Dieter Salomon Foto: dpa

Seit 16 Jahren ist der Grünen-Politiker der Chef der Freiburger Stadtverwaltung. Am 22. April tritt er gegen fünf Kandidaten zur Wiederwahl an – doch wie stehen seine Chancen?

Freiburg -

Das ist seine liebste Bühne: Im Freiburger Konzerthaus hält Dieter Salomon seit 16 Jahren die Neujahrsrede. Souverän breitet er dann die Jahresbilanz seiner Stadtverwaltung aus. Ein Grüner im schwarzen Anzug samt Krawatte, ein Mann mit Stil und Haltung. Im Mai 2002 wurde der promovierte Politologe mit 64,4 Prozent der Stimmen zum ersten grünen Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt gewählt. Im April 2010 verteidigte er sein Mandat mit 50,5 Prozent im ersten Wahlgang. Und jetzt er will noch eine weitere Amtsperiode dranhängen.

Aber was ist das? Steif, eine Zahl an die andere reihend, den Blick auf das Manuskript geheftet, trägt der Favorit vor: Die Stadt habe ihre Schulden halbiert und trotzdem investiert, fünf Straßenbahnlinien neu- oder ausgebaut, Schulen saniert und mit dafür gesorgt, dass in 13 Jahren 30 Prozent mehr Arbeitsplätze in der 228 000 Einwohner zählenden, stetig wachsenden Stadt geschaffen wurden. Freiburg gehe es gut. Eine beeindruckende Bilanz, aber Salomon referiert, wie der Sportclub Freiburg derzeit Fußball spielt: ohne Witz, stets darauf bedacht, keinen Fehler zu machen.

„Als die Flüchtlinge kamen, war ich stolz auf die Freiburger“

Und schon passiert ein Patzer. „Vor drei Jahren, als die vielen Flüchtlinge zu uns kamen, war ich sehr stolz auf die Freiburger“, schmeichelt der Wahlkämpfer seinen Zuhörern zunächst. Aber dann: „Ich hatte gehofft, dass auch manche stolz auf ihren OB sind.“ Ein Satz zu viel, es hagelt Pfiffe. Klar, es sind die erklärten Gegner und Kritiker, die jeder Oberbürgermeister im Laufe der Jahre ansammelt. Aber es wurmt einen Erfolgreichen, wenn Herausforderer aus Stimmungen Stimmen machen wollen.

„24 Jahre Salomon wären zuviel“ – lautet die wichtigste, wenn nicht einzige Botschaft, die der 33 Jahre alte Sozialarbeiter Martin Horn dem 57-jährigen Oberbürgermeister entgegenhält. Nicht ohne Resonanz, obwohl lange Amtszeiten im Freiburger Rathaus bislang die Regel und für die Stadt nicht von Nachteil waren. Der parteilose Horn, der seinen Job als Europa-Koordinator im Sindelfinger Rathaus ruhen lässt, hat sich von der Freiburger SPD zur Kandidatur verlocken lassen. Viele Neugierige möchten den Schlaks mit der markanten Brille kennenlernen. Inhaltlich sagt der Ortsfremde kaum etwas anderes als Salomon, behauptet aber, mit jugendlichem Elan schon nach 100 Tagen im Amt „einen klaren Neuanfang“ schaffen zu können. Dazu muss er die 29,2 Prozent des SPD-Kandidaten von 2010 deutlich übertreffen.

Auch eine Frau tritt an

Etwas völlig Neues wäre eine Oberbürgermeisterin. Die Lehrerin Monika Stein (48), die seit 14 Jahren im Freiburger Gemeinderat sitzt – zuerst für die Grünen, dann für die Grüne Alternative (GAF) –, beackert das 20-Prozent-Potenzial, das der linksunabhängige Günter Rausch 2010 hinterlassen hat. Mit einem Wunschzettel, gegen den niemand etwas haben kann. Neue Wohnungen sind ihr dringendstes Anliegen, das aller anderen Kandidaten ebenfalls. „Es gibt keinen Kandidaten, der ein anderes Modell der Stadtentwicklung hat“, konstatiert der Amtsinhaber Salomon. Kein Grund zur Unruhe also? „Bei Wahlen kann immer alles Mögliche passieren“, sagt der Favorit und hält sich bedeckt.

Fünf Tage vor dem Urnengang sitzt Salomon wieder entspannt in seinem Amtszimmer. Auf dem Rathausplatz feiert das Eiscafé seinen ersten Saisonrekord. Fünf Tage heißt, noch einmal fünf Podiumsdiskussionen nach den elf vorausgegangenen. „Ich war zeitweise etwas irritiert“, gibt der Amtsinhaber zu. „Aber jetzt bin ich wieder ganz ruhig.“ Die Masche mit den 24 Jahren habe sich schon halbwegs totgelaufen, durch Faktenchecks sei „das bisschen Gemäkel“ widerlegt worden.

Die Wahlbeteiligung könnte mitentscheiden

Doch wie die Wahl ausgehen wird, entscheidet auch die Zahl der Wähler. „Eine niedrige Beteiligung wäre mein Hauptgegner“, sagt Salomon. Wenn viele denken, das Rennen sei gelaufen und der Wahlurne fern bleiben. Vielleicht hilft ihm am Ende wieder, dass die CDU erneut keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt. Schon die erste Wiederwahl gewann Salomon nicht im grün-roten Milieu der Öko-Quartiere, sondern in den CDU-Hochburgen.

Schwer zu kalkulieren sind drei weitere Kandidaten, die im Wahlkampf kaum Profil gewonnen haben. Wolfgang Kröber (28), Lehramtskandidat ohne Stelle und Mitglied der Grünen, will „weniger über konkrete Forderungen“ reden, als das grundsätzliche Nachdenken fördern. Der Ingenieur und Software-Entwickler Anton Behringer (51) verbreitet vor allem die Botschaft, es gebe es vor Ort keine objektive mediale Berichterstattung, sondern nur „tendenziöse Werbung“ für den „arrogant gewordenen“ Amtsinhaber. Und der Wohnmobilhändler Stefan Wermter (57) gibt in Zeitungsanzeigen und auf Facebook den Freigeist, der gern auch mal eine Provokation raushaut, um sie später als angebliche Satire wieder einzusammeln.

Allein die schiere Größe des Bewerberfeldes spricht für einen zweiten Wahlgang, weil in der ersten Runde auch emotionale Denkzettel und Quittungen ausgestellt werden. „Man tritt halt in 16 Jahren mehr Leuten auf die Füße als in acht“, räumt Salomon ein. Ob es ein paar zu viele waren, wird man am Sonntagabend sehen.