In Stuttgart gehen die Schülerinnen und Schüler regelmäßig auf die Straße – auch an diesem Freitag. Foto: dpa

Die Zahl streikender Schüler im Land erreicht an diesem Freitag eine neue Dimension. Das Ministerium äußert Sympathie, Lehrer sehen sich ausgeschlossen.

Stuttgart - Das Kultusministerium und Elternvertreter haben sich entschieden: Schüler, die sich für die Erhaltung des globalen Klimas engagieren wollen, sollen das ohne Bußgeldzahlungen tun dürfen, aber die verlorene Unterrichtszeit nachholen. So viele Demonstrationen wie an diesem Freitag sind im Südwesten noch nie angemeldet worden – wohl auch eine Folge der Sympathiebekundung durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel.

 

Rückblick

Bisher sind die Freitagsdemonstrationen im Rahmen der Bewegung Fridays for Future überschaubar gewesen. Am vergangenen Freitag beispielsweise sind Kinder und Jugendliche in Göppingen, Heilbronn, Stuttgart, Überlingen und Villingen-Schwenningen auf die Straße gegangen – nach Polizeiangaben insgesamt rund 700 Menschen. Die Woche zuvor versammelten sich rund 650 Teilnehmer in den Städten Friedrichshafen, Stuttgart und Reutlingen. Am 22. Februar sind knapp 2000 Schüler in Balingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Mannheim, Konstanz, Stuttgart und Überlingen gezählt worden. Eine Spitzenzahl, die jetzt deutlich übertroffen werden dürfte.

Ausblick

Wie die Organisatoren der Bewegung auf ihrer Homepage ankündigen (www.fridaysforfuture.de), werden an diesem Freitag Menschen in mehr als 100 Ländern auf die Straße gehen, innerhalb Deutschlands in mehr als 150 Orten. Innerhalb Baden-Württembergs handelt es sich um Achern, Balingen, Biberach, Calw, Freiburg, Freudenstadt, Geislingen, Göppingen, Heidelberg, Heidenheim, Heilbronn, Karlsruhe, Kehl, Konstanz, Lahr, Leutkirch, Ludwigsburg, Mannheim, Mühlhausen, Offenburg, Pforzheim, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Stuttgart, Tübingen, Tuttlingen, Ulm, Villingen-Schwenningen und Wangen.

Sicherheit

Nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums gab es bei den bisherigen Demonstrationen keinerlei Zwischenfälle. Am 8. März beispielsweise sind in fünf Städten rund 40 Beamte zur Sicherung der Demos eingesetzt worden. Zum Vergleich: Am selben Wochenende wachten 870 Polizisten in und um die baden-württembergischen Fußballstadien.

Schulleitungen

Nach dem Schulgesetz entscheidet jede Schulleitung autark, wie mit streikenden Schülern umgegangen wird. Auch Bußgelder sind möglich. Dass es dazu bisher nicht gekommen ist, dürfte auch an einer Bitte der Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) liegen. In einem internen Rundschreiben von Ende Februar regte sie bei Rektoren an, „dass wir das Thema von der Straße ins Klassenzimmer holen“. Lehrer könnten sich Material dafür zum Beispiel auf der Internetplattform „KlimaNet Baden-Württemberg“ holen. Für die Streiks, schreibt Eisenmann, „habe ich großes Verständnis, auch beeindruckt mich das Engagement der Schüler sehr“. Ein Ministeriumssprecher ergänzt, es gebe die Anregung, dass streikende Schüler die verlorene Unterrichtszeit zum Beispiel zu Hause nacharbeiten sollen, etwa durch das Schreiben eines Aufsatzes über „Rechte und Pflichten“ in der Schule.

Elternschaft

Die Ministerin Eisenmann liege mit ihrer Empfehlung richtig, urteilt Matthias Fiola, stellvertretender Vorsitzender des Landeselternbeirats. „Das ist bei uns auch ausdiskutiert.“ Das Engagement der jungen Menschen habe die Sympathie der Elternvertreter, aber: „Schüler haben bewusst den Regelbruch vorgenommen. Und wenn wir sie ernstnehmen wollen, dann gehört dazu auch die Sanktionierung.“ Die Streiks dürften eben nicht als verkappte Freizeit verstanden werden.

Lehrerschaft

Auch Ralf Scholl, Vorsitzender des Philologenverbandes Baden-Württemberg, äußert „große Sympathie“ für die Demonstrationen, doch die Art und Weise missfällt den Gymnasiums-Pädagogen. „Ein Schulstreik ist für uns nicht akzeptabel“, sagt Scholl. „Es glaubt doch wohl niemand, wir würden die Welt retten, indem wir weniger Unterricht haben.“ Sein Vorschlag ist, die Demonstrationen freitags auf die Zeit von 13.30 oder 14 Uhr an zu verlegen. „Dann könnten sich übrigens auch Lehrer diesem Protest anschließen, die dieses Anliegen der Schülern gern unterstützen würden, aber als Beamte nicht streiken dürfen.“ Und dann, so Scholl, könne das Thema im Unterricht, wie von der Ministerin Eisenmann gewünscht, auch in einer nochmals verstärkten Tiefe behandelt werden, weil Pädagogen und Schüler auf dieselben Erfahrungen zurückgreifen könnten. Der Verbandsvorsitzende, der in der DDR aufwuchs, zieht einen Vergleich zu den Montagsdemonstrationen 1989 in Ostdeutschland. „Die fanden immer abends nach Arbeitsschluss statt. Dies sollte unseres Erachtens die Blaupause sein, um wirklich etwas zu erreichen.“ Im oberschwäbischen Biberach beispielsweise wird an diesem Freitag tatsächlich erst nach Schulschluss demonstriert.