Renault Alpine-Produktion im nordfranzösischen Dieppe Foto: IMAGO/Andia

E-Batterien, Solarwerke, Windparks: Der französische Präsident lanciert derzeit grüne Industrieprojekte in Serie. Doch sind sie wirklich so ökologisch – oder eher protektionistisch?

Lokalpolitiker in Dünkirchen träumen bereits von einem „battery valley“ – in Anlehnung an das Silicon Valley in Kalifornien. Emmanuel Macron verkündete jedenfalls letzte Woche den Bau zweier neuer Gigafabriken für Elektrobatterien in der nordfranzösischen Hafenstadt. Das taiwanesische Unternehmen Prologium investiert 5,2 Milliarden Euro, die chinesische Lithiumverarbeiterin XTV 1,5 Milliarden. Den Strom dazu soll das Atomkraftwerk Gravelines sowie ein neuer Offshore-Windpark im Ärmelkanal liefern.

Macrons Ziel ist es generell, grüne Industrien nach Frankreich zu holen

Damit nicht genug. Am Montag hat Macron bei dem jährlichen Investorentreffen „Choose France“ („Wählen Sie Frankreich“) in Versailles weitere Milliardeninvestitionen bekannt gegeben, so unter anderem ein 700 Millionen Euro schweres Solarwerk von Inno Energy mit Aktionär Siemens in Sarreguemines (Lothringen).

Macrons Ziel ist es generell, grüne Industrien nach Frankreich zu holen. „Bisher haben wir indirekt auch Solarstationen subventioniert, die am Ende der Welt liegen“, meinte dazu Industrieminister Roland Lescure. „Jetzt werden wir Sonnenkollektoren ‚made in France’ produzieren.“

Macron traf sich am Montag in Schloss Versailles auch mit dem US-Starunternehmer Elon Musk, dazu mit den Konzernspitzen von Pfizer, Arcelor Mittal, Walt Disney und den Investitionsfonds von Saudi-Arabien, Katar und Quebec. Sein proaktives Liebeswerben um internationale Investoren zahlt sich langsam aus: Im vierten Jahr in Folge ist Frankreich das europäische Land mit den höchsten Investitionen ausländischer Firmen und Anleger. Sie machen ungefähr 20 Prozent des französischen Bruttoinlandproduktes aus und werden von der Regierung mit offenen Armen empfangen.

Der Präsident setzt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen

Die Linke wendet ein, dass ausländische Anleger oft rücksichtslos Werkstätten aufgäben oder schlössen – wie etwa 2021 in Sarreguemines das norwegische Unternehmen Rec Solar. Macron wendet ein, das seien Einzelfälle, denen viel mehr gelungene Ansiedlungen entgegenstünden. Anlässlich des Choose-France-Treffens brüstete er sich, er habe seit seinem Amtsantritt 2017 über 1,7 Millionen Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitslosigkeit auf unter sieben Prozent gedrückt.

Macron sieht darin nicht zuletzt ein Argument für seine weiterhin umkämpfte Rentenreform mit Pensionierungsalter 64. Nur wenn die Franzosen länger arbeiteten, könnten sie im globalen Wettbewerb mithalten und das Wohlstandsniveau halten, erklärt der Präsident. Im Wettbewerb fühlt sich Macron vor allem mit den USA und ihrem Subventionsprogramm IRA (Inflation Reduction Act). Der französische Präsident will ähnliche Maßnahmen ergreifen, um noch mehr Industrien in sein Land zu holen. Seit der Pandemie will er ganze Produktionsketten – nicht nur für E-Batterien, sondern etwa auch für Medikamente – „relokalisieren“, um die nationale Unabhängigkeit zu sichern.

Versetzt Macron dem Green Deal der EU „den letzten Schlag“?

Konkret plant Macron Steuergutschriften auf E-Batterien oder Solarmodule. Dazu will er die Genehmigung für den Bau von Fabriken stark vereinfachen. Zu dem Zweck empfahl Macron der EU-Kommission letzte Woche eine „Regulierungspause“ im Bereich der grünen Industrien. Damit erntete er einen Entrüstungssturm; die Umweltabgeordnete Marie Toussaint erklärte, Macron versetze dem Green Deal der EU „den letzten Schlag“. Der Staatschef ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen und kritisierte im Gegenzug „all die, die immer mehr Umweltnormen anfügen wollen, ohne mehr Fabriken zu schaffen“.

Und Fabriken, also Arbeitsplätze, sind Macrons neues Mantra. Dafür nimmt er auch protektionistische Rezepte wie Steuergutschriften in kauf. Die lägen immer noch weit hinter dem 400 Milliarden Dollar schweren Fördergesetz IRA des amerikanischen Präsidenten Joe Biden zurück, argumentiert der Franzose.

Ein Bonus schützt kleinere und billigere französische Autos

Die konkrete Umsetzung der französischen Schutzmaßnahmen fällt gar nicht so leicht. Sichtbar wird dies beim Umweltbonus für den Kauf eines Elektroautos. Bisher gibt es in Frankreich für ein E-Vehikel, das weniger als 47 000 Euro kostet, einen Bonus von 7000 Euro. Damit werden die kleineren und billigeren Autos aus französischer Produktion geschützt. Seit Jahresbeginn fällt nun aber auch die Basisversion des amerikanischen, in China produzierten Tesla-Modells Y darunter. Macron will deshalb die Schwelle von 47 000 Euros in seinem neuen Gesetz zur „grünen Industrie“ senken und die Produktion in Ländern wie China vom Bonus ausnehmen. Damit würde aber auch das in Frankreich viel verkaufte, weil günstige E-Modell Dacia Spring seinen Bonus verlieren, da es ebenfalls in China hergestellt wird. Protektionismus in globalen Zeiten ist eine knifflige Angelegenheit.