Am Mont-Saint-Michel wird fleißig gebaut. 2015 soll der alte Straßendamm Geschichte sein. Foto: Bock

Die Bucht um den berühmten Felsen Mont-Saint-Michel verlandet immer mehr. Nun will der französische Staat wieder ein Eiland machen.

Mont-Saint-Michel - Der Souvenirhändler zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Neuere Motive gibt es leider nicht.“ Die Ansichtskarten, die zu Hunderten in den Ständern stecken, zeigen einen der berühmtesten Berge der Welt umringt von Autos. Doch der derzeitige Blick auf den Mont-Saint-Michel sieht ganz anders aus. Die Parkplätze zu Füßen des Unesco-Weltkulturerbes in der Normandie sind seit kurzem verschwunden. Dafür breitet sich dort eine gewaltige Baustelle aus. Der nicht einmal 100 Meter hohe Hügel im nordfranzösischen Wattenmeer, geschmückt von uralten Gassen und gekrönt von einer Abtei, genießt Weltruf. Drei Millionen Besucher kommen pro Jahr, mehr verzeichnet in der Grande Nation nur der Eiffelturm in Paris.

Seit 1300 Jahren ist der Felsen an der Küste Ziel von Pilgern, Träumern und Philosophen. Doch er hat ein Problem: Er ist keine Insel mehr. Mit jedem Jahr verlandet die berühmte Bucht mehr. Sandmassen setzen sich dort ab und entreißen dem Meer Meter um Meter. Dieses natürliche Phänomen wird durch den Menschen verstärkt. Seit 1879 verbindet ein Damm den Berg mit dem Festland, riesige Parkplätze sind direkt vor den Toren entstanden. Immer weniger Sand wird so bei Flut ins offene Meer hinausgespült.

Die maritime Umgebung zurückgeben

Heute ist der Mont-Saint-Michel nur noch an 50 Tagen im Jahr annähernd von Wasser umschlossen. Das soll sich ändern. „Wir wollen dem Berg seine maritime Umgebung zurückgeben“, sagt ein Sprecher des Syndicat Mixte Baie du Mont Saint-Michel. In dieser Vereinigung sind die EU, der französische Staat sowie die angrenzenden Regionen vertreten - und lassen sich nicht lumpen. Rund 200 Millionen Euro fließen in die Inselpläne. Ein Vorhaben, das die französische Zeitung „Le Monde“ ein „Projekt von pharaonischen Ausmaßen“ nennt. Frei nach dem Schriftsteller Victor Hugo, der einmal sagte: „Der Mont-Saint-Michel ist für Frankreich das, was die große Pyramide für Ägypten ist.“

Seit 2005 laufen die Arbeiten. Eine tragende Rolle spielt dabei der launenhafte Grenzfluss Couesnon. Der hatte einst seinen Lauf verändert und den berühmten Berg auf diese Weise von der Bretagne in die Normandie gebracht. Jetzt sollen seine gebündelten Kräfte den Mont wieder zur Insel machen. Seit vier Jahren regelt ein Gezeitendamm den Wasserfluss. Bei Flut sammeln sich dahinter die Wassermassen, die bei Ebbe entfesselt werden. Sie sollen mehr Sedimente ins Meer spülen. Zugleich werden Fluss und Bucht an mehreren Stellen ausgebaggert. Zuletzt sind die riesigen Stellflächen am Berg verschwunden. Ein Großparkplatz für 4200 Fahrzeuge auf dem Festland, knapp drei Kilometer entfernt, ersetzt sie. Die Besucher können seither mit Pendelbussen, Kutschen oder zu Fuß zu ihrem Ziel gelangen.

Bis 2015 soll der alte Straßendamm Geschichte sein

Auch ein modernes neues Besucherzentrum ist am Rande der Bucht entstanden. Doch das ist nur eine Vorstufe. Bis zum Jahr 2015 soll der alte Straßendamm Geschichte sein. Dann ändert der Mont seine Ansicht endgültig. Ein neuer, deutlich kürzerer Damm dient als Zubringer zu einer luftigen Brückenkonstruktion, die die letzten 800 Meter überspannt. Darunter soll das Wasser ungehindert zirkulieren können. Die Eröffnung ist bereits für das nächste Frühjahr geplant - und der Sprecher kündigt schon einmal „spektakuläre neue Ausblicke“ an. Bis dahin bestimmen die Bauarbeiter das Bild. Teile der Brückenkonstruktion, die später Fußgänger und Busse gleichermaßen tragen soll, stehen bereits. Die schöne neue Inselwelt gefällt jedoch nicht jedem. Erst Mitte Juli haben 45 Mitarbeiter der Abtei einen mehr als achtwöchigen Streik beendet.

