Die beiden Schauspieler Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach Foto: Joris Haas

Die Schauspieler Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach haben sich zu einer Freien Theatergruppe zusammengetan. Mit Stücken wie dem aktuellen über Clara Zetkin wollen sie ihre demokratische Überzeugung vermitteln.

Wenn im Clara-Zetkin-Haus, dem Sillenbucher Waldheim, das Theaterstück „Clara und Friedrich“ angekündigt wird, dann weiß man hier, um wen es geht: Um Clara Zetkin (1857 – 1933), Reichstagsabgeordnete, Sozialistin und Frauenrechtlerin, und ihren Ehemann, den Maler Friedrich Zundel. Denn sie haben hier gewohnt, ihr Haus steht heute noch. Lenin kam zu Besuch, Rosa Luxemburg als enge Freundin sowieso, und die Familie Bosch, ja, richtig, die Industriellenfamilie, war Stammgast. Was ging sonst noch vor in diesem Haus? Der kleine Theatersaal ist voll besetzt, die Zuschauer sind gespannt. Dann treten zwei Schauspieler auf. „Und wer“, flüstert eine Zuschauerin, „spielt die Clara?“

Als ob das ein Problem wäre. In Zeiten von Gender-Crossing ist die geschlechterunabhängige Besetzung von Rollen gang und gäbe. Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach genügen minimale Mittel für die Darstellung des ehelichen Dialogs von Clara und Friedrich: Ein Hütchen mit Federputz verleiht Lukas Ullrich beim Schattenspiel hinterm Paravent die weibliche Silhouette.

Die Truppe besteht aus zwei Schauspielern und einem Regisseur

„Lass uns mal was zusammen machen“: Das ist ein Satz, der in Theaterkreisen oft fällt. Nicht immer wird etwas daraus, aber Ullrich (43) und Beyerbach (41) haben es wahr gemacht und sich 2014 zur freien Gruppe „Eure Formation“ zusammengetan. Mit dem Anspruch, gesellschaftsrelevante Themen umzusetzen und sich für Demokratie einzusetzen: „Wir wollen damit vor allem auch die Jugend ansprechen.“

Sie kennen sich aus der Schauspielschule in Ulm, machen beide Musik, der eine am Piano, der andere am Schlagzeug. Ullrich war in Dortmund, Karlsruhe, in Zürich und St. Gallen engagiert, Beyerbach gehörte lange zum Ensemble der Badischen Landesbühne in Bruchsal und spielt in Projekten wie der deutsch-russischen Produktion von „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ nach Tschechow und Gogol. Als Dritter im Bunde ist Uwe Hoppe als Regisseur und Autor dabei.

Mittlerweile gibt es fünf Stücke im Repertoire

Was zusammen machen, ist wörtlich gemeint. „Wir machen alles selbst, Text, Musik, Bühnenbild, Ausstattung, die ganze Inszenierung.“ Damit nicht genug: Sie müssen sich um Probenräume kümmern und selbst für Auftrittsmöglichkeiten sorgen. „Wir haben ein gutes Netzwerk und Kontakte zu Kirchengemeinden, Kulturämtern, Schulträgern, auch zum Theater der Altstadt und zur Stuttgarter Studiobühne, wo ich gerade den Woyzeck spiele“, versichert Ullrich. Und wie steht es mit den Finanzen, bekommen sie Fördergeld? „Ein trauriges Kapitel“, seufzt Ullrich: „Die meisten Anträge werden abgelehnt.“ Das ist der Preis der Freiheit, den sie in Kauf nehmen: „Wir sind authentisch“, betont Ullrich.

Das erste gemeinsam erarbeitete Stück „Play Luther“ hat bereits 346 Vorstellungen erlebt. Bundesweit, in vielen Spielstätten, von Kirchen bis hin zum Kuppelsaal im Württembergischen Kunstgebäude. Mit Originaltexten von Luther wie „Eine feste Burg ist unser Gott“ oder „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“, die eine „Brücke in die Jetzt-Zeit schlagen“, sagt Ullrich. Mittlerweile haben sie fünf Stücke im Repertoire, die alle die gleiche Botschaft demokratischer Werte vermitteln. „Bonhoeffer – der mit dem Lied“ – widmet sich dem Vermächtnis des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der am 9. April 1945 von den Nazis hingerichtet wurde und das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ hinterlassen hat. Damit sind sie für den Deutschen Bildungspreis nominiert.

Das Stück „Nach Europa“ wird als Unterrichtsmaterial verwendet

Zwei Flüchtlinge in einem Boot: Mit dem Stück „Nach Europa“ transportieren Ullrich und Beyerbach die Überzeugung, „dass wir für ein demokratisches Europa einstehen müssen.“ Es wird in Schleswig-Holstein als Unterrichtsmaterial verwendet. „Hilfe, die Herdmanns kommen“, thematisiert das Schicksal von Brennpunkt-Kindern.

Und nun also Clara Zetkin. „Es ist kein Stück über den Kommunismus“, stellt Lukas Ullrich klar, „es geht uns um die Kämpferin für die Gleichstellung der Frauen und Initiatorin des Internationalen Frauentages am 8. März.“ Zwei multifunktional einsetzbare Holzbänke und zwei Paravents genügen den Schauspielern, um dieses Leben, zu dem neben Friedrich Zundel die Söhne Maxim und Kostja gehören, darzustellen. „So müsste Geschichtsunterricht sein“, hat ein Schüler den Schauspielern bescheinigt.

Am Freitag, 21. April, ist das Stück ab 20 Uhr im Clara-Zetkin-Haus, Gorch-Fock-Straße 26, zu sehen. Reservierung unter 0176/24111656. Der Eintritt ist frei. Spenden sind willkommen.