Ein letzter Schlagabtausch vor der Nation: Die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Sozialliberale Emmanuel Macron stellen sich am Sonntag der Stichwahl um das französische Präsidentschaftsamt. Foto: AFP

Kurz vor der Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag haben sich Marine Le Pen und Emmanuel Macron in einem letzten TV-Duell heftig attackiert. Die Kandidaten bezeichneten einander als Lügner und Heuchler – doch die Nation hat sich schon entschieden.

Stuttgart - Es war eine giftige TV-Debatte, die die Franzosen am Mittwochabend verfolgen konnten: Wie zwei Streithähne gingen Marine Le Pen und Emmanuel Macron aufeinander los. Die Rechtspopulistin Le Pen liegt mit 41 Prozent (gegen 59 Prozent für Macron) zurück – und attackierte den Sozialliberalen von Beginn an heftig.

„Herr Macron ist der Kandidat der wilden Globalisierung, der Uberisierung, der Prekarität, der sozialen Brutalität, des Krieges aller gegen alle, der wirtschaftlichen Plünderung“, sagte Le Pen zu Beginn der Fernsehdebatte. Zudem bezeichnete sie den früheren Wirtschaftsminister als „Erben“ des – höchst unpopulären – Präsidenten Hollande.

Der Favorit in der Stichwahl um das Präsidentenamt, die am Sonntag stattfindet, ließ sich davon nicht einschüchtern. Er konterte, Le Pen sei die Erbin eines rechtsextremen Vaters und einer ebensolchen Partei. Die Kandidatin habe selbst das Vichy-Regime und die Vel d’Hiv-Razzia gegen Tausende Juden relativiert. Le Pen wandte ein, sie habe nur das Gleiche gesagt wie Charles de Gaulle. „Lassen Sie de Gaulle in Ruhe“, herrschte Macron sie an, offensichtlich bemüht, Le Pen Paroli zu bieten.

„Sie lügen dauernd!“

In der Folge blieben sich die beiden Präsidentschaftsbewerber nichts schuldig. „Sie sollten weniger arrogant sein“, meinte sie, um von ihm zu hören: „Sie lügen dauernd!“ Er sagte ihr auf den Kopf zu: „Sie geben viele Dummheiten von sich.“ Sie erwiderte, er beleidige andere und sei ein „Heuchler“.

Die beiden Moderatoren hatten Mühe, die Streithähne zu trennen und auch nur ihre eigenen Fragen zu stellen. Die politischen Positionen gingen in dem verbalen Schlagabtausch zeitweise fast unter. Macron wirkte im ökonomischen Teil überzeugender, da er auch die Finanzierung seines Projektes ansprach; Le Pen punktete eher beim Thema Terrorismus, indem sie erklärte, sie wolle nicht wie Macron auf die Attentate reagieren, sondern sie verhindern, indem sie die Gefährder mit ausländischem Pass des Landes verweise. Im gleichen Atemzug warf sie Macron vor, er werde von Islamisten unterstützt.

Die meisten Franzosen haben ihre Wahl getroffen

Beim zentralen Wahlkampfthema Europa versuchte Macron, Le Pen auf ihre unklaren Aussagen im Bezug auf einen Euro-Ausstieg Frankreichs festzunageln. In die Enge gedrängt, verhedderte sich die Front-National-Kandidatin in Erklärungen über eine neue Währung. „Ihr Herumbasteln macht keinen Sinn“, resümierte Macron, musste sich dann aber selber dagegen verteidigen, eine „föderale“ EU anzustreben und sich dem Willen Berlins zu unterwerfen.

So aggressiv das TV-Duell ausfiel, wurde ihm doch die wahlentscheidende Wirkung abgesprochen. Laut einer Online-Umfrage der Zeitung Le Figaro wussten schon 86 Prozent der Teilnehmer vor der Sendung, wie sie am Sonntag abstimmen wollen. Die Unsicherheit des ersten Wahlgangs – vor dem sich ein Drittel der Wähler nicht festgelegt hatte – scheint überwunden zu sein. Das heißt nicht, dass Macron auf jeden Fall gewinnt. Aber die Meinungen scheinen in Frankreich weitgehend gemacht.

Ein Erfolg für Le Pen

Umso konsternierter verfolgten die Franzosen das Hickhack der beiden Kandidaten. Von der Feierlichkeit früherer Debatten zwischen ehrwürdigen Kandidaten blieb nicht viel übrig. Macron und Le Pen haben beide erstmals das Finale der Präsidentenwahl erreicht. Für Le Pens Partei, den Front National, war es überhaupt eine Premiere; ihr Vater Jean-Marie Le Pen hatte zwar 2002 die Stichwahl erreicht, doch weigerte sich darauf sein Rivale Jacques Chirac, mit dem Rechtsextremisten die Klingen zu kreuzen.

Das von den beiden größten Sendern TF1 und France-2 live übertragene und vom Medienaufsichtsrat CSA streng beaufsichtigte Duell führte vor Augen, wie frontal die Positionen des Proeuropäers Macron und der Nationalistin Le Pen aufeinanderprallen. Und es zeigte sich, wie sehr sich die Zeiten in Frankreich geändert haben: Der Front National ist aus dem Schmuddeleck der Republik getreten und kann seine Ideen heute wie eine normale Partei vertreten. Die zweieinhalbstündige TV-Sendung war für Le Pen schon deshalb ein neuer Erfolg, bevor sie auch nur begonnen hatte.