Sie bemängeln, dass die neuen Zubringerbusse viel zu weit vom Eingangstor entfernt hielten, so dass Beschäftigte wie Besucher lange Wege zurücklegen müssten. Gerade für Behinderte sei das unzumutbar. Zudem stößt ihnen sauer auf, dass die Parkgebühren zeitgleich von 8,50 Euro auf zwölf Euro erhöht worden sind. In der Zeit des Streiks blieb die gewaltige Klosteranlage entweder ganz geschlossen oder war ohne Eintrittsgebühr zu besichtigen. Den französischen Staat hat das mehrere Hunderttausend Euro gekostet. Viele Gastronomen und Händler auf der Insel erklärten sich solidarisch mit den Streikenden und dekorierten den gesamten Berg mit weithin sichtbaren Transparenten. Abgenommen wurden sie nur für die Zielankunft bei der Tour de France dieses Jahr am 10. Juli.

„All die Umbaumaßnahmen“, sagt die Betreiberin eines Cafés, „kosten uns auf Dauer Besucher und gefährden damit unsere Lebensgrundlage.“ Und tatsächlich ist die Gästeschar 2012 um ein Viertel zurückgegangen. Ob die Besucher nach dem Ende der Arbeiten wieder strömen wie das entfesselte Meer, das wagt derzeit niemand abzuschätzen. Vorerst wollen die Beschäftigten der Insel aber zähneknirschend die Füße still halten. Beendet haben sie den Streik nach 44 Tagen durch einige Zugeständnisse. So soll es in Zukunft spezielle Zubringerbusse geben, die für die Anwohner, Arbeiter und Angestellten auf dem Berg reserviert sind und sie direkt zum Tor fahren. Den Besuchern hilft das noch nicht. Aber sie dürfen sich aufs Frühjahr freuen. Dann sollen die Erinnerungen an verstopfte Parkplätze Vergangenheit sein - wenn der Berg dem Meer zurückgegeben ist. Der richtige Zeitpunkt, um auch die Ansichtskartenmotive auf den neuesten Stand zu bringen.

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Infos zur Normandie

Anreise
Der Mont-Saint-Michel ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Von Paris aus fährt der Schnellzug TGV bis Rennes oder Dol de Bretagne ( http://de.voyages-sncf.com ). Weiter geht es mit dem Bus direkt zum Berg oder mit dem Zug bis zum Städtchen Pontorson ganz in der Nähe. Der nächste Flughafen befindet sich in Rennes. Anfahrt mit dem Auto über Paris, Le Mans oder Caen und die Autobahn 84.

Unterkunft
Es gibt innerhalb der Mauern mehrere Hotels, in denen Gäste den ganz besonderen Charme der Abend- und Nachtstunden genießen können - und entsprechend bezahlen müssen.

Urig: La Vieille Auberge, DZ ab 120 Euro, www.lavieilleauberge-montsaintmichel.com .

Reichliche Hotelauswahl in allen Preiskategorien auf dem nahen Festland. www.normandie-tourisme.fr

Aktivitäten
Besonders für Kinder, aber auch für alle anderen sind geführte Wattwanderungen ein Erlebnis, bei denen man den Mont-Saint-Michel von der Meerseite aus erreicht. Mehrere Anbieter haben verschiedene Strecken und Ausgangspunkte im Programm. Französischkenntnisse helfen, es gibt aber vereinzelt auch Touren in englischer Sprache. Preisgünstig und kompetent zum Beispiel: www.cheminsdelabaie.com .

Allgemeine Informationen
Tourismusbüro, Boulevard Avancée, 50170 Mont-Saint-Michel www.ot-montsaintmichel.com . www.bienvenueaumontsaintmichel.com

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