Leon Tabler (links) tritt gegen den späteren Vereinsmeister Florian Stähle an Foto: factum/Simon Granville

Seit fast 50 Jahren rangiert der Tipp-Kick-Club Hirschlanden 1971 unter den Top-Vereinen in Deutschland. Auch heute fasziniert der Ballsport mit Feldspieler und Torwart im Format 1:100 einige junge Spieler.

Ditzingen - Florian Stähle kickt in der Bundesliga. Sein größter Erfolg: der Titel als süddeutscher Meister im vergangenen Jahr. Sein Verein: der Tipp Kick Club Hirschlanden 1971, kurz TKC71.

Der 19-Jährige brilliert beim Fußball im Maßstab 1:100, gespielt von zwei Spielern mit zwei Figuren auf einem mit grünem Filz belegten Tisch. „Ein kleiner Tipp auf den Knopf am Kopf der Spielfigur – schon kickt der rechte Fuß“ “, erklärt Vereinsvorstand und Gründungsmitglied Andreas Sigle, 63, den Sport, den er seit fast 50 Jahren noch immer begeistert betreibt, „Tipp. Kick. Ganz einfach.“

Wer wie Florian Stähle den Sport mit Ambitionen betreibt, weiß freilich: Ganz so einfach ist es nicht. Bei den Vereinsmeisterschaften an diesem Samstag in der Karl-Koch-Halle von Ditzingen-Hirschlanden tritt der Student mit 17 anderen Aktiven des TKC71 an. Ein Spiel dauert zehn Minuten, geteilt in zwei Halbzeiten à fünf Minuten. Der Elfjährige Leon Tabler ist auch dabei. Auf seinem schwarzen T-Shirt ist ein Tipp-Kick-Spieler in gelber Leuchtfarbe abgebildet „Fingerfertigkeit, Konzentration, Strategie“, steht daneben.

Mentale Stärke ist wich

Leon ist Schiedsrichter, als zwei erwachsene Vereinsmitglieder ihre Partie gegeneinander ausspielen. Es herrscht konzentrierte Stille. Die beiden Männer führen ihre Torwart-Figur und einen Feldspieler. Sie bewegen sich immer wieder schnell um den Tisch herum. Je nachdem, ob der zwölfeckige Ball auf die weiße oder schwarze Seite fällt, ist ein anderer Spieler an der Reihe. „Ecke“, sagt Leon ab und zu. Von den Spielern ist nur selten etwas zu hören: „Oje, oje“, zum Beispiel, oder: „Unterm Torwart durch – das darf net passiere.“ Stähle, über seinen Vater zum Tipp-Kick gekommen, sagt: „Mentale Stärke ist enorm wichtig. Ruhig bleiben, wenn man zurückliegt.“

Vereinsvorstand Sigle achtet derweil vom Rand aus darauf, dass die Turnierregeln eingehalten werden. Seine abgewetzten Figuren liegen in einem Kästchen aus hellem Holz. „Auf die Optik kommt es bei uns nicht an“, sagt er. Anders als die im Handel erhältlichen, eher naturalistisch geformten Spieler, haben die Figuren im Tipp-Kick-Turniersport ein zum schnellen und gezielten Schießen optimal geformtes, eckig abgewinkeltes Bein aus Stahl. Es läuft auf einer Stange, die regelmäßig gereinigt und mit Graphit gängig gehalten wird. Gerne legen die Spieler beim „Frisieren“ auch selbst Hand an: „Es gibt in jedem Verein einen, der eine Werkstatt hat und feilen kann“, schmunzelt Sigle. Mindestens 80 Euro muss der Interessierte für eine Profi-Spielfigur berappen.

Auch wenn beim Turnier nur Jungen und Männer dabei sind: „Wir hatten auch schon eine deutsche Meisterin im Verein“, sagt Andreas Sigle, „da mussten wir uns warm anziehen.“ Der Vorsitzende ist insgesamt zufrieden mit der Entwicklung des Vereins, der nächstes Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert und über die Jahre konstant seine rund 60 Mitglieder halten konnte – wenn es auch tendenziell mehr Ältere werden. Fast durchgängig spielte der TKC71, einer von insgesamt rund 50 Vereinen in Deutschland, in der Tipp-Kick-Bundesliga. Dreimal waren die Hirschlander schon deutscher Meister, gleich viermal Pokalsieger, also so etwas wie der FC Bayern im Kleinformat.

Auswärtsspiel in München

Stolz zeigt Sigle den Stern, der auf dem Vereins-T-Shirt eingestickt ist: „Den bekommt nicht jeder.“ Überhaupt: „Die meisten hier sind Fußball-Fans“, weiß Vorstand Sigle, „Tipp-Kick ist ein Trabant des Fußballs.“ Als Fan von Borussia Dortmund unter vielen VfB-Anhängern ist er dieses Jahr ganz zufrieden.

Neben den Vereinsmeisterschaften, dem Training und dem regulären Bundesliga-Spielbetrieb für die Einzelnen oder die vier Mannschaften gehörte lange Jahre auch der TKC71-Stand auf dem Hirschlander Dorffest zu den alljährlichen Highlights. Leon etwa hat dort zum ersten Mal Tipp-Kick gespielt – und gleich Feuer gefangen. Seine Mutter findet das Hobby ihres Sohnes gut. Einmal alle vierzehn Tage hat er Training mit der Jugendmannschaft in Hirschlanden, vier Mal im Jahr gibt es Liga-Spieltage der Regionalliga, in der Leon spielt. Da geht es dann auch mal nach München oder Kaiserslautern. „Das ist schon zu machen“, sagt sie.

Ihr ist es wichtig, dass bei Leon das Gleichgewicht stimmt: „Im Fußballverein kann er sich austoben, beim Tipp-Kick lernt er Geschicklichkeit – und Computerspiele wie Fifa gehören dazu“, findet sie und blickt auf, als die Tür knallt. „Das war Leon“, lächelt sie schulterzuckend, „er hat die Partie verloren.“ Am Ende des Tages hat der frisch gebackene TKC71-Jugendmeister dann aber doch zu seiner alten Form zurückgefunden: Mit dem Pokal im Arm lacht er fürs Gruppenfoto. Genauso wie Florian Stähle: Er ist der frisch gebackene Vereinsmeister – zum zweiten Mal.