Man hatte den Freispruch erwartet: Das Landgericht Hannover sieht keinerlei Belege dafür, dass Christian Wulff korrupt war. Nun stellt sich die Frage, ob die Anklage in Berufung geht.

Man hatte den Freispruch erwartet: Das Landgericht Hannover sieht keinerlei Belege dafür, dass Christian Wulff korrupt war.  Nun stellt sich die Frage, ob die Anklage in Berufung geht.

Hannover - Das Landgericht Hannover hat den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Zwei Jahre nach seinem Rücktritt als Staatsoberhaupt entschieden die Richter, für den Vorwurf der Vorteilsannahme im Amt gebe es keinerlei Belege: „Es gibt schlicht keine schlagkräftigen Beweise gegen die Angeklagten“, betonte Richter Frank Rosenow. Wulff hat nun Anspruch auf finanzielle Entschädigung für die Durchsuchung seines Wohnhauses.

Das ehemalige Staatsoberhaupt reagierte erleichtert. „Das Recht hat sich durchgesetzt. Nun kann ich mich wieder der Zukunft zuwenden“, sagte der 54-Jährige nach der Urteilsbegründung. Sein Anwalt Michael Nagel erklärte, die Entscheidung des Gerichts sei eine Ehrenerklärung für den Bundespräsidenten a.D..

Wulff stand zusammen mit Filmfinancier David Groenewold vor Gericht. Dieser hatte 2008 für Wulff - damals noch niedersächsischer Ministerpräsident - rund 720 Euro Hotel- und Bewirtungskosten während eines Oktoberfestbesuchs übernommen. Zweieinhalb Monate später warb der Ministerpräsident bei Siemens um Unterstützung für einen Film, den Groenewold produzierte. Dieser musste sich deshalb wegen Vorteilsgewährung verantworten. Er wurde ebenfalls freigesprochen.

"Wertvolle Ratgeber"

Richter Rosenow sagte in der Urteilsbegründung zum Verhältnis von Wulff und Groenewold, aus einer geschäftlichen Beziehung habe sich ein enges freundschaftliches Verhältnis entwickelt. „In Krisensituationen waren die beiden Angeklagten einander wertvolle Ratgeber.“ Groenewold habe Wulff vor allem bei der Trennung von seiner ersten Frau zur Seite gestanden. Bei Restaurantbesuchen habe mal der eine und mal der andere von beiden die Rechnung übernommen.

Das Gericht habe nicht feststellen können, dass Wulff Vorteile angenommen und es eine Unrechtsvereinbarung zwischen ihm und Groenewold gegeben habe. Auch habe sich kein Beleg dafür finden lassen, dass Wulff bemerkt habe, dass Groenewold 400 Euro von seiner Hotelrechnung übernahm. Außerdem habe Wulff glaubhaft versichert, dass er dem Filmfinancier 110 Euro Kosten für einen Babysitter erstattet habe.

"Ist es wirklich glaubhaft, dass sich der Ministerpräsident für Peanuts kaufen ließ?"

„Ist es wirklich glaubhaft, dass sich der Ministerpräsident für Peanuts kaufen ließ?“, sagte Rosenow. „Ist es dann wirklich glaubhaft, dass er sich in derart dilettantischer Weise korrumpieren lässt?“ Warum hätte sich Wulff Kosten bezahlen lassen sollen, die er ohnehin erstattet bekommen hätte? „Bei einem Ministerpräsidenten gibt es kaum etwas mit Bezügen zur Wirtschaft, was nicht auch zur Dienstausübung gehört.“

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sind die Korruptionsvorwürfe gegen Wulff aber noch nicht eindeutig widerlegt. Das hatte Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer in seinem Schlussplädoyer vor einer Woche noch einmal deutlich gemacht. Er hatte verlangt, die Beweisaufnahme fortzuführen, nachdem das Gericht mehrere seiner Anträge abgelehnt hatte.

Die Staatsanwaltschaft will nun in der kommenden Woche entscheiden, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt. Das sagte der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig der dpa in Hannover. Eine Revision müsste spätestens eine Woche nach dem Urteil eingelegt werden. „Wir werden diese Zeit nutzen, um das Urteil zu prüfen“, sagte Lüttig. Er kritisierte die Argumentation des Gerichts, dass sich ein Ministerpräsident wohl nicht für 720 Euro kaufen lasse. „Wenn für das Gericht diese Frage im Vordergrund stand, hätte es das Verfahren gar nicht eröffnen dürfen.“

Mit Wulff stand erstmals in der deutschen Geschichte ein ehemaliger Bundespräsident in einem Strafprozess vor Gericht. Die ersten Berichte über angebliche Vergünstigungen für den früheren CDU-Politiker waren im Dezember 2011 aufgekommen. Als die Liste der Vorwürfe immer länger wurde, beantragte die Staatsanwaltschaft Hannover im Februar 2012 die Aufhebung der Immunität Wulffs als Bundespräsident. Das führte einen Tag später zu seinem Rücktritt.

Im Zuge der Untersuchungen der Justiz stellte sich heraus, dass fast alle Vorwürfe strafrechtlich bedeutungslos waren. Ermittelt wurde unter anderem wegen Auslandsurlauben Wulffs in Wohnungen und Häusern von ihm bekannten Unternehmern, wegen eines günstigen Kredits für sein inzwischen verkauftes Haus in Großburgwedel und wegen kostenloser Flug-Upgrades.