Frauke Petry steht als Spitzenkandidatin der AfD nicht zur Verfügung. Foto: dpa

Frauke Petry hat sich in vier Jahren an die Spitze der AfD gekämpft. Ihr Rückzieher trifft die Partei völlig unvorbereitet.

Berlin - Es ist auch eine Art, Rache zu üben. Als die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry die „Videobotschaft zum Kölner Parteitag“ am Mittwoch auf ihre Facebook-Seite stellen lässt, sind die übrigen Mitglieder des Bundesvorstands vollkommen ahnungslos. Parteivize Alexander Gauland, einer ihrer wortgewaltigsten Kontrahenten, sitzt in seinem Besprechungszimmer im Potsdamer Landtag und bereitet zusammen mit anderen AfD-Führungsleuten den bevorstehenden Parteitag in Köln vor. Von Petrys Rückzug weiß Gauland nichts. Ähnlich ergeht es dem Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen, der zugleich die AfD im Stuttgarter Landtag anführt. Er wird von Petrys Verzicht auf die Spitzenkandidatur in Hamburg überrascht.

Die Mitglieder des Bundesvorstands sind bis dahin davon ausgegangen, dass der seit Langem anhaltende Führungsstreit in Köln ausgetragen wird. Dass Petry ihre Vorstandskollegen nicht vorab ins Bild setzt, spricht Bände. Der Gesprächsfaden ist schon seit langer Zeit abgerissen.

Die Umstände des Rückzugs sprechen Bände

Schon die Umstände, unter denen Petry auf die Spitzenkandidatur verzichtet, zeigt das Maß an gegenseitigem Misstrauen. Petry vermutet bei vielen Mitgliedern im Bundesvorstand Machtgehabe als treibende Antriebskraft. Ihre Gegner, zu denen neben Gauland und Meuthen noch andere Landesvorsitzende zählen, werfen Petry vor, nur auf eigene Rechnung zu arbeiten. Selbst vor dem Parteitag haben wichtige Vorstände kaum Kontakt mit Petry. Geplant ist, dass der Bundesvorstand am Freitag vor dem Parteitag in der Domstadt zusammenkommt, um das Treffen vorzubereiten. An dieser Runde nimmt die 41-jährige Parteivorsitzende teil. Zu ihren Plänen hatte die Sächsin zuvor striktes Stillschweigen gewahrt. Es gab nur eine zarte Andeutung. Als Petry am Dienstag alle Fragen von Journalisten zum Parteitag abblockte, gab sie den Hinweis, sich in den nächsten Tagen erklären zu wollen. Worin diese Erklärung bestand, wusste niemand.

Petry selbst begründet den Schritt damit, dass sie die Sacharbeit wieder in den Vordergrund stellen wolle. Die Debatte über die Spitzenkandidatur bezeichnet sie in ihrer Videobotschaft als Phantomdiskussion. Obwohl sie sich selbst dazu nie geäußert habe, werde seit einem Jahr ständig darüber spekuliert. Gezielte Indiskretionen hätten die gehandelten Personen beschädigt. Dies habe dem Erscheinungsbild der AfD geschadet. Petry will erreichen, dass auf dem Parteitag über die strategische Ausrichtung der Partei entschieden wird. Ihr geht es darum, dass die AfD Realpolitik betreibt und bürgerliche Wähler an sich bindet. Die Fundamentalpolitik, die sie ihren Gegnern vorwirft, verschrecke dagegen breite Wählerschichten.

Nach Petrys Diktion habe das Wählerpotenzial der AfD bis 2015 noch bei 30 Prozent gelegen. Seit Herbst 2015 sei es auf 14 Prozent gesunken. Verantwortlich ist aus Petrys Sicht, dass eine Minderheit in der Partei mit radikalen Positionen die Außendarstellung der AfD prägt. Ihre Gegner halten diesen Vorwurf für an den Haaren herbeigezogen. Petry mache einen Gegensatz auf, der nicht existiere, sagen sie.

Petry will den Wählern mehr Klarheit bieten

Wie der Wettstreit ausgeht, ist offen. Petry kündigte an, auf dem Parteitag ihren umstrittenen Antrag zur strategischen Ausrichtung der AfD einzubringen. Sie ist zwar offen für Änderungen, hält es aber für wichtig, über den Kurs der Partei zu diskutieren. Die AfD müsse ihren Wählern Klarheit bieten. Die Zeit der Selbstbeschäftigung soll beendet werden.

Über welche Autorität Petry noch verfügt, wird sich in Köln zeigen. Die ehrgeizige Naturwissenschaftlerin weiß, dass die AfD ihrer Popularität einiges verdankt. Schon auf dem Parteitag in Stuttgart vor knapp einem Jahr machte Petry deutlich, dass sie für die Partei ein wichtiges Zugpferd darstellt. „Ich brauche Sie als loyale Mitglieder genauso dringend wie Sie mich als einen maßgeblichen Repräsentanten in der Öffentlichkeit“, rief sie damals den Delegierten zu. Manche in der Partei sehen im Rückzieher der schwangeren Parteichefin deshalb vor allem ein taktisches Manöver. Der Parteitag wird Klarheit bringen.

Für eine Spitzenkandidatur haben sich schon einige Bewerber in Stellung gebracht. Gute Chancen werden dem AfD-Vize Alexander Gauland eingeräumt. Der Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg schlägt die baden-württembergische Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Alice Weidel, vor. „Mit Alice Weidel steht eine optimale Kandidatin für unsere Spitzenmannschaft zur Verfügung“, sagte Landessprecher Ralf Özkara.