Hier wohnt der Musketier. Foto: Sobik

Das reale Vorbild für d’Artagnan stammt aus der Gascogne. Der Westen Frankreichs feiert die Musketiere immer im August mit einem Fest.  

Lupiac - Bei d’Artagnan ist niemand zu Hause: alles dunkel. Josette Ribeiro hat ihr Gasthaus Auberge d’Artagnan im 312-Einwohner-Örtchen Lupiac in der Gascogne vor über vier Jahren geschlossen. Seitdem sucht sie einen neuen Pächter. Oder einen Käufer. Jemanden, der das kleine Hotel mit Bar und Gaststube im Geburtsort des legendären Musketiers d’Artagnan wieder eröffnen mag und darauf setzt, dass schon bald mehr Fremde hierherkommen - in den bäuerlichen Landstrich mit seinen sanften Hügeln, den saftigen Weiden und den Weinfeldern im Pyrenäen-Vorland weit im Westen Frankreichs. Eines Tages, hoffen die Leute in Lupiac, werden die Kurzurlauber kommen, auf den Spuren des berühmtesten Sohnes der Gegend.

128-mal ist die Story bereits verfilmt worden

Charles de Batz jedenfalls, genannt d’Artagnan und geboren irgendwann zwischen 1610 und 1612 auf Schloss Castelmore direkt vor den Toren von Lupiac, ist das reale Vorbild des literarischen Leibwächters von König Ludwig XIII., den Alexandre Dumas mit wehendem Umhang, flottem Degen und der richtigen Portion Lausbuben-Charme durch seinen Roman „Die drei Musketiere“ fechten lässt. 128-mal ist die Story bereits in wechselnden Besetzungen verfilmt worden. Ob in Frankreich selbst, anderswo in Europa, in den Hinterhöfen Amerikas oder den Vorstädten in Fernost kämpfen Jungs mit Holzschwertern und Plastikdegen im Kostüm ihres Idols - bis sie irgendwann aus der Maskerade herauswachsen und neue Helden finden. Von Lupiac aber hat noch kaum einer gehört. Das soll sich ändern. Denn jeden Sommer steigt nun das D’Artagnan-Festival, am heutigen 11. August zum zweiten Mal. Es soll für Jobs sorgen und, ganz nebenbei, helfen, einen neuen Betreiber für das Dorfgasthaus zu gewinnen. Ehrenamtlich haben die Frauen des Ortes monatelang an den Kostümen geschneidert.

Am Tag des Festes wird das ganze Dorf für Autos gesperrt und alles so aussehen wie zu d’Artagnans Lebzeiten. Aus Paris kommt eine kostümierte Fechter-Truppe, dazu ein Trupp Schaureiter, während die Barock-Musikanten sich wiederum aus den Einwohnern rekrutieren. Andere Leute aus dem Dorf kochen, backen und verkaufen all das, was es Mitte des 17. Jahrhunderts auch schon gab und was noch heute ins Ambiente passt. Warum das alles? Weil die Arbeitslosigkeit hoch ist. Weil das Dorf eine Attraktion braucht, auffallen will und offenbar allein dadurch, dass es malerisch ist, nicht genügend Menschen anzieht. Ein liebevoll ausstaffiertes D’Artagnan-Museum in einer alten Kapelle und ihrem Nebengebäude am Ortseingang gibt es bereits - mit Souvenirshop, wo Kinder Plastiksäbel für zehn, Schilde für zwölf oder eine goldene Königskrone aus Kunststoff für acht Euro erstehen oder sich von den Eltern schenken lassen können.

Über seine Jugend weiß man wenig

Yves Rispat sieht dem Fest gelassen entgegen. Ob er mitmachen wird? „Na klar“, sagt er. Dabei ist ihm d’Artagnan auch an jedem anderen Tag des Jahres nahe. Schließlich wohnt er in dessen Haus, ist heute der Schlossherr im Château Castelmore, wo jener Charles de Batz vor gut 400 Jahren zur Welt gekommen ist. Über seine Jugend weiß man wenig, aber überliefert ist, dass er ab 1640 in den Annalen der Musketiere auftaucht

. Zwei seiner Onkel hatten dem König bereits zuvor in dieser Funktion gedient, und weil ein bekannter Name von Vorteil ist, nannte er sich fortan nach der mütterlichen Linie der Familie ebenfalls d’Artagnan. In der Hauptstadt hatte das auf Anhieb mehr Klang als „de Batz“. Er brachte es zum Leibwächter des Königs, zum Anführer der Musketiere und fiel am 25. Juni 1673 in der Schlacht von Maastricht. Warum Dumas die Handlung seines Musketier-Romans, der 1843/44 erstmals erschien, um gut 20 Jahre nach hinten versetzte und am Hofe König Ludwigs XIII. spielen ließ, ist nicht bekannt. Dumas jedenfalls war es, der d’Artagnan das erste Denkmal setzte. Und die Filmemacher des 20. Jahrhunderts waren es, die es immer wieder aufs Neue polierten.

Auch für liebevollen Spott war dabei Platz - vor allem in einer erfolgreichen Fernsehverfilmung mit Michael York, Oliver Reed und Raquel Welch. Dort wird immer wieder über die Rauflust und Trinkfestigkeit der Gascogner gescherzt, über ihre in der Hauptstadt so unpassende Bäuerlichkeit. Zugleich ist der Film eine Verbeugung vor ihrem ausgeprägten Ehrgefühl und ihrer Tapferkeit. Die Einwohner von Lupiac können bestens mit diesen Klischees leben. Was zwischen den Events bleibt, sind die frisch gestrichenen Fassaden am Platz, ist das restaurierte Rathaus - und es ist der Gemeinschaftsgeist, dieses Einstehen füreinander, diese Bereitschaft, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und für den eigenen Ort zu trommeln. Mit ein bisschen Glück findet sich daraufhin sogar bald jemand, der Josette Ribeiro nach dem Schlüssel für die Auberge d’Artagnan fragt und den stillgelegten Gasthof übernehmen will.

So wird das Reisewetter in Europa

Infos zu Frankreich

Anreise
Flüge nach Toulouse mit Air France ( www.airfrance.com ) oder Lufthansa ( www.lufthansa.com ), Infos zur Zuganreise über www.bahn.de

Unterkunft
Übernachtung z. B. im Hotel Château de Larroque bei Gimont, das aus der Zeit von d’Artagnan stammt und zum Hotel-Verbund Relais du Silence ( www.relaisdusilence.com ) gehört, ab 95 Euro pro Doppelzimmer.

Allgemeine Infos
Atout France, Französische Zentrale für Tourismus, http://de.franceguide.com , www.tourismus-midi-pyrenees.de , www.tourisme-gers.com , www.lemondededartagnan.fr .

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