Schüler Jakob Kuhnle mit seinem selbst gefertigten Schreibtisch. Foto:  

Monatelang haben sie geschreinert: Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule Engelberg in Winterbach präsentieren am Wochenende im Rahmen eines Schulfests ihre praktischen Abschlussarbeiten für die Fachhochschulreife.

WinterbachStolz öffnet Johanna Helf die beiden Schranktüren und zieht nacheinander die großen Schubladen heraus. Monatelang hat die 18-jährige Waldorfschülerin an dem Möbelstück gearbeitet, das zum sogenannten beruflichen Teil ihrer Fachhochschulreife zählt. Sie hätte auch Schneidern oder Keramik wählen können. „Aber ich finde das Arbeiten mit Holz schön, das macht einfach Spaß“, begründet sie ihre Entscheidung. -

 

In der Schreinerei der Freien Waldorfschule Engelberg in Winterbach herrscht am Freitagmittag reger Betrieb: Die sieben Schülerinnen und Schüler der 13. Klasse, die sich wie Johanna entschieden haben, ihre Abschlussarbeiten im Schreinern zu machen, transportieren ihre Werke ins Foyer des Kleinen Saals auf dem weitläufigen Schulgelände. Dort werden sie am Wochenende im Rahmen der offenen Waldorfschule präsentiert. Dann wird auch „Engelberg“, ein neu erschienenes Buch über Waldorfpädagogik, vorgestellt.

Vom Entwurf bis zum fertigen Möbelstück

„Dieses Jahr standen Schreibtische ganz hoch im Kurs“, sagt der Schreinermeister und Waldorfpädagoge Claus, der die Schüler betreut hat. „Eigentlich wollten wir versuchen, die Größe der Arbeiten zu verringern, aber das hat dieses Jahr nicht so recht funktioniert.“ Denn je größer die Möbelstücke werden, desto höher ist der Zeitaufwand – zudem ist der Platz in der schuleigenen Schreinerei begrenzt. Am Ende hat trotzdem alles gepasst – auch der Schreibtisch, den Jakob Kuhnle gebaut hat.

„Eigentlich bin ich voll zufrieden“, sagt der 19-Jährige und erklärt, wie er Tischplatte und Tischbeine so miteinander verbunden hat, dass diese zum Transport gut voneinander gelöst werden können, das Möbelstück ansonsten aber stabil steht. Im Januar hätten sie mit der eigentlichen Arbeit begonnen, dann jede Woche rund acht Stunden gearbeitet. „Manche von uns auch mehr“, sagt Jakob.

„Die Grundlagen dafür haben wir bereits in der neunten Klasse gelegt, da beginnen wir mit dem Schreinern“, erklärt der Schreinermeister Claus. In Klasse 12 ist zunächst Technisches Zeichnen dran, damit die Schüler die Entwürfe für ihre Abschlussarbeiten erstellen können. In einem Maschinenkurs lernen sie, sicher mit Schleif- und Hobelmaschine sowie der Kreissäge umzugehen, bevor sie sich schließlich an die Fertigung ihrer Werke machen. „Zusägen, schleifen, zusammenleimen“, fasst Jakob zusammen.

Am Ende wird die Zeit knapp

Was einfach klingt, ist mitunter schwierig. „Es gab schon Momente, wo es nicht so gut gelaufen ist“, erinnert sich Johanna. Kleine Pausen und der Zuspruch einer Freundin hätten ihr neue Motivation gegeben. „Die Herausforderung war, dass ich mir ein sehr großes Projekt vorgenommen habe, deshalb wurde es zeitlich eng am Ende.“ Viele Überstunden habe sie gemacht, um ihre Arbeit bis zum vereinbarten Termin fertigzustellen.

„Teilweise waren wir in den Ferien oder samstags hier“, sagt Claus. Dennoch sei es eigentlich nie ein Problem gewesen, die Jugendlichen zu motivieren. „Sie empfinden das eher als Auszeit vom Schulalltag.“ Die praktische Arbeit sei wie eine „kleine Flucht“ vor dem ansonsten eher theoretischen Schulstoff. „Es geht nicht darum, Schreiner aus den Schülern zu machen, sondern vielmehr um Selbstständigkeit. Darum, die eigene Arbeit zu organisieren und Lösungen zu finden“, betont der Lehrer. Und natürlich stärke es das Selbstbewusstsein, wenn am Ende ein Möbelstück entstanden ist. „Dadurch wird den Jugendlichen auch klar, wie viel Aufwand und fachliches Wissen dahinter steckt.“ Johanna bestätigt das: „Es ist schön, das jetzt so zu sehen“, sagt sie und betrachtet ihren Schrank. „Man weiß das jetzt ganz anders wertzuschätzen.“