Beliebte Attraktion in Nantes: Der zwölf Meter hohe eiserne Elefant. Foto: Bisping

Nantes beeindruckt mit prachtvollen Villen, Schlössern und spektakulären Maschinen.

Nantes - Langsam setzt der Elefant sich in Bewegung. Mit den Ohren schlagend, steuert er geradewegs auf eine Gruppe Touristen zu. Doch niemand rennt weg. Die Friedfertigkeit des einzigen freilaufenden Elefanten Nantes’ gilt als erwiesen. Schließlich besteht er seinen lebensechten Bewegungsabläufen zum Trotz eindeutig aus Metall. Mit bis zu vier Kilometern pro Stunde trägt der von einem Führer gesteuerte Elefant die Besucher der Île de Nantes vom Loire-Ufer bis zur „Galerie der Maschinen“ in einer ehemaligen Werfthalle.

Die Bewegungen sind lebendigen Artgenossen perfekt nachempfunden

Anfangs konnte sich auch in Nantes niemand etwas Rechtes unter dem Projekt Les Machines de l’Île vorstellen. Event-Spezialist Pierre Oréfice und Maschinen-Designer François Delarozière hatten die Vision, die brachliegende Werftanlage auf der von zwei Armen der Loire umschlossenen Île de Nantes wiederzubeleben - und zwar ausgerechnet mit Maschinen. Diese sollten nichts Geringeres vollbringen als im Geiste Jules Vernes, des berühmtesten Sohns der Stadt, die verödete Industriefläche in ein Reich der Fantasie zu verwandeln. 2007 setzte sich die erste Maschine unter lautem Zischen in Bewegung: le grand elephant, ein gewaltiger Elefant. Zwölf Meter hoch und 50 Tonnen schwer, trägt er bis zu 45 Personen auf seinem Rücken. Geradezu verblüffend ist seine Motorik. Die Bewegungen des Rüssels, der sogar Wasser versprüht, das Blinzeln seiner Augenlider - das alles ist den Bewegungen lebendiger Artgenossen perfekt nachempfunden.

Das größte Kunststück des Elefanten aber ist, der Atlantikmetropole, die unter der Schließung ihrer Werften im Jahr 1987 schwer gelitten hatte, neues Selbstvertrauen gegeben zu haben. Jeder im Bereich der Loire-Mündung liebt das Tier, das eigentlich eine Maschine ist. Sonntags ist sein Terrain ein beliebter Treffpunkt. Dabei ist er nur der Anfang. Im Juli geht mit den „Wasserwelten“ die zweite Riesenmaschine an den Start, ein 25 Meter hohes Karussell. 2016 folgt der 25 Meter hohe „Baum der Reiher“ mit 4000 Blumenkübeln an den Ästen und zwei beweglichen Reihern, die jeweils 35 Menschen transportieren - zum Café in der Krone des Baumes.

Jules Verne wäre stolz auf seine Stadt

Pläne und Modelle zu diesen gigantischen Spielzeugen sind schon jetzt in der „Galerie der Maschinen“ zu sehen. In der alten Lagerhalle ist ein ganzer Zoo maschinenbetriebener Seeungeheuer versammelt, wie sie auch 80 000 Meilen unter dem Meer anzutreffen sein mögen. Kraken, Riesenfische, Meeresschlangen - der skurrile Tierpark beweist, dass Technik und Fantasie einander nicht ausschließen. Jules Verne, der 1828 in einem Haus am Cours Olivier de Clisson im alten Reederviertel zur Welt kam, wäre stolz auf seine Stadt.

Mit Krisen kennt sich die am Zusammenfluss von Loire, Erdre und Sèvre gelegene Metropole nicht erst seit dem Ende ihrer Weften aus. Bis 1532 war Nantes stolze Hauptstadt der Bretagne. Seit den 50er Jahren gehört sie indessen nicht einmal mehr zur Region, sondern ist Verwaltungssitz des neu geschaffenen Pays-de-la-Loire - was gefestigte Bretonen bisweilen dazu bringt, zornig zur Sprühflasche zu greifen und Ortsschilder mit dem Zusatz „en Bretagne“ zu versehen.

Anne de Bretagne wurde mit zwölf Jahren die letzte Herzogin der Bretagne. Ihr kam es zu, den Konflikt zwischen Herzogtum und Königreich zu lösen, indem sie - nacheinander - gleich zwei Könige von Frankreich heiratete, den ersten im Alter von 14 Jahren.

