Nicht zu halten: Norwegens Stine Oftedal. Foto: dpa

Norwegen ist Titelverteidiger und Topfavorit bei der Frauenhandball-WM. Der Stellenwert der Spielerinnen in ihrer Heimat ist enorm.

Bietigheim - Immer wenn Norwegens Handballerinnen in Aktion treten, sind die Organisationsteams in den Hallen der Handball-Weltmeisterschaft besonders gefordert. Dann gilt es in der kurzen Pause nach der vorherigen Begegnung den Boden auf Vordermann zu bringen. Nicht etwa, weil ihn die anderen Spielerinnen besonders schmutzig hinterlassen hätten – sondern weil die Werbeflächen neu gestaltet werden müssen. Norwegen hat Verträge mit eigenen Sponsoren, deren Logo im Eilverfahren aufgeklebt werden.

Welchen Stellenwert die Spielerinnen in ihrer Heimat haben, zeigt sich auch daran, dass ihre Spiele in der Vorrunde ausschließlich zur besten Sendezeit um 20.30 Uhr angesetzt waren, was in der Heimat besonders hohe Einschaltquoten garantiert. Vor sechs Jahren brachen die Handballfrauen beim WM-Endspielsieg gegen Brasilien mit mehr als zwei Millionen Zuschauer den Rekordwert des Landes.

Ehre, wem Ehre gebührt. Norwegen gilt als das Maß aller Dinge im Frauenhandball. Welt- und Europameister. Zuletzt stand das Team gleich siebenmal nacheinander in einem EM-Endspiel und gewann sechs davon (nur 2012 war Montenegro besser). Trotz der Siege und Tabellenplatz eins in der Vorrunde warnt Trainer Thorir Hergeirsson: „Wir tun gut daran, den Fokus immer nur auf das nächste Spiel zu legen.“

An diesem Mittwoch gegen Russland

Nach dem 31:23-Sieg im Achtelfinale gegen Spanien folgt an diesem Mittwoch (20.30 Uhr) in Magdeburg das Viertelfinale gegen Russland. „Für uns ist das alles andere als Routine“, sagt die Linkshänderin Nora Mork, die in den bisherigen Partien als Torschützin aus dem rechten Rückraum glänzte. Wobei diese Spielweise eigentlich nicht zwingend die Marschroute der Skandinavierinnen darstellt, weil sie von der Körpergröße her im Rückraum nicht gerade herausstechen. Weshalb die eigentliche Stärke der Mannschaft auch der schnelle Gegenstoß ist. Nicht zu vergessen die Kreisläuferin Heidi Loke, die nach einer Babypause wieder Tore am Fließband erzielt. Doch den einen oder anderen Ausfall musste das Team zuletzt verkraften, weshalb der Trainer Wert darauf legt, möglichst viele Spielerinnen einzusetzen: „Wir müssen den Pool an Talenten so groß wie möglich halten, denn wir müssen angesichts der großen Belastungen unserer Top-Spielerinnen immer mehr wechseln“, sagt Hergeirsson, der aus Island stammt.

Was 2016 zu dem Novum führte, dass die EM-Garanten bei Frauen und Männern (Deutschland unter Dagur Sigurdsson) von der Insel im Nordatlantik kamen. „Wir sind ein kleines Land, aber unser Herz schlägt für den Mannschaftssport“, sagt Hergeirsson . „Weil wir wahrscheinlich nicht so viele Möglichkeiten haben wie andere, sind wir isländischen Trainer vielleicht auch so gut darin, unseren Spielerinnen und Spielern genau ihren Rollen zu verteilen. Ich denke, wir können gut motivieren.“

Die Klasse von Norwegen

In der Vorrunde jedenfalls marschierte die norwegische Mannschaft ohne ernste Konkurrenz durchs Turnier, obwohl die in Bietigheim-Bissingen ausgespielte Gruppe B als die am stärksten besetzte galt. Dennoch meint Hergeirsson: „Keine Mannschaft wird ohne Niederlage durch dieses Turnier gehen.“ Abwarten. Polens Nationalcoach Leszek Krowicki sagte nach der 20:35-Klatsche: „Es gibt noch bessere Mannschaften als uns, die merken werden, was die Klasse von Norwegen bedeutet.“

An diesem Mittwoch könnten es die Russinnen sein.