Der Wasenrummel lockt zunehmend auch internationale Besucher an – mit den großen Fachmessen kann das Volksfest aber nicht mithalten. Foto: dpa

Wenn Volksfest ist, sind die Hotels in Stuttgart und der Region ausgebucht und überteuert. Das gilt inzwischen bei vielen als Fakt. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Stuttgart - Die Mitarbeiter einer US-Firma reiben sich die Augen. Schon mehrmals sind sie beruflich in Stuttgart gewesen, haben immer in einem guten Hotel übernachtet. Doch das ist diesmal restlos ausgebucht. Genauso wie diverse andere. Letztendlich finden sie nur noch Zimmer in einem äußerst einfachen Etablissement in der Innenstadt. „Mit Etagendusche und heruntergekommener Toilette“, erzählt einer der Geschäftsreisenden. Und das für satte 300 Euro pro Nacht und Einzelzimmer.

Ja ja, die gute Wasenzeit, könnte man jetzt meinen. Doch der denkwürdige Besuch hat sich einige Tage vor Beginn des Cannstatter Volksfests abgespielt. Die US-Besucher wussten nicht, dass sie während der AMB anreisen – der internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung auf der Landesmesse am Flughafen. Zu dieser Zeit, berichten andere Betroffene, kostet ein Hotelzimmer, das sonst für einen Hunderter pro Nacht zu bekommen ist, schon einmal das Fünffache.

Die weit verbreitete Meinung, das Übernachten in und um Stuttgart sei besonders während des Volksfests unbezahlbar und nahezu aussichtslos, ist eine Mär. Wer fürs nächste Wochenende noch eine Unterkunft sucht, findet auf den gängigen Buchungsportalen zahlreiche Angebote. Trotz Wasen. Einzelzimmer finden sich da in ordentlichen Häusern mitten in der Stadt schon für teils unter 70 Euro. Zwar liegt das Preisniveau höher als sonst und einige Ausreißer nach oben gibt es auch, aber von der oft beklagten Abzocke sind viele Angebote weit entfernt.

Unter der Woche wird’s teuer

Das Bild ändert sich allerdings, wenn man in dieser Woche zwischen Montag und Donnerstag noch etwas sucht. Also zu Zeiten, in denen auf dem Volksfest deutlich weniger Besucher von auswärts unterwegs sind. Da finden sich nur noch wenige freie Zimmer. Und die zu ganz anderen Preisen. 200 Euro fürs Einzelzimmer sind da schon ein Schnäppchen. Das meiste spielt sich selbst bei einfachen Häusern über 300 Euro ab. Der Grund: die internationale Fachmesse für Produktions- und Montageautomatik Motek. Nie gehört? Gut möglich. Aber für die Hotellerie ein Sechser im Lotto.

„Während der Motek sind wir ausgebucht“, sagt Jürgen Köhler. Das liegt nicht nur daran, dass er Chef des Mövenpick-Hotels direkt an der Messe ist. Denn dieser Trend gilt in der ganzen Stadt und Region. „Während des Volksfests sind wir meist voll, aber für Messen und Tagungen gilt das erst recht“, heißt es auch im Motel One am Hauptbahnhof. Selbst ein Cannstatter Hotelier sagt: „Der Wasen ist für uns wichtig. Aber die Messen sind es noch mehr.“

„Internationale Messen oder solche von bundesweiter Bedeutung bringen viele Aussteller und Fachbesucher von auswärts in die Stadt“, sagt Köhler. Den Wasen dagegen könne er schlecht einschätzen. „Natürlich sehen wir hier auch immer mal wieder Leute in Lederhosen – aber die können vorher auch auf der Messe gewesen sein.“

Im internationalen Vergleich noch günstig

Ein Trend, den man auch beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga beobachtet. „Firmen legen inzwischen Veranstaltungen für Kunden oder Mitarbeiter gerne in die Wasenzeit“, sagt Sprecher Daniel Ohl. So wird das Rahmenprogramm gleich mitgeliefert. So bringe das Volksfest durchaus positive Effekte, zumal sich die internationale Bewerbung durch Stuttgart Marketing auszahle. „Wir sind in der Region nicht mehr so abhängig von Geschäftsreisenden wie früher“, stellt Ohl fest. Und doch blieben die großen Messen die Übernachtungsgaranten.

Auf die Preise nimmt der Verband keinen Einfluss. „Wir haben in unserer Branche ein Maximum an Preistransparenz, da kann sich jeder Kunde gut orientieren“, sagt Ohl. Mövenpick-Chef Köhler hat dazu eine klare Meinung: „Sicherlich schießen einige übers Ziel hinaus. Aber die generelle Kritik an den Hoteliers ist nicht berechtig.“ Wer einen Tag vorher einen Flug buche, bekomme auch keine Schnäppchentarife. „Im Vergleich zu den Preisen während der Modemesse in Mailand sind wir hier Waisenknaben“, sagt Köhler.