Die Religionslehrerin Monika Elias setzt sich dafür ein, dass sich die katholische Kirche ändert und Frauen nicht mehr diskriminiert werden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Bewegung Maria 2.0 hat in Stuttgart einen Nerv getroffen. Auch Katholikinnen aus der Landeshauptstadt fordern, dass sich ihre Kirche ändert und weiblicher wird. Darunter ist eine Religionslehrerin aus dem Mädchengymnasium St. Agnes.

Stuttgart - Erst hat Monika Elias vergangenen Sonntag ihre Stiefel in der Kirche St. Antonius abgestellt, dann ist sie vor die Tür gegangen. So wie ihre Mitstreiterinnen für die Sache der Frauen. Der ganze Mittelgang des Gotteshauses in Hohenheim war voll mit Frauenschuhen – rote, schwarze, braune, weiße – ein Kontrast zu den leeren Kirchenbänken. Draußen vor der Kirche war umso mehr los, beim Alternativgottesdienst im Rahmen der Aktion Maria 2.0, einer Bewegung, die in Münster ihren Anfang nahm. Deutschlandweit sind Katholikinnen eine Woche lang bis diesen Samstag aufgerufen gewesen, in den Streik zu treten. Sie sollten ihre Ehrenämter nicht ausüben und die Gottesdienste boykottieren, um zu erreichen, dass sich ihre Kirche endlich ändert.

Wie viele Stuttgarterinnen sich an Maria 2.0 beteiligt haben, kann keiner sagen, auch nicht das Stadtdekanat. Aber auch in Stuttgarter Gemeinden hat es Aktionen gegeben – ob in Feuerbach, in Mitte oder eben in Hohenheim. Maria 2.0 scheint bei vielen einen Nerv getroffen zu haben – wie bei Monika Elias, engagiertes Gemeindemitglied in Hohenheim und seit 36 Jahren Religionslehrerin am katholischen Mädchengymnasium St. Agnes, die sich „sofort“ von der Initiative angesprochen gefühlt hat.

Nur noch Negativschlagzeilen

„Die Stellung der Frau in der Kirche beschäftigt mich schon länger”, sagt die 63-jährige Stuttgarterin, die eine 24 Jahre alte Tochter hat. Mit Sorge erfüllt sie, wie leer die Kirchen sonntags inzwischen sind, doch verwunderlich findet sie das nicht. „Es gab zuletzt nur noch Negativschlagzeilen“, klagt sie und erinnert an den Finanzskandal rund um den früheren Bischof Tebartz-van Elst und natürlich die Missbrauchsskandale. „Dadurch ist unsere Kirche in eine enorme Glaubwürdigkeitskrise geraten“, sagt sie. Als Religionslehrerin betrifft sie das besonders.

Natürlich stellten ihre Schülerinnen kritische Fragen zur Stellung der Frau, zum Thema Missbrauch und zum Zölibat. „Da kann ich nicht aus voller Überzeugung sagen, ja, die kirchlichen Strukturen sind gut”, sagt Monika Elias. Auch im Unterricht hat sie Maria 2.0 thematisiert – zuerst mit den Zehntklässlerinnen, dann am Freitag mit den Abiturientinnen. Ein Plakat zur Bewegung, die in Münster ihren Anfang genommen hat, hat sie sowohl im Lehrerzimmer als auch – auf Anregung der Schulleitung hin – draußen an die Pforte gehängt.

Zu den Forderungen von Maria 2.0 gehört nicht nur eine bessere Aufarbeitung der Missbrauchsskandale, sondern auch, dass Frauen zu sämtlichen Ämtern zugelassen werden und die Abschaffung des Pflichtzölibats. Letzteres ist Monika Elias auch aus privaten Gründen ein Herzensanliegen. Ihr Bruder war katholischer Priester. Er sei ein sehr guter Seelsorger, war in seiner Gemeinde sehr geschätzt und ging in seiner Aufgabe auf, die mehr als ein Beruf ist. Doch weil er sich in eine Frau, eine Pastoralreferentin, verliebte und sie heiratete, musste er aufhören. „Das war ein Drama für die ganze Familie“, erzählt Elias.

Der Stuttgarter Stadtdekan begrüßt die Bewegung

Sie holt ihre Bibel hervor, liest eine Stelle aus den Galaterbriefen von Paulus vor. Da heißt es, dass alle durch die Taufe eins seien und nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau. „Es gibt keine biblische Begründung“, weder für das Zölibat, noch dafür, Frauen vom Priesteramt auszuschließen, sagt Elias. Dabei gebe es so gute Theologinnen, und die Arbeit in den Gemeinden werde ohnehin vorwiegend von Frauen gemacht. Sie selbst zum Beispiel ist Lektorin, liest im Gottesdienst Schrifttexte und Fürbitten vor, engagiert sich als Kommunionshelferin und als Leiterin von Wortgottesdiensten.

Bischof Gebhard Fürst hat den Streik der Ehrenamtlichen kritisiert, das hat Monika Elias enttäuscht. Mit Freude hat sie dagegen festgestellt, dass ansonsten sehr viele ihr Anliegen unterstützen, zum Alternativgottesdienst kamen auch viele Männer. Der Pfarrer stehe hinter ihnen, das tue gut. Auch der Stuttgarter Stadtdekan begrüßt die Bewegung: Er könne die Frustration der Frauen „sehr gut nachvollziehen“, lässt er mitteilen. Und Hermes gibt dieser auch einen Raum. So werden Gedanken und Visionen von Frauen aus der Gemeinde an diesem Sonntag in St. Eberhard in den 10-Uhr-Gottesdienst einfließen. „Ob wir den berechtigten Anliegen von Frauen in der katholischen Kirche gerecht werden, wird zunehmend zu einer unausweichlichen existenziellen Frage für unsere Kirche“, konstatiert Hermes.

Monika Elias drückt es ganz ähnlich aus. Auch für sie ist die Frauenfrage „eine Zukunftsfrage“ für die Kirche. An diesem Samstag endet die Aktionswoche offiziell, doch es soll weiter gehen, auch in St. Antonius. Monika Elias gestaltet an diesem Sonntag um 11 Uhr gemeinsam mit Mechthild Foldenauer in der Kirche eine Wortgottesfeier – das Thema: „Frauen in der Kirche”.