Der Frisch-Auf-Fanmarsch kommt an der EWS-Arena an. Foto: Horst Rudel

Frisch Auf stürzt seine lautstarken Fans in einen wahren Handballtaumel. Die Göppinger haben am Sonntag das Europapokalfinale gewonnen.

Göppingen - Dem Final-Four-Wochenende im EHF-Cup haben die Göppinger Handballfans mit gemischten Gefühlen entgegengeschaut. Nach dürftigen Leistungen während der Bundesligasaison und einem verletzungsbedingt ausgedünnten Kader war die Hoffnung, den Titel verteidigen zu können, nicht allzu groß. Doch da war eben auch die Freude auf die sportliche Party in der heimischen EWS-Arena. Und zum guten Schluss wich die Skepsis dem Jubel, wie unser Europapokal-Bummel durch die Hohenstaufenstadt zeigt.

Grün-weiß und stimmgewaltig Auf einmal wird es laut auf dem Marktplatz. Unbedarfte Kunden, die ihre Samstagseinkäufe verrichten, schauen irritiert oder zücken die Handykameras. Rund 100 Fans in Grün und Weiß ziehen auf einem Fanmarsch durch die Stadt. „Europapokal, Europapokal“ und „Hey, Frisch Auf Göppingen“ schallt es durch die Straßen. Als der Fanmarsch an der EWS-Arena ankommt, hat sich die Zahl der Handball-Anhänger gut und gerne verdoppelt. Stimmgewaltig singt man sich gegenseitig Mut zu – für das Halbfinale gegen den SC Magdeburg.

Der OB wird zum Propheten

Till als Prophet Im Fan-Village vor der Halle, für das sich die Verantwortlichen ein abwechslungsreiches Aktionsprogramm haben einfallen lassen, mischen sich die Farben: das Grün-Rot-Weiß der Berliner, das Gelb-Blau der Franzosen aus Saint-Raphael, das Rot-Grün der Magdeburger und natürlich das Grün-Weiß von Frisch Auf dominieren die friedliche Szenerie. Oberbürgermeister Guido Till setzt zwar auf Anzug, versucht sich in seiner kürzesten Rede, die er wohl jemals gehalten hat, aber als Prophet. Am Ende der 30 Sekunden erklärt er den „lieben Gästen“ aus Sachsen-Anhalt, dass es ihrem Team heute nicht reichen werde. Vom Göppinger Anhang bekommt er dafür Beifall – doch einige sprechen auch von Zweckoptimismus.

Rasant und rasend Die EWS-Arena zeigt schon vor der Partie, dass sie den Namen „Hölle-Süd“ zu Recht trägt. Ein infernalischer Lärm und eine tolle Choreografie des Frisch-Auf-Fanclubs machen die passende Europapokal-Stimmung. Gut 500 Getreue des SC Magdeburg tun das Ihrige, um den Dezibelpegel zu keiner Sekunde sinken zu lassen. „SCM, SCM“ von der einen und „Heebats, heebats“ sowie „Hier regiert der FAG“ von der anderen Seite. Beide Teams lassen sich mitreißen. In den ersten 15 Minuten schießen beide Mannschaften insgesamt 18 Tore. Wobei Frisch Auf stets die Nase ein kleines Stückchen vorn hat.

Wenig später brechen alle Dämme

Optimismus pur Bereits in der Halbzeitpause, Göppingen führt mit 16:14, ist sich Pascal sicher: „Die packen das, weil die Halle sie trägt“, sagt der Fan der Grün-Weißen zu seinem Nebenmann. Doch der ist noch vorsichtig: „Aber nur wenn wir so weitermachen und die Mannschaft nach vorn peitschen“, erklärt er, schnappt seine Trommel und legt wieder los, noch ehe die Teams zurück auf dem Spielfeld sind.

Freude pur Eine gute halbe Stunde später brechen alle Dämme. Der Sieg gerät nicht mehr in Gefahr. Die EWS-Arena nach dem doch etwas überraschend deutlichen 33:29-Erfolg als Tollhaus zu bezeichnen wäre jedenfalls untertrieben. Jens aus Magdeburg erweist sich als fairer Verlierer. „Ihr seid heut’ einfach stärker gewesen oder wir eben zu schwach“, sagt er zu Michael aus Eislingen, der ihn draußen auf ein Trostbier einlädt und mit ihm anstößt. Währenddessen schallt immer noch das obligatorische und freudentrunkene „Finale oho, Finale oho“ aus der Halle.

Nur die Ola klappt nicht – weil keiner mehr sitzt

Ohne Chance Der Gegner von Frisch Auf sind die Berliner Füchse, die sich im zweiten Halbfinale mit 35:24 deutlich gegen Saint-Raphaël Var durchsetzen. Nadine, eine glühende Verehrerin des Teams von der französischen Côte d’Azur, hat mit einem solchen Ergebnis gerechnet: „Uns war klar, dass wir keine Chance haben, aber die wollten wir nutzen“, philosophiert sie beim Fanfest auf dem Schlossplatz. Dass dort zugleich der dritte Göppinger Streetfood-Markt stattfindet, bezeichnet die junge Frau als „formidable“. Sie habe ein schönes Handballwochenende verbringen wollen und lasse sich davon selbst durch die Niederlage ihrer Lieblinge nicht abhalten.

Finale oho Nachdem sich Magdeburg im Spiel um Platz drei gegen Saint-Raphaël erst im Siebenmeterschießen durchsetzen kann, steuert das „schöne Handballwochenende“ seinem Höhepunkt zu. Noch einmal das gleiche Spektakel: nur lauter und wilder. Doch zunächst dominieren die Füchse, ehe die Frisch-Auf-Fans ihr Team nach vorn peitschen – und Trainer Magnus Andersson Lars Kauffmann auf die Platte schickt. 15:13 führt Göppingen zur Pause und Pascal ist sich wieder sicher: „Wenn wir nicht nachlassen, können unsere Jungs gar nicht anders als gewinnen.“ Sie können wirklich nicht anders. Am Ende heißt es 30:22 und die „Weisheit“ auf den T-Shirts der Füchse-Fans kann Göppingen für sich reklamieren: „Hier isch unser Revierle“. Der Rest ist kollektives Ausrasten. Nur die La Ola klappt nicht – weil keiner mehr sitzt.