Fundort Neckar: An der Gaisburger Brücke wurde der Torso des Opfers geborgen. Foto: 7aktuell.de/Jens Pusch

Im Oktober 2017 wurde der Torso einer Frau im Neckar gefunden. Ihr Freund soll die 72-Jährige getötet, und zerteilt haben. Der Staatsanwalt fordert vor dem Landgericht Stuttgart zehn Jahre Gefängnis.

Stuttgart/Esslingen - Am 17. Oktober vorigen Jahres macht eine Trainingsgruppe der Stuttgarter Kanugesellschaft eine wahrhaft grausige Entdeckung. Die Sportler sehen einen Torso im Neckar treiben. In den folgenden Wochen tauchen die Beine und der linke Arm auf. Der rechte Arm und der Kopf bleiben bis heute verschwunden. Bei dem Opfer handelt es sich um eine 72 Jahre alte Frau. Ihr Freund steht seit dem 23. Mai vor der 9. Strafkammer des Landgerichts. Er soll die Frau getötet, zerteilt und im Neckar entsorgt haben.

Oberstaatsanwalt Matthias Schweitzer ist sicher: „Ich bin überzeugt, dass der Angeklagte die Tat begangen hat.“ Das Opfer habe die Wohnung des Angeklagten in Mettingen, einem Stadtteil von Esslingen, am Abend des 26. September 2017 nicht mehr lebend verlassen. Es müsse zu einem Streit gekommen sein, so Schweitzer, in dessen Verlauf der 76-Jährige die Frau getötet habe – durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen Kopf oder Hals. In Panik habe der Mann, der sich dem Opfer gegenüber fälschlicherweise als Arzt in Rente ausgegeben hatte, die Leiche in seiner Wohnung zerstückelt. Da er kein Auto besitzt, habe er die Leichenteile in einem Einkauftrolley in mehreren Etappen ans Neckarufer gekarrt und hineingeworfen, so Schweitzer.

Der Angeklagte gab sich als Arzt aus

Der Angeklagte war ins Visier der Fahnder geraten, weil man in der Wohnung des Opfers in Plieningen Reiseunterlagen auf beide Namen gefunden hatte. Bei der Zeugenvernehmung soll sich der Mann, der 1998 wegen eines Drogendelikts zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war, in Widersprüche verwickelt haben. Man durchsuchte seine Mettinger Wohnung und fand Blutspuren der 72-Jährigen. Der Mann wurde verhaftet.

„Blut des Opfers auf dem Boden eines Schrankes, in der Waschmaschine, auf dem Teppich und an dem Trolley“, führt Ankläger Schweitzer aus. Damit konfrontiert hatte der Angeklagte gesagt, die 72-Jährige habe sich eine Woche vor ihrem Verschwinden bei ihm an einem Sektglas an der rechten Hand geschnitten. Dies ist nicht überprüfbar. Der ganze rechte Arm des Opfers fehlt. Das mit der Verletzung habe der Angeklagte erst nachgeschoben, als er eine Erklärung für das Blut gebraucht habe, so Schweitzer. Erst soll es ein Schnitt gewesen sein, dann plötzlich eine „gewaltige Wunde“. „Er gibt nur das zu, was nicht mehr zu leugnen ist“, sagt der Ankläger.

Keine Mordmerkmale – deshalb Totschlag

Dass die Frau, die in Plieningen eine Wohnung hatte, die meiste Zeit aber bei ihrem anderen Lebensgefährten in Obertürkheim verbrachte, am Abend des 26. Septembers bei ihm gewesen ist, streitet der Mann nicht ab. Während des Prozesses hat er geschwiegen. Bei der Polizei hatte er indes gesagt, er habe die 72-Jährige an besagtem Abend nach Obertürkheim begleitet und danach nicht mehr gesehen. Tatsächlich war die Frau seitdem verschwunden. Auch ihr Handy wies keine Aktivität mehr auf. In einer seiner Vernehmungen hatte der Angeklagte der Polizei den Obertürkheimer Lebensgefährten des Opfers als möglichen Täter angedient.

Oberstaatsanwalt Schweitzer fordert zehn Jahre Gefängnis wegen Totschlags. Da man weder den Hergang noch das Motiv für die Bluttat kennt, kommt eine Verurteilung wegen Mordes nicht infrage. Es könnten keine Mordmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe benannt werden, so der Ankläger.

Es bleiben Fragen, mit denen Verteidigerin Margrete Haimayer Zweifel bei den drei Berufrichtern und den zwei Schöffen der 9. Schwurgerichtskammer säen will. Die Todesursache sei nicht geklärt, so Haimayer. „Stumpfe Gewalt gegen den Kopf oder gegen den Hals?“, fragt sie. Beide Körperteile fehlten jedoch. Und das Blut in der Wohnung ihres Mandanten? „Die Menge passt nicht“, sagt die Verteidigerin. Laut Rechtsmedizinerin müsse man beim Zerteilen eines Körpers mit mehreren Litern rechnen. „Wo sind die hin?“ Man habe kein Blut in der Badewanne gefunden, keine passenden Werkzeuge, kein Verpackungsmaterial, keine Gurte oder Ähnliches zum Transportieren.

Der Mann sagt, er sei unschuldig

Und vor allem: Es gebe keinen Zeugen, der den Angeklagten nach dem Verschwinden der Frau mit einem Trolley gesehen habe. Die Annahme, wer soll es denn sonst getan haben, wenn nicht der 76-Jährige, reiche nicht. „Im Zweifel für den Angeklagten“, sagt Haimayer. Sie fordert Freispruch.

Es heißt, der 76-Jährige und die 72-Jährige hätten eine größere Wohnung gesucht. Das Paar habe vorgehabt zu heiraten. „Ich habe meine zukünftige Frau nicht getötet“, sagt der Mann, der während des ganzen Prozesses geschwiegen hatte, in seinem letzten Wort in Richtung des Oberstaatsanwalts. Das Urteil soll am 27. Juni verkündet werden.