Kanada und Europa wollen enger zusammenarbeiten und Handelsbarrieren abbauen. Foto: Fotolia

Die Handelsminister der EU-Mitgliedstaaten bahnen dem Abkommen mit Kanada einen Weg. Die Proteste gegen mit Kanada (Ceta) sind überschaubar.

Bratislava - Die Proteste gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) sind überschaubar. Als die Handelsminister der EU zu diesem Thema in der Slowakei zusammen kommen, haben sich nur etwa 50 Gegner vor der Philharmonie in der Hauptstadt Bratislava eingefunden. Und das obwohl die Spätsommersonne herrlich scheint und Österreich so nah ist. Drüben in Österreich auf der anderen Seite der Donau ist der Wiederstand gegen Freihandelsabkommen EU-weit am höchsten ist. Die meisten Demonstranten in Bratislava sprechen Deutsch mit österreichischem Akzent. Offensichtlich treibt die Sorge vor einem Freihandelsabkommen mit Kanada die Slowaken nicht in großer Zahl auf die Straße.

Gabriel ist sichtlich zufrieden

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist sichtlich zufrieden, als er um kurz vor elf die Runde der Minister vorzeitig verlässt und sich zurück auf den Weg nach Berlin macht. Immer deutlicher zeichnet sich grünes Licht für das Abkommen ab, zu dem der SPD-Chef gerade parteiintern eine Kraftprobe bestanden hat. „Es gibt eine große Bereitschaft, das Abkommen im Oktober zu unterzeichnen“, berichtet er aus den Gesprächen. Klar, die massive innerparteiliche Kritik verlangt, dass er nun betont, welche großen Anstrengungen noch nötig seien, bis alles in trockenen Tüchern ist. Es müsse kräftig nachgebessert werden. Klarstellungen, seien fällig, alles müsse „rechtsverbindlich“ aufgeschrieben werden. Das bereits im Jahr 2015 so gut wie fertig verhandelte Abkommen soll aber nicht noch einmal aufgeschnürt werden. Das wäre schon aus Zeitgründen nicht möglich. Schließlich soll es bereits im Oktober unterzeichnet werden. Vielmehr wollen sich Kanada und die EU-Kommission auf Formulierungen verständigen. Sie sollen klar stellen, dass niemand daran denkt, etwa die Wasserbetriebe zu privatisieren. Auch soll bekräftigt werden, dass beide Verhandlungspartner nicht an den hohen Standards von Arbeitnehmerrechten rütteln oder beim Umweltschutz Abstriche planen. Diese Erklärungen sollen bis Mitte Oktober vorliegen.

Ratifizierung kann mehrere Jahre dauern

Offizielle Beschlüsse gibt es bei einem informellen Rat, wie er jetzt in Bratislava tagte, nicht. Dafür zeichnet sich der Ceta-Fahrplan ab: Am 18. Oktober wollen sich die EU-Handelsminister noch einmal treffen und offiziell ihre Zustimmung geben. Am 27. Oktober soll das Abkommen unterschrieben werden. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau will dafür nach Brüssel kommen. Dann ist das Europaparlament am Zug. Wenn alles glatt geht, könnte es im Januar oder Februar zustimmen. Dafür macht sich Bernd Lange (SPD) stark. Der einflussreiche Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament sagt am Rande des Ministertreffens: „Am Horizont zeichnet sich ab, dass wir ein gutes Abkommen bekommen.“

Nach der Zustimmung des Europaparlamentes soll Ceta vorläufig in Kraft treten. Vorläufig heißt: Bis sämtliche Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert haben. Das kann mehrere Jahre dauern, weil die nationalen, ja teils auch regionale Parlamente zustimmen müssen. Einigkeit besteht zwischen Kanada, der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten auch, dass in der Phase der vorläufigen Anwendung nur die Bereiche zum Zuge kommen, wo die Mitgliedsstaaten keine Mitspracherechte haben. Vor allem geht es da um den Investorenschutz. Die Befürchtung der Gegner ist, dass multinationale Konzerne das Ceta-Abkommen nutzen könnten, um die nationale Gesetzgebung auszuhebeln. Der Investitionsgerichtshof, auf den sich Kanada und die Kommission zur Beilegung von Streitigkeiten verständigt haben, kommt also später. Ohnehin ist dafür noch viel Vorarbeit nötig: Bislang gibt es nur private Schiedsgerichte. Auch die Kapitel, die sich mit den Finanzdienstleistungen und dem geistigen Eigentum beschäftigen, bleiben vorerst ausgeklammert.

SPD auf Kurs gebracht

Da wäre noch etwas: Zwar hat Gabriel seine Partei auf Kurs gebracht. Dafür regt sich anderswo Widerstand: Nicht gerade wahrscheinlich, aber immerhin denkbar ist, dass das Bundesverfassungsgericht noch die Notbremse zieht. Am 13. Oktober entscheidet Karlsruhe über einen Eilantrag der Gegner, die der Bundesregierung die Zustimmung im EU-Ministerrat verbieten lassen wollen. In Belgien hat zudem ein Regionalparlament schon „Nein“ zu Ceta gesagt, auch in Österreich hat sich die Partei von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in einer Befragung gegen das Abkommen positioniert. In Bratislava war man aber zuversichtlich, dass die vereinbarten Klarstellungen die „goldene Brücke“ werden, über die die Wackelkandidaten gehen werden.

So optimistisch die Handelsminister bei Ceta sind, so düster ist die Lage beim anderen Freihandelsabkommen TTIP. Der Europa-Abgeordnete Lange sagte, die Verhandlungen verliefen „enttäuschend“. Man solle die Gespräche „auf Eis legen“ und erst wieder heraus holen, wenn die USA einen neuen Präsidenten haben. Wenn Donald Trump gewählt würde, „dann ist TTIP ohnehin zu 100 Prozent tot.“ Viel Lebenskraft bescheinigt in Bratislava niemand TTIP. Gabriel macht sich für einen „Neustart“ der Verhandlungen stark. Sein französischer Kollege fordert gar den Abbruch der Verhandlungen, bleibt damit aber allein im Kreise seiner Ministerkollegen. Und Österreich verlangt, dass ein neuer Name für das Abkommen her müsse. Der österreichische Vize-Regierungschef Reinhold Mitterlehner sagte: „TTIP ist eine Metapher für die Vorherrschaft der Großkonzerne.“