Nur wenige junge Frauen studieren naturwissenschaftliche Fächer. Spezielle Frauenstudiengänge sollen das ändern. Foto: picture alliance / dpa/Hendrik Schmidt

Sieben reine Frauenstudiengänge gibt es in Deutschland, einer davon in Furtwangen. Das Ziel: Mehr Frauen sollen einen MINT-Beruf ergreifen. Mit welchen Schwierigkeiten die Studiengänge derzeit zu kämpfen haben.

Stuttgart - Mädchen kriegen zum Geburtstag Malbücher und Barbie-Puppen, Jungs Spielzeugautos und Chemiebaukästen – später studiert sie Lehramt, er Maschinenbau. So einfach wie im Klischee war es in Wirklichkeit wohl nie – und so ist es auch nicht gewünscht. Seit Jahrzehnten wollen Firmen aus der MINT-Industrie (kurz für „Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik“) mehr Frauen gewinnen. Doch oft scheitert es tatsächlich an der Wahl des Studiengangs.

 

Eine Möglichkeit, mehr junge Frauen für MINT-Fächer zu motivieren, können Frauenstudiengänge sein. Besonders viele gibt es davon in Deutschland nicht, das Portal scientifica.de zählt sieben Stück. Im Südwesten ist es nur einer: An der Hochschule Furtwangen kann frau exklusiv das Fach „Wirtschaftsnetze eBusiness“ (kurz WNB) studieren, eine Variante des Studiengangs „Wirtschaftsinformatik“, der dort beiden Geschlechtern offen steht. „Wir haben mit 2002 neun Studentinnen begonnen“, erzählt Studiengangsleiterin Marianne Andres. „Das hat sich dann ganz langsam gesteigert. 2008 waren wir voll.“ 70 Studentinnen habe man dann pro Jahr aufgenommen – im Winter- und im Sommersemester.

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Bewerberzahlen gehen zurück

Inzwischen ist der Höhepunkt allerdings überschritten, die Studentinnenzahlen gehen wieder zurück. „Jetzt haben wir zum Sommersemester 2020 beschlossen, nur noch im Winter aufzunehmen“, berichtet Andres. Mit dieser Entwicklung steht Furtwangen in der überschaubaren Landschaft der Frauenstudiengänge nicht allein da. „Der Frauenstudiengang wird bei uns abgeschafft.

Zum nächsten Wintersemester kann man sich nicht mehr immatrikulieren“, heißt es aus der Pressestelle der Stralsunder Hochschule. Seit 20 Jahren gab es dort das Fach Wirtschaftsingenieurwesen nur für Frauen. „Es hat sich gezeigt, dass immer weniger Frauen genderspezifisch studieren wollen“, sagt Pressesprecherin Jane Brückner. Seit 2015 gab es nicht mehr als acht Einschreibungen pro Semester – im gemischten Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen sei der Frauenanteil dagegen gestiegen.

Brückner glaubt, es lag an den inhaltlichen Unterschieden zwischen den beiden Fächern. Im Frauenstudiengang gab es den Schwerpunkt Kommunikation und Management – viele Studentinnen wollten sich jedoch lieber tiefer mit technischen Fragestellungen beschäftigen. Andererseits hätten auch männliche Studenten aus dem Schwesterfach Interesse an der Vertiefung von Kommunikation und Management gehabt. Schon 2006 glich die Hochschule die Fächer deshalb inhaltlich an.

Völlig identischer Lehrplan

„Es gibt bei Frauenstudiengängen eine entscheidende Weichenstellung“, sagt Ulrike Schleier, Studiengangsleiterin aus Wilhelmshaven. Es gebe zwei Konzepte: das Gleichheitskonzept und das Differenzkonzept. Stralsund und auch Furtwangen gehören zum Differenzkonzept. Das bedeutet, dass das Studium ist inhaltlich so aufgebaut ist, dass es Frauen besonders ansprechen soll. Das Gleichheitskonzept, wie es in Wilhelmshaven oder auch an der Hochschule Ruhr-West in Mülheim üblich ist, setzt dagegen auf einen völlig identischen Lehrplan. Es sei also kein „Studiengang light“, wie oft vermutet werde, betont Mülheims Studiengangsleiterin Alexandra Dorschu.

Ob ein Frauenstudiengang mit dem einen oder dem anderen Konzept besser funktioniert, ist die Frage. Für Ronja Bader, die bald ihr viertes WNB-Semester beginnt, waren es gerade die inhaltlichen Unterschiede, die das Fach interessant machten: „Dass es ein Frauenstudiengang ist, war für mich nicht ausschlaggebend.“ Auch jetzt ist es für sie keine große Sache – dass sie nur Kommilitoninnen hat, sei „von Tag 1 an Normalität“ gewesen. Auch im Bekannten- und Familienkreis würden die meisten – auch wegen des technischen Faches – positiv reagieren. „Viele wissen gar nicht, dass es Frauenstudiengänge gibt“, erzählt Bader. Die häufigste Frage sei, ob das rechtlich erlaubt wäre.

Rückendeckung aus der Politik

Genau diese Frage sorgt derzeit dafür, dass der Frauenstudiengang in Wilhemshaven auf Eis liegt. Seit dem Wintersemester 2018 kann sich niemand mehr bewerben. Dadurch, dass der Frauenstudiengang rechtlich immer Teil des gemischten Angebots war, seien Kommunikationsschwierigkeiten entstanden. Zusätzlich sanken auch die Bewerberinnenzahlen. Aus der Pause soll jetzt ein „richtiger“ Frauenstudiengang hervorgehen. „Wir wollen jetzt Nägel mit Köpfen machen“, sagt Schlei. Ob das klappt, sei auch ein Frage der politischen Rückendeckung.