So sah es auf der Buchmesse vor Corona aus, so ähnlich könnte es bald wieder werden. Foto: dpa/Jens Kalaene

Mit vorsichtigem Optimismus und freudigem Trotz blickt die literarische Welt auf die Frankfurter Buchmesse, die in dieser Woche beginnt. Hinter ihr liegt ein Jahr, in dem vieles nicht so schlimm kam wie befürchtet. Schwierig war es trotzdem.

Stuttgart - Zumindest was die Zahlen angeht, scheint die Branche, die in dieser Woche in Frankfurt endlich wieder zusammenkommt, die Pandemie einigermaßen glimpflich überstanden zu haben. Trotz Lockdown und den damit verbundenen Einschränkungen ist der Buchmarkt im vergangenen Jahr stabil geblieben. Lesen hat sich gegen die Konkurrenz gestreamter Vergnügungen behauptet. Und besonders erfreulich: Gerade junge Leute scheinen in der Krise das Buch für sich entdeckt zu haben. Schon aus hygienischen Gründen wäre es also nicht angemessen, sich allzu ausführlich die Wunden zu lecken, wenn sich am Mittwoch die Buchmesse als physisches Ereignis, wenn auch in erheblich abgespeckter Form und unter strengen 3-G-Regeln, zurückmeldet.

 

„Reconnect“ – wiederverbinden – lautet das Motto. Unter den Verlagsleuten, mit denen man spricht, scheint man dem Comeback mit vorsichtigem Optimismus und freudigem Trotz entgegenzusehen. Bei der Pressesprecherin des Hanser-Verlags, Christina Knecht, klingt das dann so: „Kaum Aufenthalts- oder Gesprächsmöglichkeiten am Stand, minimalste Standbesetzung, stark eingeschränktes Veranstaltungsprogramm, unbeschäftigte Autorinnen und Autoren . . . but hey! It’s Buchmesse, stupid! Ich freue mich darauf!“

Rückkehr zur Normalität

Nun hat Hanser in diesem Jahr allen Grund zur Freude. Bei dem an diesem Montag vergebenen Deutschen Buchpreis stehen gleich drei Titel des Münchner Traditionshauses zur Auswahl. Hanser teilt sich auf der Messe in diesem Jahr einen Gemeinschaftsstand mit anderen Verlagen, Beck, Aufbau und Suhrkamp. Auch Regina Steinecke von Rowohlt ist froh, dass es endlich wieder losgeht. „Mit dem modifizierten Programm, der Mischung aus physischen und hybriden Veranstaltungen ist das zwar noch keine Rückkehr zur gewohnten Normalität“, sagt die Rowohlt-Sprecherin, „aber die Messe ist ein so wichtiges Forum für unsere Autorinnen und Autoren; es ist der Ort, wo sie ihre Bücher präsentieren und wo über Literatur gesprochen wird – mit Lesern, Buchhändlern und Kritikern.“

Eine der Rowohlt-Autorinnen ist Lena Gorelik. Im Frühjahr erschien ihr Roman „Wer wir sind“, der die Geschichte ihrer Familie erzählt und in dem sich Schreiben und Leben gegenseitig durchdringen. Auf der Leipziger Messe, beziehungsweise dem, was von ihr übrig blieb, hat sie erlebt, was eine Messe ohne Publikum bedeutet.

Prekäre Bedingungen für Autorinnen und Autoren

Mit dem ersten Lockdown verlor sie Verdienstmöglichkeiten durch Lesungen, Veranstaltungen, Schreibwerkstatt. „So fiel der Versuch, an meinem Roman zu schreiben, was bekanntermaßen Ruhe, Rückzug und Inspiration benötigt, mit finanziellen Sorgen und den Matheaufgaben der Kinder zusammen“, erzählt die Autorin, „irgendwann einmal habe ich die Veröffentlichung des Romans verschoben: Weil mir klar geworden ist, dass ich die richtigen Worte in diesem Durcheinander, dieser Ausnahmesituation nicht finden werde.“

Dass die Lage am Buchmarkt stabil geblieben ist, muss nicht heißen, dass er gesund ist. Die Pandemie hat gezeigt, unter welchen prekären Bedingungen die arbeiten, von denen alles ausgeht. „Das Coronajahr wird Autorinnen und Autoren noch lange begleiten“, sagt die Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftsteller, Lena Falkenhagen. „Programme von Verlagen wurden verkleinert, Vorschüsse reduziert, Newcomer haben es im Augenblick schwer auf dem Markt.“ Wohl haben die beiden Milliarden der Staatsministerin für Kultur und Medien geholfen, aber im Gießkannenprinzip. Falkenhagen würde sich wünschen, die Literaturförderung mit allen Beteiligten neu zu denken.

Verpackung statt Inhalt

Auch die ohnehin auf windigem Posten agierenden unabhängigen Verlage wurden von der Krise hart erwischt, und ihre Vertreter klingen nicht ganz so heiter wie die der großen Häuser. Manfred Metzner vom Heidelberger Wunderhorn-Verlag beklagt beträchtliche finanzielle Einbußen nicht nur wegen der abgesagten Messen in Frankfurt und Leipzig, sondern weil auch Veranstaltungen wie „Wetterleuchten“, der Sommermarkt der unabhängigen Verlage im Stuttgarter Literaturhaus, nicht stattfinden konnten. Und wenn es die unabhängigen Buchhandlungen nicht gäbe, wäre alles wohl noch schlimmer gekommen. „Mit ihrem großen Engagement, ihrer Sachkunde und ihrer Beratungsqualität haben sie den Menschen vor Augen geführt, dass es sich lohnt, seine Bücher genau dort zu kaufen“, sagt der Wunderhorn-Verleger.

Das sonderbarste Problem, das Corona den Verlagen beschert hat, dürfte wohl die grassierende Papierknappheit sein. Auch wegen des stark gestiegenen Online-Handels wird mehr Verpackungspapier benötigt. Die Preise steigen. Ein Argument mehr für den Buchhändler um die Ecke.

Die Buchmesse im Überblick

Hybrid
Die Frankfurter Buchmesse findet vom 20. bis 24. Oktober wieder in Präsenz statt, allerdings immer noch in einer kleinen Ausgabe. Neben den Präsenzangeboten gibt es digitale Elemente, Online-Formate und Livestreams.

Aussteller
Rund 1800 Aussteller aus 74 Ländern nehmen teil – im letzten Jahr vor der Pandemie waren es 7500 Aussteller gewesen.

Programm
Mehr als 200 Autorinnen und Autoren werden vor Ort dabei sein. Auch die Events in der Stadt sind zurück. Die meisten Publikumsveranstaltungen finden auf einer Bühne in der Festhalle statt.

Preise
Zum Auftakt wird an diesem Montag der Deutsche Buchpreis verliehen, zum Abschluss am 24. Oktober der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe.

Gastland
Im Länderpavillon steht als Ehrengast Kanada im Mittelpunkt.

Hygienekonzept
Besuchertickets gibt es 2021 nur online, Zulassungsvoraussetzung für das Messegelände ist die 3-G-Regel. Die Zahl der Besucher ist auf 25 000 pro Tag begrenzt.