Komponist Hugo Wolf Foto: hwa

Tiefdunkel ist die Stimme von Bass Franz-Josef Selig und könnte mühlos größere Räume füllen als den Vortragssaal der Staatsgalerie

Stuttgart - Sein Bass ist dunkel, schwarz, ganz tief, und wenn er singt, dann ist der Klang seiner Stimme größer als der Raum. Franz-Josef Selig sprengt akustische Grenzen. Am Donnerstagabend hätte der Sänger locker das Opernhaus füllen können. Stattdessen musste er mit dem Vortragssaal der Staatsgalerie vorliebnehmen – und fügte sich in die akustische Beschränkung. Schließlich hatte die Hugo-Wolf-Akademie den 51-Jährigen nicht eingeladen, um nochmals jene Wagner-Partien (Daland, Hunding) vorzutragen, mit denen er im vergangenen Jahr bei den Bayreuther Festspielen von sich reden machte. Nein, ein Liederabend sollte es sein, ein tiefdunkler für eine tiefdunkle Stimme: ein November-Programm im Mai.

Von Todesangst, Todesahnen und Todessehnsucht handeln die Lieder von Schubert, Wolf und Mussorgski, die Franz-Josef Selig in eng verzahntem Miteinander mit dem Pianisten Gerold Huber präsentierte. In der Höhe hat der Bass Probleme mit der Intonation und mit allzu starkem Tremolieren – Schwächen, die er mit Kraft zu kompensieren versucht. Angesichts der Stärken dieses Sängerdarstellers nimmt man sie nur am Rande wahr. Stattdessen staunt man über die Fähigkeit des (exzellent artikulierenden) Sängers, jedes Lied als Szene zu empfinden.

Zu hören ist Hochspannendes: Da streiten sich ein Mädchen und der Tod (in Schuberts „Der Tod und das Mädchen“), da singt ein Künstler traurig über seine Einsamkeit (in Hugo Wolfs Vertonungen von Goethes Harfner-Liedern), da erhebt sich ein Mensch über die Götter (in Schuberts „Prometheus“), und mit Selig wissen auch die Zuhörer, wohin dies führen wird. Oft fassen Sänger und Pianist die Lieder in einem weiten Bogen, und der Nachdruck, mit dem sie den Text innerlich nachvollziehen, lässt den Saal mucksmäuschenstill werden. Wolfs „Alles endet, was entstehet“, interpretiert in einem Zug, ist vielleicht das packendste Beispiel dieser Deutungskunst, bei der kleinste Details für atmosphärische Umschwünge sorgen.

Huber leitet mit feinen klangfarblichen Veränderungen neue Sinnabschnitte ein, Klavier und Stimme scheinen förmlich ineinander zu wachsen, und Modest Mussorgskis „Lieder und Tänze des Todes“ fügen dem Tod nicht nur eine erotische und eine tänzerische Komponente hinzu, sondern beschließen den Abend wie apokalyptische Bilder.