Kinder freuen sich an Schweinen. Schweine freuen sich am Futter. Foto: Reizner/Freilichtmuseum

Schweine sind schnell, schlau und gesellig. Wer das nicht glaubt, sollte einen Ausflug ins Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck unternehmen. Denn dort kann man eine Herde Landschweine bestaunen, die mit ihrer Hirtin durchs Dorf zieht.

Stuttgart - Angelika Hepfer kennt sich aus: Seit 16 Jahren trainiert sie im Frühjahr zehn Ferkel, bis sie ihr aufs Wort gehorchen. Einen Anton hat sie fast immer in ihrer kleinen Herde, passend dazu ein Pünktchen und acht weitere, denen sie Namen gegeben hat. „Es ist sympathischer, einen Namen zu rufen, als beispielsweise nur: Jetzt komm du Schwein!“, sagt sie. – Zumal sich sonst auch Besucher des Freiluftmuseums in Neuhausen ob Eck angesprochen fühlen könnten.

Schweinehirtin wurde Frau Hepfer eher zufällig. Das Freilichtmuseum im Landkreis Tuttlingen bildet ein ganzes Dorf samt Kirche, Schulhaus und Bauernhöfen und stellt das Leben Ende des 18. Jahrhunderts nach. Bis dahin ging der Schweinehirt sommers mit den Tieren auf die Weide. Eine Studie der Deutschen Umweltstiftung gab den Ausschlag, die Walter Knittel, den damaligen Museumsdirektor, auf die Idee brachte. Er wollte die traditionelle Schweinehut ins Museum bringen, ein Student sollte sich um das Projekt kümmern. „Der Stall war da, die Weide war da und die Schweine waren da. Nur der Student fehlte“, berichtet Frau Hepfer aus der Anfangszeit im Jahr 2000. Sie ist beim Museum als Hauswirtschaftsleiterin angestellt, kümmert sich um die Sauberkeit und die Backaktionen, um Schulprojekte und Festvorbereitungen. Ihr größtes Problem war damals, den kapriziösen Holzbackofen in den Griff zu bekommen.

Und dann waren da eben die jungen Schweine. Sie sei einfach neugierig gewesen, habe sich öfters zu den Tieren in den Stall gesetzt. Damit diese sie riechen können und Vertrauen entwickeln. Dann half ihr der Zufall: Es war kurz vor Ostern, sehr sonnig und warm. Die Schweine waren draußen und haben sich sofort einen Sonnenbrand geholt. Der Tierarzt empfahl ihr, die Schweine mit Sonnenmilch einzucremen. So hat sie beherzt zugegriffen – und dann die Chance genutzt, die Schweine weiter zu betreuen.

Im Dorfbrunnen trinken sie

Immer im Frühjahr sei es nun das gleiche Spiel mit neuer Besetzung: „Die Herausforderung ist immer, die Sauen von A nach B zu bekommen.“ Sie läuft vorne heraus und wirft schon einmal Futter an die Stellen, wo die Schweine hinsollen. Beharrlichkeit mache die Sauen gefügig, das Futter lockt. Nach einem ersten kompletten Probelauf Mitte Mai – an einem Montag ohne Publikumsverkehr – läuft der Ausflug dann rund. Üblicherweise. Punkt zwei Uhr werden die Stalltore geöffnet, vom Vorplatz geht es zunächst zur Waldweide. Es sei eine Lust für die Schweine, im weichen Waldboden zu graben und kleine Tiere oder schmackhafte Wurzeln zu finden. Am Dorfbrunnen können sie trinken und sich anschließend in der „Saukuhle“ wälzen.

Die Hirtin räumt mit allerlei Vorurteilen auf: „Du dumme Sau“ heißt es vollkommen zu Unrecht. Ein Schwein lernt schneller als ein Hund, weiß Frau Hepfer, und das sei durch Studien belegt. Ein Schwein könne auch besser in den Boden riechen und wühlen wie ein Hund. Doch leider sei es gefräßig, so dass man vom Trüffelschwein abkam und die kostbaren Pilze nun lieber mit Hunden sucht.

Auch der Begriff der „Drecksau“ sei falsch. Eine Sau lege sich in die Suhle, wie ein Elefant etwa, erklärt Frau Hepfer. Der Schlamm diene als Sonnenschutz, helfe gegen Mücken und wenn er trocknet, sei er ein natürliches Peeling, mit dem die Tiere auch Parasiten loswerden. Die Sauen haben zudem immer eine Stelle im Stall, wo sie kacken und eine andere, wo sie liegen. Eine saubere Sache also.

