Extra freie Tage für Beschäftigte der Stadt während der Periode? Wir haben im Stuttgarter Rathaus nachgehakt, was es von Menstruationsurlaub hält.
Geht es nach der Linke-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, sollen „alle menstruierenden Beschäftigte der Stadt“ künftig bei starken Regelschmerzen entlastet werden – und zwar mit einem Anspruch auf bis zu drei Tage bezahlten Menstruationsurlaub, ohne Attest. Viele andere Fraktionen haben der Forderung bereits eine Absage erteilt. Nun hat auf Anfrage unserer Zeitung auch die Stadt reagiert.
„Die Verwaltung nimmt Belastungen und gesundheitlichen Einschränkungen durch Menstruationsbeschwerden ernst“, teilt der Stadtsprecher Sven Matis mit. Gleichzeitig sei aber zu beachten: „Die Frage, ob ein Anspruch auf Freistellung besteht, betrifft alle Beschäftigtengruppen und alle Formen von physischen und psychischen Beeinträchtigungen, egal ob Menstruationsbeschwerden, akute Krankheiten oder chronische Leiden.“ Für all diese Fälle gelte bereits das Recht, sich arbeitsunfähig zu melden – „für jeden Mitarbeiter jederzeit ohne ärztliche Bescheinigung oder Attest für drei Arbeitstage“, so Matis weiter. Für eine darüber hinausgehende kommunale Sonderregelung sehe die Verwaltung keinen Bedarf.
Stuttgarter Rathaus kümmert sich um Frauengesundheit
Die Landeshauptstadt nehme allerdings „auch das Thema Frauengesundheit in den Fokus“ – und zwar „im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung, die maßgeschneiderte Beratungs- und Unterstützungsangebote für verschiedene Ziel- und Altersgruppen bereitstellt“, erklärt Matis. So biete die Stadt ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits jetzt entsprechende Seminare an. „Im nächsten Jahr ruft die Betriebliche Gesundheitsförderung mit der Reihe ‚Health to go‘ zudem ein neues Format ins Leben, das unter anderem Wissen zu Themen der Frauengesundheit vermittelt.“
Der Vorstoß für freie Tage während der Periode war kürzlich von der Linke-Fraktion gekommen. „Wir schlagen vor, das Projekt ab Januar 2026 für zwei Jahre zu starten“, sagte die Fraktionsvorsitzende Johanna Tiarks auf Anfrage unserer Zeitung. Damit könne die Stadt Stuttgart als Arbeitgeber ein Vorbild für ganz Deutschland werden.
Menstruationsurlaub: Was andere Fraktionen im Stuttgarter Rathaus sagen
In anderen Ländern gibt es derartige Regelungen bereits, in Japan etwa seit den 1970ern. Spanien hat 2023 als erstes Land der Europäischen Union gesetzlich verbrieft, dass Frauen „mens-frei“ bekommen, sofern sie ein Attest vorlegen. Seit 2024 haben darauf auch die städtischen Beschäftigten im schweizerischen Freiburg einen Anspruch, ohne Attest. Daran habe sich ihre Fraktion orientiert, erklärte Tiarks.
Von allen anderen Fraktionen im Gemeinderat kam auf Anfrage unserer Zeitung Verständnis für die Lage der Frauen. Doch ob CDU, Grüne, FDP, Freie Wähler oder AfD: Bedarf für eine Sonderregelung sieht keiner. „Wir halten diesen Vorschlag für unverantwortlich, besonders in der heutigen Zeit, in der die Stadt sparen muss“, sagte etwa die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Beate Bulle-Schmid auf Anfrage unserer Zeitung. Lediglich von der dreiköpfigen Gemeinderatsgruppe Puls gibt es Zustimmung. Die SPD teilte mit, sie habe wegen der Urlaubszeit noch nicht endgültig beraten können.
Menstruation und Schmerzen
Umfrage
Frauen leiden in Deutschland im Durchschnitt laut einer aktuellen Umfrage drei Tage im Monat unter Regelschmerzen – das entspricht bei 450 Perioden 1350 Tagen im Leben einer Frau. Sieben von zehn Frauen geben an, dass die Schmerzen sie oft körperlich und seelisch schwächen.
Tabuthema
85 Prozent der Frauen in Deutschland zwischen 14 und 50 Jahren haben nach Angaben der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) den Eindruck, dass über den weiblichen Zyklus in der Öffentlichkeit wenig oder gar nicht gesprochen wird. Es werde zudem zu wenig darüber informiert beziehungsweise berichtet, welchen Einfluss Menstruation und Hormone auf den Körper haben.