Martina Voss-Tecklenburg hat die Qual der Wahl absolviert. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg benennt ihren endgültigen EM-Kader und streicht etwas überraschend auch die vielseitige Sjoeke Nüsken. Die Unzufriedenheit bei Almuth Schult ist offensichtlich.

Erst kürzlich haben 27 deutsche Fußballerinnen bei strahlendem Sonnenschein im Adi-Dassler-Stadion von Herzogenaurach unverdrossen in die Kamera gegrinst. Beim Medientag wurden ja nicht nur Interviews gegeben, sondern auch das Mannschaftsfoto und die Einzelporträts angefertigt. Hinten in der dritten Reihe stand an jenem Donnerstagvormittag mittig platziert auch noch Sjoeke Nüsken. Jene vielseitige Mittelfeldspielerin von Eintracht Frankfurt, die im Frühjahr auf der Wunschliste des FC Chelsea gestanden hatte, dann aber ihren Vertrag verlängerte, wozu sogar Männercoach Oliver Glasner öffentlich gratulierte. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte die Entwicklung der 21-Jährigen zuletzt ausdrücklich gelobt und die aus Hamm stammende Allrounderin häufiger als Linksverteidigerin eingesetzt.

Doch nun haben es die neunfache Nationalspielerin Nüsken genau wie Maximiliane Rall (Bayern München), Jana Feldkamp und Torhüterin Martina Tufekovic (beide TSG Hoffenheim) nicht in den finalen 23er-Kader der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die EM in England (6. bis 31. Juli) geschafft. „Wir haben in den vergangenen Wochen viele Eindrücke gesammelt und uns intensiv im Team ausgetauscht. Am Ende haben nur Nuancen entschieden, denn die Leistungsdichte in unserem Kader ist sehr hoch“, erklärte Voss-Tecklenburg nach dem ersten Lehrgang auf dem „Home Ground“ des DFB-Ausrüsters. In das am Dienstag beginnende dritte und letzte Trainingslager an selber Stelle reist vorsorglich eine 24. Spielerin, Chantal Hagel (TSG Hoffenheim), die aber – wenn der Rest gesund und fit bleibt – ebenfalls nicht am 3. Juli mit auf die Insel fliegen soll.

Nicht nur strahlende Gesichter

Nüsken hatte im Gegensatz zu ihren Clubkolleginnen Sara Doorsoun, Nicole Anyomi oder Sophia Kleinherne eigentlich gar nicht so sehr um ihren Platz gezittert, da in Dzsenifer Marozsan (Kreuzbandriss) und Melanie Leupolz (Schwangerschaft) zwei zentrale Mittelfeldspielerinnen ausfallen. Voss-Tecklenburg wäre der Härtefall erspart geblieben, wenn die Uefa ihrer Forderung nachgegeben hätte, wie im Vorjahr bei der EM der Männer 26 Akteure zu erlauben. Doch bei den Frauen gilt trotz der zulässigen fünf Auswechslungen wieder die alte Regel mit dem 23er-Aufgebot.

Mit dem VfL Wolfsburg (acht Spielerinnen), FC Bayern (sieben) und Eintracht Frankfurt (fünf) stellen die drei stärksten Bundesligateams auch die größten Blöcke. Die zuletzt an Corona erkrankte Kapitänin Alexandra Popp ist mit ihren 113 Länderspielen die mit Abstand erfahrenste Akteurin. Vor ihrer Isolation hatte die 31-Jährige angemerkt, dass ihr beim Nationalteam über das Torwartduell zwischen Merle Frohms und Almuth Schult „zu viel Trara gemacht“ werde. Die Nochfrankfurterin Frohms habe sich den Status als Nummer eins „in drei Jahren hart erarbeitet“, sie könne aber auch die Ambitionen ihrer Wolfsburger Kollegin Schult verstehen. „Irgendwie hat es jeder verdient. Ich bin froh, dass ich die Entscheidung nicht treffen muss.“

Streit um Hierarchien

Voss-Tecklenburg hatte bereits bei der ersten Kaderbekanntgabe am 31. Mai überraschend früh die Hierarchie geklärt – und damit offenbar Schult überrumpelt, die beim Medientag ihren Frust nur mühsam überspielte. „Ich hätte unglaublich gerne gespielt. Es wäre auch etwas Besonderes gewesen, überhaupt als Mama mal wieder ein Länderspiel zu machen, weil das immer das große Ziel war“, sagte die 31-Jährige. Wegen Schulteroperation, Babypause und Covid-Infektion hatte die meinungsfreudige Zwillingsmutter zwar seit der WM 2019 kein Länderspiel mehr gemacht, aber trotzdem gehofft, für die EM wieder ihren Stammplatz im DFB-Team zurückzuerobern. Die 64-fache Nationaltorhüterin glaubt weiterhin, „dass mein Wort Gewicht hat, dass Fragen in kritischen Situationen auch mir gestellt werden“. Der Druck auf Frohms, die am kommenden Freitag beim einzigen EM-Test gegen die Schweiz in Erfurt aber zwischen den Pfosten stehen soll, wird dadurch nicht kleiner.