Einzelgebäuden und 63 Wohnungen fertiggestellt.
Nun schießt der Kreis – quasi als letzte Reparationsleistung – fünf Millionen Euro für den Neubau des Parkdecks zu, das sich als marode herausgestellt hatte, aber insbesondere von Patienten und Mitarbeitern des benachbarten Gesundheitszentrums dringend benötigt wird. Die Parkgelegenheiten sollen mit 230 Stellplätzen nicht nur mehr werden, sondern auch komfortabler, die Parkbuchten und Zufahrtsrampen verbreitert, die Erschließung dank Aufzügen barrierefrei gestaltet werden. Installiert werden sollen zudem Ladesäulen für Elektroautos und Pedelecs, und in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken ist ein Carsharing-Angebot angedacht. Anwohnern soll ein „Moonshine-Angebot“ für die Zeit gemacht werden, in der die Parkplätze nicht vom Gesundheitszentrum beansprucht werden.
Nach der Fertigstellung des Parkdecks, die für September kommenden Jahres anvisiert wird, soll dieses mit sieben Gebäuden überbaut werden, in denen 48 Wohnungen Platz finden – allesamt öffentlich geförderte Mietangebote. Die Preise sollen laut Vereinbarung mit der Stadt gemäß dem Landeswohnraumförderprogramm 33 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die dreigeschossigen Wohnanlagen sollen in klimafreundlicher Holzmodulbauweise errichtet werden. Auf den Dächern der Gebäude sind Fotovoltaikanlagen mit einer Jahresleistung von 130 000 Kilowattstunden geplant, was laut dem Kreisbau-Geschäftsführer Dirk Braune jedes Jahr 61 Tonnen CO2 einspare. Er sagt zu dem insgesamt knapp 29 Millionen schweren Projekt, das das erste der Kreisbau Waiblingen auf Backnanger Gemarkung überhaupt ist: „Wir machen da etwas richtig Gutes draus“, eine Brache werde baulich und ökologisch aufgewertet. Bis zum Sommer 2025 soll alles fertig sein.
Der Backnanger Oberbürgermeister Friedrich lobt ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem Kreis, die beim Schaffen bezahlbaren Wohnraums in der Murrmetropole erstmals Früchte tragen werde. Der Landkreis selbst hat sich 2018 vorgenommen, innerhalb von zehn Jahren kreisweit 500 neue, bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen. Landrat Richard Sigel ist sicher, dass dieses Vorhaben gelingen wird: „So, wie es aussieht, werden wir dieses Ziel schon deutlich früher erreichen.“