Mit 21 hatte Anne bereits sechs Kinder

Annes Biografie kann als Beispiel für die Wucht gelten, mit der die Erfordernisse von Erbmonarchien Lebenswege zu formen vermochten. Mit 21 hatte Anne, die nur 37 Jahre alt werden sollte, bereits sechs Kinder aus ihrer ersten Ehe mit Karl VIII. verloren. Von den fünf Kindern aus der Ehe mit Ludwig XII. überlebten nur zwei Töchter. Als Königin von Frankreich wurde Anne in Saint-Dénis bei Paris begraben, doch die loyale Bretonin verfügte vor ihrem Tod, dass ihr Herz in Nantes im Grab ihrer Eltern in der Kathedrale ruhen sollte. Allein dank dieser Kathedrale, die das strahlend weiße, aus Marmor geschlagene Renaissance-Grabmal der letzten Herzöge der Bretagne beherbergt, dank des mittelalterlichen Viertels mit der Taufkirche von Jules Verne und dem Schloss der bretonischen Herrscher gehört Nantes zu den sehenswerten Städten Frankreichs.

Zwar brachte der Niedergang des Schiffbaus schwere Zeiten. Doch heute ist der Strukturwandel geschafft - die Airbus-Werke hier und in Saint-Nazaire an der Küste trugen ebenso zu einer neuen Blüte bei wie Lebensmittel- und Metallverarbeitung und die Universität. Fast nebenbei hat sich die sechstgrößte Stadt Frankreichs den Titel Grüne Hauptstadt Europas 2013 verdient: als Auszeichnung für die gelungene Verbindung von wirtschaftlichem Wachstum und Umweltschutz sowie hoher Lebensqualität.

Auch Nantes profitierte im 18. Jahrhundert vom Sklavenhandel

Für Urlauber ergibt sich aus alldem geradezu die Verpflichtung, die 60 Kilometer entfernte Küste links liegen zu lassen. So viel ist in Nantes zu tun: in der schicken Rue Crébillon die Boutiquen durchsuchen; die schöne Passage Pommeraye bewundern, einen lichtdurchfluteten Vorläufer moderner Einkaufszentren aus dem 19. Jahrhundert mit hölzernen Böden, schmiedeeisernen Geländern und exklusiven Geschäften; und durch die Straßen des traditionellen Kulturviertels Graslin schlendern, dessen Straßen die Namen von Schriftstellern tragen und die heute auch die Heimat wunderbarer Geschäfte sind. Zu ihnen zählen Süßigkeitenspezialisten wie die Confiserie Georges Gautier, wo schon der kleine Jules Verne an der Hand seiner Mutter einkaufen ging und wo es bis heute die berühmten „Mascarons Nantais“ gibt, Schokoladenpralinen mit Krokant. Später eröffnete die Confiserie Les Rigolettes Nantaises an der Rue de Verdun. Ihre Spezialität, die gegrillten Nasen „nez grillées“ aus Karamell, gesalzener Butter und Schokolade, sollen ihren Namen dem verbalen Erbe der Sklavenhändler verdanken.

Ihre Beziehung zu Nantes arbeitet das Stadtmuseum im Schloss der Herzöge der Bretagne auf. Wie die Küstenstädte La Rochelle und Bordeaux profitierte auch Nantes ab dem 18. Jahrhundert vom Sklavenhandel. Im Handelsdreieck zwischen Europa, Westafrika und der Karibik wurden Alkohol, Stoffe, Waffen und Glitzertand nach Afrika verschifft und dort gegen Sklaven getauscht, die man auf den Antillen verkaufte. Der Erlös - Indigo, Schokolade, Kaffee und Zucker - brachte daheim in Frankreich Riesengewinne. Erst mit der Abschaffung des Sklavenhandels im 19. Jahrhundert ging dieses Kapitel der Stadtgeschichte zu Ende - Nantes musste mal wieder umdenken. Fortan füllten die Fabrikanten Thunfisch und Sardinen in Dosen oder stellten Kekse und Süßigkeiten her.

Infos zu Nantes

Anreise
Die einzige Direktverbindung aus Deutschland bietet Air France ab Düsseldorf, Ticket ab 89 Euro ( www.airfrance.de).

Galerie der Maschinen
Galerie der Maschinen: Les Chantiers, Boulevard Léon-Bureau. April bis Juni und September bis Oktober täglich außer montags von 10 bis 17 geöffnet, im Juli und August täglich von 10 bis 20 Uhr, sonst Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr; Januar bis Mitte Februar geschlossen. www.lesmachines-nantes.fr

Unterkunft und Essen
Das Hotel Pommeraye liegt zentral in der Fußgängerzone (liebevoll angerichtetes Frühstücksbüfett aus lokalen Produkten). DZ ab 129 Euro. www.hotel-pommeraye.com

Im Restaurant Le Square stehen kreative Varianten zeitloser Klassiker auf der Karte. (14 rue Jemmapes, www.squarenantes.com). Ein Besuch der Traditionsbrasserie La Cigale ist für die Augen ein Genuss (4 Place Graslin, www.lacigale.com).