Das Gebäude der Kita Immergrün steht im Freiburger Stadtteil Vauban. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Die Kita Immergrün aus Freiburg hat es unfreiwillig in die Schlagzeilen gebracht: Weil sich hier die Corona-Fälle häuften, stoppte die Landesregierung ihre Pläne zur Schul- und Kita-Öffnung. Reichte das Hygienekonzept nicht aus?

Freiburg - Eigentlich hatte Dominik Krakutsch seit Beginn der Pandemie damit gerechnet: dass es in der Kita Immergrün den ersten Corona-Fall gibt. „Ich habe immer auf Holz geklopft“, sagt der Leiter am Donnerstag. Jetzt habe es die Einrichtung des Diakonischen Werkes Freiburg zum ersten Mal erwischt. „Und dann gleich richtig.“

Mehr als 20 der 140 Kinder und Mitarbeiter sind in Quarantäne. Weil bei den Untersuchungen auch Mutationen des Coronavirus festgestellt wurden, cancelte die baden-württembergische Landesregierung am Mittwoch hastig ihre Pläne zur Schul- und Kita-Öffnung - und rückte die Freiburger Kita im 20. Jahr deren Bestehens gewissermaßen unfreiwillig in den Fokus des öffentlichen Interesses.

Gesundheitsamt hatte Hygienekonzept gelobt

Krakutsch sagt, so richtig wisse man nicht, wer wen angesteckt habe. Am 17. Januar habe als erster ein Mitarbeiter von einem positiven Corona-Ergebnis berichtet. „Wir wissen aber nicht, ob er der erste Infizierte war.“ Testergebnisse würden zeitverzögert übermittelt. Nach und nach seien fünf der sechs Gruppen in Quarantäne gegangen.

Das Gesundheitsamt hatte das Hygienekonzept nach Angaben der Diakonie Baden gelobt. Demnach hätten die Maßnahmen gut funktioniert. Krakutsch zufolge trugen Mitarbeiter bei Teamsitzungen Masken, hielten Abstände ein und lüfteten regelmäßig. Nur je zwei der sechs Gruppen spielten miteinander. Auf dem großen Außengelände seien die Bereich abgetrennt gewesen: für die blaue und die rote Gruppe, für lila und gelb sowie für die türkise Gruppe und den Hort.

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In der roten und der blauen Gruppe sei der Erzieher mit dem ersten Corona-Nachweis gewesen. Hier gebe es auch die meisten Fälle, sagt Krakutsch. Gleich neun Erzieher und Erzieherinnen seien betroffen. Dass es weitere Infizierte gibt, führt er auf Kontakte außerhalb der Kita zurück. So sei bei zwei Meldungen aus dem Hort davon auszugehen, dass die Infektion außerhalb der Kita stattgefunden habe. „Und es gibt auch Freundschaften unter den Kollegen“, sagt der Kita-Leiter.

In Kitas ist die Konsequenz von Maßnahmen schwer durchzusetzen

Taugte das Hygienekonzept also doch nicht? Was sind die Anforderungen an ein solches Konzept? Im Internet finden sich zahlreiche Hinweise, was es beim Erstellen alles zu beachten gibt. So geht das Deutsche Beratungszentrum für Hygiene mit Sitz in Freiburg auf sieben Seiten stichpunktartig auf Aspekte wie Verhaltensregeln, Händehygiene und Reinigungsmaßnahmen ein. Und das durchaus kleinteilig: So solle man beispielsweise kein „Gemeinschafts-Seifenstück“ für alle nutzen.

Die Herausforderung bei der Ausarbeitung ist dann, die allgemeinen Hinweise auf die Gegebenheiten vor Ort zu übertragen: „Wie Sie Ihren Hygieneplan im Detail gestalten, ist nicht vorgeschrieben“, heißt es auf der Seite der Arbeitsschutz-Experten von Safety Xperts. Es gebe national bindende Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregeln etwa von den Arbeitsschutzausschüssen des Bundesarbeitsministeriums. Die Regeln umfassen 25 Seiten.

Der Tüv-Verband betont eine vermeintliche Banalität: „Ein Konzept zu Hygiene und Infektionsprävention ist umso wirkungsvoller, desto konsequenter die Maßnahmen befolgt werden.“ Dafür müssten alle Beteiligten einbezogen und geschult werden. Gerade in Kitas sei das besonders schwer, räumt ein Sprecher ein. Spielende und durch die Gegend laufende Kinder könne man nur schwer voneinander trennen.

Hygienekonzept kommt nach Feierabend an Grenzen

Speziell für die Kindertagesbetreuung haben etwa die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und das Bundesfamilienministerium Tipps veröffentlicht. Sie berücksichtigen, dass zum Beispiel beim Trösten Mindestabstände von 1,5 Metern nicht konsequent eingehalten werden können. Das Ministerium rät aber unter anderem, zumindest zu Eltern und Lieferanten die Distanz zu wahren.

„Hygiene ist das A und O - das war in Kitas schon lange vor Corona so“, heißt es in einer Sammlung mit Praxistipps. Hygienepläne an sich seien auch nichts Neues: Schon vor der Corona-Pandemie sollten sie die Ausbreitung ansteckender Krankheiten wie Masern verhindern.

Doch die Grenzen eines Hygienekonzepts beginnen im Grunde mit dem Feierabend: Ein Arbeitgeber könne grundsätzlich nicht bestimmen, wie Arbeitnehmer sich im Privaten verhalten, sagt Arbeitsrechtler Prof. Adam Sagan von der Universität Bayreuth. „Da sind Grundrechte betroffen. Sie dürfen sich in ihrer Freizeit frei entfalten.“

Zwar gebe es zu Corona noch wenig Rechtsprechung, aber ähnlich sei es zum Beispiel beim Thema Alkohol und Lastwagenfahrern, sagt der Jurist: „Da gilt die Marschroute: Sie dürfen im Privatbereich trinken, aber zu Dienstbeginn müssen sie wieder nüchtern sein.“

Kita-Leiter macht Mitarbeitern keine Vorwürfe

Allerdings seien auch die Arbeitnehmer in der Pflicht, ihren Chefs mitzuteilen, wenn sie sich im Privaten riskant verhalten, so Sagan. „Sie dürfen die Gefahr nicht in die Arbeitsstätte tragen.“ Wenn die Arbeitnehmer das nicht anzeigten, verstießen sie gegen die Pflichten.

Der Arbeitgeber muss dann laut Sagan im Einzelfall über Konsequenzen entscheiden. Für die Arbeitskraft könne das zum Beispiel bedeuten, dass sie für die Tage, an denen sie aufgrund solchen Verhaltens ausfällt, kein Gehalt bekommt. Ein anderer rechtlicher Aspekt sei die Frage, welche Zusammenkünfte im Privaten so ungefährlich seien, dass sie dem Arbeitgeber nicht angezeigt werden müssen.

Krakutsch will seinen Mitarbeitern keine Vorwürfe machen. Mitten in der Pandemie arbeiteten sie täglich mit den Kindern, betont er. Da könne man niemandem verbieten, sich privat zu treffen.

Die Erzieher und Erzieherinnen seien aber ebenso entspannt wie die Eltern. Vor Beginn der Quarantäne sei gut die Hälfte der Kinder zur Notbetreuung da gewesen. Seither blieben immer mehr Kinder zu Hause. Am Donnerstag sind noch sechs in der Kita Immergrün. Die Lage sei relativ ruhig, sagt Krakutsch. „Nur das Telefon klingelt dauernd.“