Annette Widmann-Mauz: Wahlrechtsreform soll Chancen für Frauen verbessern Foto: dpa

In Frankreich erhalten Parteien weniger Geld, wenn sie bei Wahlen die gesetzlichen Vorgaben nach einer Frauenquote nicht einhalten. Das könnte sich Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) auch für Deutschland vorstellen.

Stuttgart - In der französischen Nationalversammlung sind 38,7 Prozent der Abgeordneten Frauen, in den Bundestag schafften es 2017 hingegen nur 30,9 Prozent, so wenige wie seit 1994 nicht mehr. Noch schlechter sieht es im Südwesten aus. Bei der Landtagswahl 2016 waren unter den 143 Abgeordneten 35 Frauen – das sind 24 Prozent.

Das möchte Annette Widmann-Mauz ändern. „Frankreich hat sich per Gesetz zur Parität verpflichtet – und die Durchsetzung mit der Wahlkampfkosten-Erstattung verknüpft“, sagt die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Ein solches Modell könnte sich die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Tübingen und Bundesvorsitzende der Frauenunion auch für Deutschland vorstellen. „Manches entscheidet sich am Ende eben auch über das Geld.“ Wenn der Bundestag über eine Änderung des Wahlrechts diskutiere, dürfe es nicht nur um die Zahl der Sitze gehen, sondern auch darum, „wer auf diesen Sitzen Platz nimmt“.

CDU sieht keinen Handlungsbedarf

Frankreich hat 2000 ein Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Politik verabschiedet, um den gleichberechtigten Zugang von Männern und Frauen zu Wahlmandaten und Wahlämtern zu fördern. Seitdem erhalten Parteien weniger Geld, wenn sie die gesetzlichen Vorgaben nach einer Frauenquote nicht einhalten.

Bei den Abgeordneten im Stuttgarter Landtag werden die Überlegungen von Widmann-Mauz unterschiedlich aufgenommen. „Es ist eine Einzelmeinung, die bisher nirgendwo beraten wurde“, sagt Thomas Oeben, Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Die Wahlkampfkostenerstattung werde durch Bundesrecht geregelt. Widmann-Mauz könne dies aber „beim Bundesparteitag jederzeit als Vorschlag und ebenso in den Berliner Regierungsfraktionen einbringen, zumal man dort über eine Verkleinerung des Bundestages nachdenkt“. Für die CDU-Abgeordneten im Stuttgarter Landtag ist das Thema Wahlrecht in dieser Legislaturperiode kein Thema mehr. Zu Beginn des Jahres hatten sie die im Koalitionsvertrag mit den Grünen vereinbarte Reform abgelehnt, die mehr Frauen ins Parlament bringen sollte.

Grüne wünschen sich Gesetzentwurf

„Wir kommen gerne ins Gespräch über den Vorschlag der CDU-Staatsministerin, das Durchsetzen von Chancengleichheit mit der Wahlkampfkosten-Erstattung zu verknüpfen und erwarten die Vorlage eines konkreten Gesetzesentwurfes“, sagt hingegen Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Das Parlament müsse die gesamte Breite der Gesellschaft abbilden. Bei den Grünen gibt es schon immer eine Frauenquote – auf den Listen kandidieren abwechselnd Frauen und Männer: Von den Grünen-Abgeordneten im Landtag sind 47 Prozent Frauen, in der Bundestagsfraktion sind es 58 Prozent.

„Eine Analogie zum Parité-Gesetz Frankreichs ist in Deutschland wohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich“, meint hingegen SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Dazu gebe es eine „sehr eindeutige Haltung in Wissenschaft und Rechtsprechung“. Um den Frauenanteil in Parlamenten deutlich zu erhöhen, sei eine Änderung des Wahlrechts möglich, „ die ja von Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag vereinbart und dann wieder abgeblasen wurde“. Die SPD habe schon vor Jahren Quoten bei der Kandidatenauswahl und Listenaufstellung eingeführt. In Baden-Württemberg nützt das wenig, weil es keine Landeslisten gibt.

Regelung verfassungswidrig?

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich hält eine solche Regelung für verfassungswidrig. „Der Blick über den Rhein ist für Frau Widmann-Mauz vielleicht ein Trost, sie sollte aber lieber ihren eigenen Parteifreunden im Land auf die Finger schauen.“ Die FDP sei immer offen für Weiterentwicklungen im Landtagswahlrecht.

„Die AfD sagt nein zu jeglichem Zwang. Die oder der Beste möge gewinnen und nicht die Quote“, erklärt dagegen AfD-Vizefraktionschef Emil Sänze. Kein Landtags-Wahlverfahren in Deutschland sei „basisorientierter und geschlechterübergreifender angelegt als unseres in Baden-Württemberg, die Basis der Kreisverbände entscheidet in freien Wahlen über ihre Kandidaten.“

Das sieht die Tübinger Politikprofessorin Gabriele Abels anders. „Hauptgrund für die ungleiche Verteilung der Mandate ist das Wahlrecht.“ Vor allem zähle, ob Frauen eine Chance haben, auf aussichtsreichen Plätzen nominiert zu werden. „Parteiinterne Frauenquoten laufen wegen der Direktmandate häufig ins Leere.“ Besser wären aus ihrer Sicht geschlossene, möglichst paritätisch besetzte Listen.