Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ist beim „Fridays-for-Future“-Gipfel in der Schweiz mit dabei. Dort wurde die Bürgerinitiative bekannt gegeben. Foto: AP

„Fridays for Future“ will Druck auf die EU machen. Die Aktivisten fordern unter anderem, für mehr Klimaschutz beim Handel anzusetzen.

Stuttgart - Vertreter der Klimabewegung „Fridays for Future“ starten eine Europäische Bürgerinitiative, um auf EU-Ebene ambitioniertere Ziele für den Klimaschutz voranzutreiben. Das haben Aktivisten am Montag bei einem Treffen im schweizerischen Lausanne bekannt gegeben.

Europäische Bürgerinitiative – was ist das?

Mit einer europäischen Bürgerinitiative können Bürger die EU-Kommission dazu bringen, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Um eine Initiative zu starten, braucht es mindestens sieben EU-Bürger, die in mindestens sieben unterschiedlichen Mitgliedsstaaten leben. Sobald eine Million Unterschriften gesammelt und bestimmte Mindestwerte erreicht wurden, muss die Europäische Kommission entscheiden, ob sie tätig wird. Das Instrument ist zwar weniger mächtig als ein Volksbegehren. Aber wenn eine Initiative genug Unterschriften zusammen kriegt, haben die Initiatoren zum Beispiel die Möglichkeit, ihr Anliegen bei einer öffentlichen Anhörung im EU-Parlament vorzustellen. Zudem muss die Kommission eine offizielle Antwort veröffentlichen.

Was fordert „Fridays for Future“?

Die Europäische Bürgerinitiative trägt den Titel „Actions on Climate Change“ und umfasst vier Forderungen.

Erstens soll die EU ihr individuelles Ziel für den Pariser Klimavertrag anpassen. Die Aktivisten fordern 80 Prozent weniger CO2 bis 2030 (Vergleichswert 1990) und komplette CO2-Neutralität bis 2035. Bislang ist das Ziel der EU weniger ambitioniert.

Der Pariser Klimavertrag sieht vor, dass die Staaten ihre Ziele regelmäßig überarbeiten und Schritt für Schritt höher schrauben. Nach Angaben der Initiative muss die EU im Jahr 2023 neue Ziele einreichen, weshalb jetzt ein guter Zeitpunkt für die Anpassung sei.

Zweitens fordert die Initiative für den internationalen Handel eine „CO2-Anpassung an der Grenze“. Auf importierte Güter soll je nach CO2-Last bei der Produktion in den Ursprungsländern ein Aufschlag erhoben werden. Klimaschäden sollen dadurch eingepreist werden. Der Aufschlag soll als Kompensation für mangelnden Klimaschutz anderswo auf der Welt dienen. So wollen die Initiatoren sicher gehen, dass Klimaschutz auch dann gelingt, wenn manche Staaten mehr tun als andere.

Drittens: Freihandelsabkommen sollen nur noch mit Ländern unterzeichnet werden, die sich an das 1,5-Grad-Ziel halten. Es besagt, dass die Erde sich im Vergleich zum Beginn des industriellen Zeitalters nicht um mehr als 1,5 Grad Celcius erwärmen darf. Als äußerste Grenze, um katastrophale Klimafolgen abzuwenden, gelten zwei Grad durchschnittlicher Erderwärmung. Viele Wissenschaftler warnen aber schon bei plus 1,5 Grad vor für die Menschheit kaum tragbare Folgen: Schmelzen der Eiskappen, Anstieg der Meeresspiegel, mehr Wetterextreme.

Viertens: Die EU soll kostenloses Informationsmaterial zum Klimawandel bereitstellen, das auch mögliche Lösungen aufzeigt.

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Was soll die Initiative bringen?

Die Initiatoren wollen Druck auf die EU für ambitioniertere Gesetze gegen die Erderwärmung aufbauen. Zudem hoffen sie, dass die Initiative das Thema noch stärker in den Mittelpunkt rückt und mehr Austausch zwischen der Öffentlichkeit und Politikern stattfindet.

„Um überhaupt noch eine Chance zu haben, diese Krise zu bewältigen, wollen und brauchen wir eine starke Führung der EU. Die Welt steht am Rande einer potenziellen Katastrophe. Schwache Führung und halbherzige Maßnahmen können wir uns nicht länger leisten“, schreibt die 24-jährige Aktivistin Astrid Budolfsen in einer Mitteilung.

Wie geht es jetzt weiter?

Ab September haben die Initiatoren ein Jahr Zeit, um eine Million Unterschriften in mindestens sieben EU-Staaten zu sammeln. Zwar werden regelmäßig neue Europäische Bürgerinitiativen gestartet. Doch nach Angaben von „Fridays for Future“ gab es bislang erst vier, welche die erforderliche Anzahl von Überschriften erreicht haben.

Wie hängt das alles mit „Fridays for Future“ in Deutschland zusammen?

Um eine Bürgerinitiative zu starten, muss zunächst ein „Bürgerausschuss“ von sieben EU-Bürgern aus unterschiedlichen Ländern gegründet werden. Darin ist auch ein Deutscher vertreten, der 27-jährige Ole Müller. Zwischen 30 bis 50 Personen im Alter von 14 bis 50 Jahren hätten an dem Text für die Initiative gearbeitet, heißt es in einer Pressemitteilung. Weil die Initiatoren alle „Fridays for Future“-Gruppen in den jeweiligen Ländern repräsentieren wollen, habe man alle kontaktiert, um einen Konsens zu erreichen. Bislang hätten die „Fridays-for-Future“-Gruppen aus Schweden, Großbritannien, Estland, Frankreich, Lettland, Malta, Spanien, den Niederlande und der Schweiz offiziell zugestimmt. In Deutschland müssen erst noch die rund 500 Ortsgruppen abstimmen. „Ich gehe aber davon aus, dass das nur noch eine Frage der Zeit ist“, sagte ein Sprecher von „Fridays for Future“ Deutschland unserer Zeitung.