Marcel Breuer gemeinsam mit Martha Erps, Katt Both und Ruth Hollos (1926) Foto: Stiftung Bauhaus Dessau/Consemüller, Stephan

1919 öffnete das Bauhaus in Weimar seine Pforten für männliche und weibliche Studierende. Doch die Lehrer an der Kunstschule haben die Frauen emsig bekämpft.

Stuttgart - Eigentlich könnte sie stolz sein, immerhin hat die Stuttgarterin einen Platz am begehrten Bauhaus bekommen. Doch schon bald ist bei Ida Kerkovius die Begeisterung verflogen. Als sie 1920 ans Bauhaus nach Weimar kommt, ist Kerkovius bereits 41 Jahre alt und eine gestandene Künstlerin und Kunstlehrerin. In Weimar bekommt sie zwar, wie erhofft, „neue künstlerische Anregungen“. Eines aber geht ihr gründlich gegen den Strich: die Herren Lehrkörper. Johannes Itten, der selbst mal bei ihr Schüler war, lässt sie sein strenges Regiment spüren. Auch die anderen Meister sind kaum besser. Am Bauhaus, konstatiert Ida Kerkovius enttäuscht, herrsche „despotischer Zwang“.

Dabei wollten die Bauhäusler doch eigentlich alles anders machen. In diesem Jahr wird die 1919 gegründete Kunstschule wegen ihrer innovativen Ideen gefeiert. Schließlich waren Walter Gropius und seine Kollegen einst mit der Vision angetreten, einen neuen Menschen zu formen, der die Trennung von Leib und Seele und auch von Kunst und Handwerk überwindet – und der einen „Bau der Zukunft“ errichtet.

In Sachen Gleichberechtigung taten sich die Herren allerdings sehr schwer. Dabei stand im Programm von Walter Gropius eigentlich, dass man, sofern Begabung und Vorbildung ausreichten, jeden „ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht“ aufnehmen werde. Als die Frauen den Aufforderungen aber nachkommen, wird den Herren bang ums Herz. Im ersten Semester gibt es tatsächlich mehr Bewerberinnen als Bewerber, 84 Studentinnen werden aufgenommen, die meisten haben wie Ida Kerkovius bereits eine pädagogische oder kunsthandwerkliche Ausbildung hinter sich. Fachlich kann man ihnen nichts anhaben.

Abgeschoben in die Weberei

Trotzdem wollen viele der sogenannten Formmeister, die die Werkstätten leiten, nichts zu tun haben mit diesen tüchtigen und erfahrenen Künstlerinnen. Sie beschweren sich beim Direktor, dass das „weibliche Element“ in den Kursen zu stark werden könnte. Gropius, der in seiner ersten Ansprache eigentlich verkündet hatte, dass man am Bauhaus „keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht“ machen wolle, gibt nach und legt fest, dass das „weibliche Element“ höchstens noch ein Drittel der Plätze einnehmen dürfe. Die Frauen werden abgeschoben und gezwungen, in die Weberei zu wechseln – selbst wenn sie mit Textilien nichts am Hut haben.

Immerhin, Ida Kerkovius hat „einen Hang für das Stoffliche“. Tatsächlich wird die Weberei für sie zu einer neuen Erwerbsquelle, die sie in späteren Jahren gut brauchen kann. Auch Gunta Stölzl arrangiert sich. Sie hat bereits an der Kunstgewerbeschule München studiert und darf wegen der neuen Männerquote nicht in der Glasmalerei bleiben. Auch die Wandmalerei muss sie bald wieder verlassen – und landet in der Weberei. Dort webt sie Stoffe, die man so noch nicht gesehen hat, und macht Gobelins zu abstrakten Kunstwerken. Gunta Stölzl ist so gut, dass sie 1927 die Gesamtleitung der Werkstatt übernimmt. Obwohl die Weberei unter ihrer Leitung so innovativ ist wie nie zuvor, wird Stölzl als Jungmeisterin schlechter entlohnt als ihre männlichen Kollegen und hat auch keinen Anspruch auf Pension und Kindergeld.

Aber es war keineswegs alles schlecht für die Frauen am Bauhaus. Sie genossen wie die Männer auch die besondere Atmosphäre und die Freiheit, sich künstlerisch ausprobieren zu können. Für Frauen war das noch längst nicht selbstverständlich, erst mit dem Beginn der Weimarer Republik erhielten sie neben dem Wahlrecht auch Lehrfreiheit. Davor hatten sie nur privaten Kunstunterricht nehmen können, den sich die Herren Lehrer meist teuer bezahlen ließen.

Eine Frau machte die Institution in der Welt bekannt

Wer weiß, vielleicht haben die Künstlerinnen die Grenzen, die ihnen am Bauhaus gesetzt wurden, mitunter sogar angefeuert. Auch wenn die Männer sich bemühten, die Kolleginnen möglichst kleinzuhalten, ist der Erfolg des Bauhauses letztlich auch den Künstlerinnen zu verdanken. Anni Albers, die das Weben verabscheute und für „zu weibisch“ hielt, entwarf schließlich doch außerordentliche Kreationen. In den Dreißigerjahren ging sie mit ihrem Mann, dem Maler Josef Albers, nach Amerika, wo die beiden die Ideen des Bauhauses verbreiteten und Anni Albers als äußerst erfolgreiche Professorin und Industriedesignerin tätig war. 1949 widmete das New Yorker Museum of Modern Art ihr sogar eine Einzelausstellung – als erster Weberin überhaupt.

Lou Scheper, die direkt nach dem Abitur ans Bauhaus kam, setzte sich als Wandmalerin durch und wirkte auch an der Bauhaus-Bühne von Oskar Schlemmer mit. Marianne Brandt gelang es, in der Metallklasse aufgenommen zu werden. Sie entwarf gleich im ersten Schuljahr Tee- und Kaffeeservice, metallene Aschenbecher, Schalen, Dosen und Lampen, die heute zu den Ikonen des Bauhauses schlechthin zählen.

Letztlich ist es auch einer Frau zu verdanken, dass das Bauhaus heute in der ganzen Welt bekannt ist. Lucia Moholy fotografierte so ziemlich alles, was am Bauhaus geschaffen wurde – und zwar auf neuartige Weise. Sie, die ihren heute viel berühmteren Mann Laszlo Moholy-Nagy jahrelang durchfütterte, wurde zur Pionierin der neuen, sachlichen Fotografie. Kaum eine Bauhaus-Publikation kommt ohne ihre Fotografien aus. Allerdings galt den Zeitgenossen die angewandte Fotografie als wertlose „Frauenzimmerarbeit“, weshalb in Büchern und Katalogen der Name von Lucia Moholy oft selbstverständlich unterschlagen wurde.