Birgit Schäfer von der Polizei in Fellbach ist ein Teil des Hilfenetzes bei häuslicher Gewalt. Foto: Gottfried Stoppel

Das Fellbacher Netzwerk gegen häusliche Gewalt feiert sein 20-jähriges Bestehen am Internationalen Frauentag. Birgit Schäfer von der Polizei ist ein Teil davon, sie erzählt, worauf es ihrer Erfahrung nach ankommt und wie ihre Arbeit dabei aussieht.

Sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen, das ist für viele Frauen nicht leicht. Zu eingeschüchtert, zu verängstigt sind Frauen, die manchmal über Jahre hinweg in ihrem direkten Umfeld Gewalt oder Erniedrigung erfahren haben. Ein Netzwerk macht sich in Fellbach dafür stark, Opfern von häuslicher Gewalt beizustehen und einen Weg aus der Lage aufzuzeigen. Am Internationalen Frauentag, 8. März, feiert das Netzwerk sein 20-jähriges Bestehen. Wir haben uns mit Birgit Schäfer von der Fellbacher Polizei unterhalten. Sie ist Teil des Netzwerkes und berichtet, wie ihre Arbeit dabei aussieht.

Frau Schäfer, wie sieht die Arbeit der Polizei bei dem Hilfenetz bei häuslicher Gewalt aus?

Es ist in erster Linie ganz normale Polizeiarbeit. Da die Übergriffe meist am Abend oder in der Nacht stattfinden, sind in der Regel die Kollegen vom Streifendienst vor Ort. Dafür hat das Fellbacher Revier einen roten Faden erarbeitet, wie die Polizisten und Polizistinnen in einer solchen Situation vorgehen und reagieren sollen. Wichtig ist dabei, dass die Polizei eine Unterschrift und damit die Erlaubnis vom Opfer bekommt, sich mit der Beratungsstelle in Verbindung setzen zu dürfen. Das ist leider Bürokratie, aber notwendig, damit sich die anderen Akteure des Netzwerkes gegen häusliche Gewalt überhaupt mit der betroffenen Frau in Verbindung setzen können.

Reicht es nicht, dass Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind, die entsprechenden Hilfenummern haben?

Den ersten Schritt muss die Frau tun und die Polizei oder eine Beratungsstelle rufen. Dann aber hat sich laut einer Heilbronner Studie herausgestellt, dass es ganz wichtig ist, dass die Frauen schnell unterstützt werden. Viele haben innerlich nicht mehr die Kraft, mehrmals um Hilfe zu bitten. Sie resignieren und geben wieder auf, einen Weg aus der gewalttätigen Beziehung zu suchen. In Heilbronn gibt es daher einen sogenannten „Guide4you“ – das heißt, die Frauen werden beim Gang zur Beratungsstelle begleitet. Hier in Fellbach gehen die Mitarbeiterinnen des Netzwerkes aktiv auf die Opfer zu, rufen sie an und machen einen Termin aus.

Welche Mechanismen führen dazu, dass das Selbstbewusstsein der Frauen so am Boden ist?

Die Formen von Gewalt können ganz subtil sein. Das macht das Ganze nicht einfach zu erkennen. Vieles wird auch überspielt. Im Grunde ist die ständige Abwertung durch den Partner schon ein Teil, im Grunde das typische Mobbing-Verhalten. Alles, was die Frau macht, ist schlecht, wird abgewertet. Es wird Druck auf die Frauen ausgeübt, es findet Kontrolle statt, über sie wird entschieden, ohne sie einzubeziehen. Das alles zerstört das Selbstwertgefühl der Opfer. Außerdem suchen einige Opfer die Schuld an sich selber. Schläge und Beleidigungen sind dann die Spitze des „Eisbergs“. Die Übergriffe finden ja hinter verschlossenen Türen statt.

Wie läuft ein Einsatz bei häuslicher Gewalt beispielhaft ab?

Jeder Fall ist anders. Aber ich spiele es mal durch. Die Polizeistreife ist vor Ort – dabei werden Opfer und Aggressor getrennt. Er und sie erzählen ihre Sicht der Dinge. Dann kann die Polizei gegen den Aggressor – das ist meist der Mann – einen Platzverweis bis zu drei Tagen aussprechen. Der Mann muss sofort die Wohnung verlassen. Der Bericht landet dann auf meinem Tisch. Danach geht es um die Frage, ob Kinder beteiligt sind. Auch die Stadt Fellbach wird unterrichtet, und das Jugendamt wird einbezogen. Die Kommune kann dann den Platzverweis verlängern. Und diese zwei Wochen sind eine wertvolle Zeit, die die Opfer brauchen, um sich zu sortieren. Der Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz ist ein ganz wichtiges Instrument. Wenn ein Annäherungsverbot im öffentlichen Raum ausgesprochen wurde und der Mann sich nicht daran hält, dann geht das auch an den Geldbeutel des Täters, und das hat meist Wirkung.

Die Dunkelziffer ist sicher hoch bei häuslicher Gewalt. Gab es eine Zunahme der Taten in Coronazeiten?

Die aktuellen Daten liegen noch nicht vor. Wir können lediglich Trends angeben. Und da zeichnet sich aus meiner Sicht keine besondere Zunahme der Taten in Fellbach ab. Aber wie gesagt, das Dunkelfeld ist hier sicher sehr hoch. Viele Frauen zeigen einen Übergriff nicht an.

Was können denn beispielsweise Anzeichen sein, dass jemand von häuslicher Gewalt betroffen ist?

Wenn es laut wird, jemand schreit in der Wohnung, dann raten wir, die Polizei schnell zu rufen, damit sie der Sache nachgehen kann. Drei Tage später ist das alles viel schwieriger. Subtilere Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist, könnten sein, dass von Gewalt betroffene Frauen plötzlich keine Zeit mehr für Verwandte, Freunde oder Kollegen haben und sie Entscheidungen nur noch nach Rücksprache mit ihren Lebensgefährten treffen. Auffälligere Hinweise sind da schon sichtbare blaue Flecke und Verletzungen, für die es zumeist keine plausible Erklärung gibt. Vor allem ist es wichtig, für das Thema zu sensibilisieren. Das Thema muss immer wieder auf die Tagesordnung in verschiedenen Lebensbereichen. Und das ist auch ein Ziel, das das Hilfenetz bei häuslicher Gewalt von Anfang an verfolgt. Auch die Veranstaltung am 8. März soll dazu dienen.

Fellbacher Hilfenetz

Polizei
Birgit Schäfer ist Sachbearbeiterin für häusliche Gewalt bei der Polizei in Fellbach. Sie hat zu dem Thema zahlreiche Fortbildungen absolviert und ist Teil des Fellbacher Hilfenetzes.

Vorstellung
Das Fellbacher Hilfenetz bei häuslicher Gewalt stellt sich mit dem Präventionstheater Q-rage aus Ludwigsburg an diesem Mittwoch um 18 Uhr im Großen Saal des Fellbacher Rathauses vor.