Nach wochenlangem Wildwuchs haben viele wieder die Haare schön. Was man oben herum trägt und wie die Friseurbranche zum Corona-Orakel wurde: ein Experte im Interview und die Trends in Bildern.
Aachen - Schön anziehen, Haare stylen und sich herrichten – Dinge, die in den vergangenen Wochen bei vielen keine große Rolle gespielt haben. Seit vergangenem Montag sind die Friseurgeschäfte wieder offen und die Menschen pilgern in Scharen zu den Coiffeuren – trotz strenger Hygieneauflagen. Welchen Haarmoden man sich nun wieder nach Lust und Laune hingeben kann, warum absichtlich unfrisiertes Haar auch nach dem Friseur-Shutdown angesagt ist und wie man mit nassen Haaren gut aussieht, erklärt der Friseurmeister Antonio Weinitschke (53) aus Aachen. Er ist der Art-Director, also Kreativchef, beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks. Die Bilder zu den Trends sehen Sie in unserer Galerie.
Herr Weinitschke, dürfen wir jetzt wieder über Frisurentrends sprechen?
Unbedingt. Die Trends für Frühjahr/ Sommer 2020 wurden bereits vergangenen Herbst vom Modeteam des Verbands des Deutschen Friseurhandwerks kreiert, da war von Corona noch keine Rede. So zeigt sich der Trend „Reflection on Nature“ in weichen, schlichten und natürlichen Formen, mit viel Spiel und Bewegung im Schnitt. Auch wilde Strukturen gehören dazu.
Das klingt fast wie die unfreiwillig natürlichen Corona-Frisuren . . .
Ja, genau diese Mode konnten gerade die Frauen ohne Weiteres während der sechswöchigen Schließung der Salons tragen. Diese Haarschnitte wachsen gut mit und sind durch ihre Weichheit auch nach mehreren Wochen noch gut in Form. In Fachzeitschriften ist auch vom Messy-Hair-Look die Rede.
Chignon, Wet-Hair-Look, Bop, Pixie-Cut– bitte übersetzen Sie!
Chignon ist das französische Wort für Haarknoten, also streng am Kopf zum Knoten geflochtene oder gezwirbelte Haarpartien – immer wieder ein Trend, so auch in diesem Jahr. Der Wet-Hair-Look ist das Styling eines Haarschnitts mit Gel oder Ähnlichem, sodass die Frisur aussieht als wäre das Haar noch nass. Solche Frisuren brauchen, genauso wie der Messy-Hair-Look oder der Pixie-Cut, einen perfekten Haarschnitt als Grundlage, der aber viel Spielraum für unterschiedliche Varianten zulässt. Dazu gehören eine weiche Schnittführung und unterschiedliche Längen. Apropos Pixie-Cut: Das ist der Klassiker unter den Kurzhaarfrisuren für Frauen. Der Bop bezeichnet ebenfalls einen Frisurklassiker: den Bob, in dem Fall trägt man ihn mit Pony.
Und wie trägt der trendbewusste Herr sein Haupthaar?
Bei den Männern werden die Haare auf jeden Fall wieder länger und dürfen locker fallen. Die Konturen sind weicher und voller während sich das Deckhaar natürlich bewegt. Wenn es jemand doch lieber kurz trägt, achtet man dennoch auf weiche Übergänge und lockere Strukturen.
Ihre Zwischenbilanz seit der Wiedereröffnung Ihres Salons: Was ist besonders gefragt?
Das Färben von heraus gewachsenen Ansätzen! Dicht gefolgt vom Nachschneiden des Haarschnitts, wobei auch oft der Wunsch aufkam, die Haare trotzdem etwas länger zu lassen. Bei einigen Kunden, vorwiegend Männern, mussten wir korrigieren, was sie sich während des Shutdowns selbst aus Ungeduld zugefügt haben, was nicht selten an Selbstverstümmelung grenzte.
Was war das ausgefallenste, was Sie zuletzt frisieren sollten?
Einen Pixie-Cut mit viel Textur und unterschiedlichen Längen, Ponypartie und Konturen sehr kurz, das Ganze in Kupferrot – die Farbe war aber bereits vorhanden.
Wie arbeitet es sich unter den strengen Hygieneauflagen?
Die Atmosphäre ist sehr steril. Der Boden ist markiert wie auf einer Baustelle, damit Kunden und Mitarbeiter wissen, wo sich bewegen dürfen und wo nicht. Wir tragen Mund-Nasen-Masken, was sehr ungewohnt ist, reinigen und desinfizieren Hände, Arbeitsplätze und Werkzeug nonstop und zwischendurch machen wir auch noch die Haare. Wie haben für unsere Kunden eigene Masken aus Zellstoff hergestellt, die an den Wangen mit Pflaster angeklebt werden. So können wir ohne ständiges Festhalten oder Verrutschen der Masken sauber arbeiten. Auch wenn es schwierige Umstände sind: alle sind froh, dass es endlich weiter geht.