Der 1911 geborenen Argentinier Juan Manuel Fangio (Mitte) prägte die Anfangsjahre der Formel 1 und wurde fünfmal Weltmeister. Foto: AP

Der ehemalige Maichinger Mercedes-Pilot Hans Hermann spricht im Interview über seinen früheren Teamkollegen und Rennfahrerlegende Juan Manuel Fangio und welchen Einfluss der fünfmalige Weltmeister auf sein Leben hatte.

Stuttgart - Hans Herrmann, Jahrgang 1928, kennt Juan Manuel Fangio aus seinen Rennfahrertagen in den 1950er Jahren bei Mercedes. Der fünfmalige Weltmeister beeinflusste das Leben des Maichingers während der Karriere und auch noch danach.

Hans Herrmann über Fangios Auftreten

„Fangio stammte aus ärmlichen Verhältnissen, seine Eltern waren Auswanderer aus Italien, die nach Argentinien übersiedelten. Er besaß ein unglaubliches Charisma, wenn er einen Raum betrat, musste er gar nicht sagen – man spürte einfach seine Anwesenheit, ohne dass er aufdringlich war. Wenn Fangio in ein Lokal oder zu einer Veranstaltung kam, sind die Menschen aufgestanden. Dabei war er stets ein sehr bescheidener Mensch, der sich überhaupt nicht in den Mittelpunkt drängte. Trotzdem lag ihm die Welt zu Füßen – er war ein Star seiner Zeit.“

Hans Herrmann über Fangios Hilfsbereitschaft

„Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Ich war damals ein junger Rennfahrer, der noch sehr viel lernen musste – Fangio stand mir stets mit Tat und Rat zur Seite, obwohl er dies gar nicht hätte tun müssen. Für ihn war es aber eine Selbstverständlichkeit seinem Teamkollegen zu helfen. In Monaco fuhr er einmal vor mir her, um mir die Strecke zu zeigen. Für eine schwierige Rechtskurve in Buenos Aires demonstrierte er mir, wie man sich mit dem Vorderrad am Fahrbahnrand einhängt und die Kurve so noch schneller durchfahren kann. Wer würde das heute für einen Teamkollegen tun? Niemand! Fangio war so etwas wie der liebe Gott der Rennfahrer für mich.“

Hans Herrmann über Fangios Fahrkünste

„Er besaß die wunderbare Begabung, dass er sein Auto und sich selbst perfekt auf ein Rennen einstellen konnte. Damals gingen die Großen Preise noch über 500 Kilometer, heute sind es ja nur noch 300, aber man hatte bei ihm stets das Gefühl, dass er alles aus sich und dem Auto herausgeholt hatte – und zwar genau auf den Punkt. Oft haben die Mechaniker nach einem Grand Prix gesagt, wenn das Rennen noch ein, zwei Runden länger gegangen wäre, wäre Fangio womöglich nicht mehr ins Ziel gekommen.“

Hans Herrmann über Fangios größten Rivalen

„Stirling Moss, sein großer Widersacher, und neben mir der einzige Rennfahrer, der aus dieser Epoche noch am Leben ist, hätte mehrfach Weltmeister sein können. Aber er hat häufig die verkehrte Taktik gewählt, er konnte sich im Gegensatz zu Fangio ein Rennen nicht perfekt einteilen – und so hat er häufig schnellste Rennrunden in Serie gefahren, ist dann aber wegen eines Defektes ausgefallen. Einmal haben sich beide in einem Hitzerennen so hart duelliert, dass sie beide nach dem Rennen völlig entkräftet in die Box gefahren sind – sie hatten einen Hitzschlag erlitten, Moss wurde sogar ins Krankenhaus gebracht. Der persönliche Umgang von Juan Manuel Fangio mit Stirling Moss war stets ein vorbildlicher, beide waren Gentlemen bei aller Rivalität auf der Rennstrecke.“

Hans Herrmann über den Starkult um Fangio

„Fangio war DER Rennfahrer seiner Epoche, aber er legte keinen Wert auf einen Starrummel. Er konzentrierte sich auf die Rennen und lebte sein Privatleben ziemlich zurückgezogen. Da ist Lewis Hamilton ein ganz, ganz anderer Typ – er ist auf der ganzen Welt zu Hause und genießt das.“

Hans Herrmann über Fangios Fahrzeug

„Damals war der technische Unterschied zwischen den Autos nicht so groß wie heute, da waren die Fähigkeiten des Fahrers entscheidend und machten den Unterschied. Wir hatten damals ein Lenkrad, das war ausschließlich fürs Lenken – heute sind da 23 Knöpfe dran, an denen man während des Rennens alles Mögliche verstellen kann. Wir setzten und damals ins Auto und mussten irgendwie schnell sein. Und dabei war Fangio der beste.“

Hans Herrmann über seine Freundschaft mit Fangio

„Ich habe auch nach seinem Rücktritt als Rennfahrer nie den Kontakt zu ihm verloren, er hat uns regelmäßig in Deutschland besucht, und wenn er in der Gegend war, wohnte er bei mir im Haus in Sindelfingen-Maichingen. Wir haben dann oft im Garten gegrillt, er hat sein berühmtes Asado zubereitet und saßen zusammen, haben über alte Zeiten und alles andere geplaudert. Er kam ja auch deshalb nach Deutschland, weil er regelmäßig ans Dialysegerät in Stuttgart musste, er hatte ein Nierenleiden. Ich habe ihm bei der Behandlung geholfen, wo ich nur konnte – ich wollte ihm meine Dankbarkeit zeigen, weil er auch viel für mich getan hat.“