Sauen sind nicht faul

Faul seien die Sauen ebenfalls nicht, „sie können unglaublich schnell rennen.“ Wer einmal versucht habe, eine Sau einzufangen, weiß, wovon ich spreche, meint Frau Hepfer. – „Der rennt wie eine gesengte Sau“, ist dann wohl endlich mal ein richtiges Sprichwort. ¬– Nach dem Rundgang im Museumsdorf, bei dem die Borstentiere gerne mitgehen, legen sie sich allerdings am liebsten gemütlich nieder, um auszuruhen.

Auch der Begriff: „Der schwitzt wie ein Schwein“ sei vollkommen verkehrt, denn Schweine haben keine Schweißdrüsen. Deshalb mögen sie im Sommer auch den schattigen Wald und matschige Kuhlen, um sich abzukühlen.

Angelika Hepfer weiß stattdessen von wundersamen Eigenschaften ihrer Schützlinge zu berichten: „Ein Schwein ist ein wahnsinniger Angeber“, sagt sie. „Es würde ein Rad machen wie ein Pfau, wenn es könnte“. Das merke sie immer bei den Fototerminen. Außerdem seien sie lustig – und listig: „Spätestens im Herbst sehe ich, was sie vorhaben“. Dann kennt sie ihre Pappenheimer schon ganz genau.

Kontakt mit freien Wildschweinen ist nicht erwünscht

Lang währt die Freundschaft allerdings nicht mehr, denn am 1. Oktoberwochenende werden die Lose für die Käufer gezogen. Die Schwäbisch-Hällischen Landschweine sind begehrt, wer eines kaufen möchte, muss sich bewerben. Das Schweineleben endet zuvor beim Dorfmetzger, der obligatorisch ist, um den Tieren Stress zu ersparen. Transportiert wird kein lebendes Schwein mehr.

Im Museumsdorf sind weibliche und männliche Tiere, letztere aber kastriert. Eber kann man hier nicht gut brauchen, denn Nachwuchs ist nicht erwünscht. Auch kein Kontakt zu frei lebenden Wildschweinen, die wiederum Schweinepest übertragen könnten. Ein doppelter Zaum umschließt das Museumsdorf, nachts schlafen die Tiere im Stall, denn die Sicherheit geht vor. Deshalb sei es auch gar nicht so einfach, Schweine als Haustiere zu halten, meint Frau Hepfer, ein großer Garten und guter Wille würde nicht reichen.

Ein doppelter Zaun ist auch bei den Waldkoppeln im Hofgut Silva in Oberkirch obligatorisch. Judith Wohlfarth züchtet zusammen mit ihrer Mutter Ursel Weideschweine und hatte im letzten Oktober einen unvergesslichen Auftritt bei „Lecker aufs Land“, einer Fernsehserie rund um kochende Landfrauen. Ihre Rassen heißen Berkshire und Tamworth, leichtere Tiere, die gut geeignet sind für die Steillagen im hinteren Hesselbach. Sie sind schwarz (die Berkshire) oder rotbraun (die Tamworth), leben im Sommer auf den Streuobstwiesen und im Winter im Wald, wo dick eingestreute Schutzhütten zur Verfügung stehen.

Nach einem Vierteljahr werden sie zutraulich

Auch Judith Wohlfahrt berichtet, dass ihre Tiere sehr sauber seien: „Sie haben ihre Fressplätze, ihre Suhl- und ihre Schlafplätze – und ihre Toiletten. Zutraulich werden sie nach drei bis vier Monaten, wenn der natürliche Abnabelungsprozess von der Muttersau abgeschlossen ist. Dann lassen sie sich auch anfassen – von Bekannten. Kommen Fremde, laufen sie erst einmal weg, um sich dann wieder umzudrehen und zu sehen, wer das denn sei. Sie sind scheu, aber auch neugierig. Und es sind Herdentiere. Beispielsweise rotten sich die alten Sauen um ein Jungtier zusammen, wenn das in Gefahr zu sein scheint,“ sagt Judith Wohlfahrt. „Das Schwein ist mit das gelehrigste und intelligenteste Tier“, meint die Schweinezüchterin aus Oberkirch. Eine schlaue Sau also, mit ausgeprägtem Sozialverhalten. Wie sagte in Neuhausen noch Frau Hepfer: „Sie passen aufeinander auf“.

Info

Adressen:

Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck

Museumsweg 1, 78579 Neuhausen ob Eck, Landkreis Tuttlingen, Museumskasse: Tel. 07467 1391, www.freilichtmuseum-neuhausen.de

Öffnungszeiten Di-So 9-18 Uhr, Eintrittspreise: Erwachsene 6,50 Euro, Kinder, Jugendliche (bis einschl. 16 Jahren) freier Eintritt.

Schweinehut: Rundgänge ab Mitte Mai, Start jeweils um 14 Uhr,

Hofgut Silva in Oberkirch: Ursel und Judith Wohlfahrt züchten Weideschweine, www.hofgut-silva.de