Auf Schurkenjagd in der Ägäis: Ronald Zehrfeld als Stuttgarter Detektiv Georg Dengler Foto: ZDF

Wasser ist ein kostbares Gut. Das man damit Reibach machen kann, erfährt der Stuttgarter Privatdetektiv Georg Dengler bei seinen Ermittlungen in Athen: „Fremde Wasser“, der Politthriller nach Wolfgang Schorlau, kommt am Montag ins ZDF.

Stuttgart - Eine friedlich in der Ägäis dümpelnde Jacht. Die Kamera fliegt über das Meer auf das Boot zu und hinein in die Kajüte: Konstantin Kolidis hantiert mit Kolben und Zylindern, um den Motor wieder in Gang zu bringen. Seine Frau bereitet das Essen vor, seine Tochter sonnt sich, und sein Sohn will mit ihm noch kurz ins Wasser springen. Doch dann stört das Handy den Urlaubsfrieden: „Du musst nach Deutschland kommen und hier deine Aussage machen, erst dann gehen sie den Korruptionsvorwürfen nach“, nuschelt es aus dem Hörer. „Das geht nicht“, antwortet der durch den Anruf jäh aus der Ferienlaune gerissene EU-Kommissar, legt auf und gibt widerwillig dem Drängen seines Sohns nach. Gemeinsam hüpfen sie in die See – und weil der Sohn den Badespaß via wasserfestem Handy live postet, sieht man die Explosion der Jacht jetzt aus der originellen Unterwasserperspektive: der Widerschein lodernden Feuers, flackernd festgehalten von der trudelnden Kamera – und eine Familie ist ausgelöscht.

Mit dieser buchstäblichen Sprengung der Idylle beginnt der spannende Politthriller „Fremde Wasser“, der mittlerweile vierte Fernsehfall des Privatdetektivs Georg Dengler. Und was der taffe Bursche nach dem mysteriösen Tod von Kolidis zu ermitteln hat, deutet nun der eingeschobene Vorspann an. Bruchstückhaft legen sich wertvolle Informationen über die kunstvoll verwirbelte Ouvertüre: „Die Privatisierung der Wasserversorgung in Griechenland, die von der Troika gefordert wird, öffnet der Korruption Tür und Tor“, sagt eine Nachrichtensprecherin – und diese Machenschaften wiederum öffnen schon bald auch Dengler die Augen für den Ausverkauf eines Landes, das von der Finanzkrise derart in die Knie gezwungen wurde, dass es sich kaum noch zu wehren weiß. Dass einige Menschen in Brüssel und Berlin dabei Reibach machen, ist das andere Thema der „Fremden Wasser“, die auf dem Roman des Stuttgarter Bestsellerautors Wolfgang Schorlau basieren und den Zuschauer von Anfang in ihren Sog ziehen – ein Sog, ein Strudel, explosiv in jeder Hinsicht: Die bombigen Intrigen des ZDF-Montagskrimis sind fiktiv, doch die Basis, auf der sie stattfinden, real. Die Fakten zur Wasserprivatisierung stimmen.

Präzise Dialoge, handfeste Action

Aufklärung unter Hochspannung: das haben auch schon die drei Vorgängerfilme der Dengler-Reihe geliefert, die allesamt vom preisgekrönten Lars Kraume stammten. Für „Fremde Wasser“ hat er den Regiestab an Rick Ostermann weitergereicht, der die bewährte Ästhetik kongenial fortsetzt. Präzise Dialoge, scharf gezeichnete Milieus, handfeste Action, perfektes Timing – und auch das Stammpersonal ist wie ehedem: der sanfte Riese Ronald Zehrfeld als ermittelnder Dengler, die rotzige Proletin Birgit Minichmayr als Hackerin Olga sowie der beherrschte Beamte Rainer Bock als Dr. Müller, Chef des BKA. Selbst die Nebenrollen sind wieder erstklassig besetzt und mit starken Szenen versorgt, weshalb jetzt auch Kraume wieder ins Spiel kommen muss. Er führt hier zwar nicht Regie, hat aber – wie in den vorigen Fällen auch – das auf strikte Erzählökonomie setzende Drehbuch verfasst.

