Schell unterwegs: Heidi Zacher Foto: Getty

Die bayerische Skicrosserin Heidi Zacher soll bei der WM in den USA unbedingt eine Medaille holen. Das letzte Bronze liegt zwölf Jahre zurück.

Stuttgart - Die Heidi muss es richten. Die letzte Medaille der Deutschen Freestyle-Skifahrer liegt zwölf Jahre zurück. 2007 war es der Skicrosser Alex Grauvogel, der WM-Bonze holte, und fortan gab es bestenfalls Finalteilnahmen und undankbare vierte Plätze – die viel schlimmer sind als ein fünfter Rang. Wer Vierter wird, hat eine Medaille verdaddelt. Ein Fünfter ist sich dagegen keiner Schuld bewusst.

Die Heidi heißt mit vollem Namen Heidi Zacher, ist eine aufgeweckte und selbstbewusste Bayerin. Die Tatsache, dass sich die Tölzerin nach ihrem Kreuzbandriss wieder in die Skicross-Weltelite zurückkämpfte, macht sie nun zur größten deutschen Hoffnung bei der Freestyle-WM in Park City im US-Bundesstaat Utah. An diesem Wochenende beginnt die im Vergleich zum klassischen Alpinsport etwas verrücktere Ski-Party in den USA. „Nach der Durststrecke und den vielen vierten Plätzen wollen wir alles daran setzen, wieder Edelmetall zu gewinnen“, sagt Freestyle-Sportchef Heli Herdt und wirkt in seiner Wortwahl etwas ungeduldig: „Wir fahren seit 2005 die achte WM und waren dreimal bei Olympia – aber seit Grauvogel hat sich keiner mehr so ein Kackding und den Hals gehängt.“

Der Kurs könnte okay sein

Gold, Silber oder Bronze – das sind die „Kack-Dinger“, die Herdt endlich mal wieder gewinnen will. Heidi Zacher, die immerhin auch schon 30 ist, lässt sich trotz der deutlichen Worten ihres Chefs nicht in die Karten schauen – wie üblich. „Wir haben den Kurs besichtigt. Vom technischen Niveau her sieht es nicht unlösbar aus“, sagt sie über ihre ersten Eindrücke in den USA. Und: „Meine Ziele für die WM sind: schnell Ski fahren und Spaß haben.“ Als wenn das Heli Herdt genug wäre…

Heidi Zacher ließ in diesem Winter wieder aufhorchen, das macht den Sportchef auch so zuversichtlich. Nach ihrem Kreuzbandriss im Januar 2018, der sie die Teilnahme an den Winterspielen in Südkorea kostete, ist die Bankerin wieder bei der Musik. Im schwedischen Idre gewann sie zuletzt ihren siebten Weltcup, aber auch der fünfte Platz in Blue Mountain macht sie zuversichtlich für die WM. Die Frontfrau ist wieder in die ihr zugedachte Rolle geschlüpft – das hofft vor allem Herdt.

Bei der vergangenen WM in der Sierra Nevada wurde Zacher Vierte – wieder nur dieser verflixte Rang! Und doch nimmt sie für diese Titelkämpfe ordentlich Druck aus dem Kessel und schiebt die Favoritenrolle gekonnt den anderen zu: der Schweizerin Fanny Smith, der kanadischen Olympiasiegerin Marielle Thompson wie auch der schwedischen Titelverteidigerin Sandra Näslund.

Wenn Träume platzen...

Und Heidi Zacher? Abwarten. Und Tee trinken. Vor allem der vergangenen Winter zeigte ihr, wie schnell die Träume platzen. „Ich hatte eine gigantische Saison, entsprechend groß waren die Hoffnungen für Olympia“, erinnert sie sich. Und entsprechend tief saß dann auch der Frust nach dem Kreuzbandriss. Doch hat sie stets an sich geglaubt, gekämpft, nie nachgelassen. Und alles auf eigene Faust gemacht. Zacher benötigt kaum Ratschläge von oben, orientiert sich an den eigenen Plänen und weiß selbst am besten, was für sie gut ist und was nicht. Herdt bezeichnet sie deshalb als „mündige Athletin“. Anders formuliert: Heidi Zacher ist innerhalb der deutschen Mannschaft ihr eigenes Team.

Was will man einer Frau auch erklären, die sich im Berufsleben um nichts anderes kümmert, als um die Einschätzung des Risikos. Wer in Bad Tölz einen Kredit benötigt, muss vor Zacher finanziell die Hosen runterlassen. Genau genommen ist sie in einem Tölzer Bankinstitut diejenige, die überprüft, wie viel der Kunde im Monat verdient und ob der die Raten auch zurückzahlen kann. Ein Risiko geht sie da nicht ein.

Es geht um Antizipation

Parallelen zum Skicross, wo vier Athleten zeitgleich ein Wettrennen bestreiten (zwei kommen weiter, zwei scheiden aus), sind erkennbar. „In der Formel 1 weiß ich, dass ich überholen kann, doch wir haben nicht die Möglichkeit, noch mal aufs Gas zu drücken“, sagt Zacher. Deshalb müsse man sich vorab überlegen, wo man passieren könne. „Wir müssen den Geschwindigkeits-Überschuss an der richtigen Stelle haben“, verrät sie – nur so funktioniert’s.

Das Zauberwort heißt Antizipation; also das Vorausahnen dessen, was kommt. Das gilt für Kreditkalkulationen und Skicross gleichermaßen. Bei optimaler Antizipation gewinnt Heidi Zacher in den USA am Ende dann so ein „Kackding“ – darum geht’s.