Der Ökonomie ist es auch geschuldet, dass Kraumes tolles Drehbuch trotz allem in markanten Punkten von der Romanvorlage abweicht. Um nur den offensichtlichsten zu nennen: der „Wasserkrieg“ findet nicht mehr im bolivianischen Cochabamba statt, sondern budgetschonend in Athen. Das mag Fans der Dengler-Bücher enttäuschen, nicht aber den Dengler-Erfinder selbst. „Die Story ist anders, aber nicht schlechter“, sagt Schorlau, „im Gegenteil: der Stoff rückt uns näher, wenn er die Wasserprivatisierung in Griechenland untersucht.“ Die Plot-Änderung findet der Autor mithin genauso nachvollziehbar wie die Meta-Ebene, die Kraume ebenfalls in die Handlung eingezogen hat. Denn was da zur Sprache gebracht wird, ist das Wesen und Unwesen von Verschwörungstheorien – noch so ein Thema der Stunde, in dem sich Dengler und sein Schöpfer auskennen.

Shitstorm überm Bohnenviertel

Seit Schorlau den im Bohnenviertel lebenden Privatdetektiv hinter die Kulissen der Macht blicken lässt, gilt nämlich auch er als Verschwörungstheoretiker. Wie ein Schatten begleitet ihn dieser Vorwurf vom ersten bis zum vorerst letzten Dengler-Roman, dem „Großen Plan“ über die Rettungsmilliarden für Griechenland. Offiziellen Darstellungen misstraut dieser Krimiautor notorisch, weshalb er mit journalistischem Eifer so lange nachforscht, bis er mit einiger Plausibilität andere, verschwiegene, unterdrückte Wahrheiten zu entdecken glaubt. Dass nichts ist, wie es scheint, durchwirkte als Schreibimpuls also auch die „Schützende Hand“ über die NSU-Verbrechen, die im November von Kraume fürs ZDF adaptiert wurde. Die brisante These darin: Mundlos und Böhnhardt haben keinen Selbstmord begangen, sondern sind ermordet worden – von Staats wegen, um die Verstrickung der Geheimdienste in den rechten Terror zu vertuschen.

Was nach der Ausstrahlung des Films passierte, hat seine Macher erschüttert. „Über Lars und mich ging ein Shitstorm nieder, wie wir ihn noch nie zuvor erlebt hatten“, sagt Schorlau, „uns wurde vorgeworfen, Täter zu Opfern zu machen“ – und weil das sinngemäß nicht nur in der schlagzeilenheischenden „Bild“ zu lesen war, sondern auch in der seriösen „Süddeutschen Zeitung“, seien beide „sehr angefasst“ gewesen. Während Schorlau damals mit einer Replik auf die Angriffe reagiert hat, legt Kraume nun in den „Fremden Wassern“ nach – mit Drehbuchsätzen, in denen er die wieder zu erwartenden Vorwürfe offensiv vorwegnimmt. „Ich habe die Schnauze voll von ihren Verschwörungstheorien“, schleudert BKA-Chef Müller dem „paranoiden Freak“ Dengler entgegen, „immer stecken alle unter einer Decke. Was geht in Ihnen vor?“

Als Antwort legt ihm Dengler nur seine Ermittlungsergebnisse vor. Sie sind in den „Fremden Wassern“ so schlüssig recherchiert, dass am Ende selbst der skeptische Müller ins Grübeln kommt – wobei das vorangegangene Rechercheabenteuer, das zu diesen Ergebnissen führt, von Rick Ostermann so kurzweilig und intelligent verfilmt worden ist, dass der Stuttgarter Detektiv auch beim Publikum seinen guten Ruf festigt. Er ist eine der besten Marken des ZDF.