Als man keinen Platz mehr für die vielen enteigneten Schätze hat, wird das Palais Rothschild zum Museum II erklärt. Foto: MU/Günzel/Rademacher

Er war einer der reichsten Männer Preußens: Maximilian von Goldschmidt-Rothschild hat als Bankier die Stadt Frankfurt vorangebracht. Sie dankte es ihm schlecht. Von den Nazis betrogen, starb er einsam. Erst jetzt arbeitet das Museum Angewandte Kunst sein Schicksal auf.

Bis auf das „i“ hat sich im Grunde wenig verändert. Heute würde man von Banker sprechen, zu Zeiten von Maximilian Goldschmidt hieß das noch Bankier. Ob mit oder ohne „i“, auch er verdiente mit Bankgeschäften jede Menge Geld. Das ermöglichte Goldschmidt ein Leben, wie es auch heutige Hochverdiener genießen: Er wohnte in einer luxuriösen Immobilie, war in der weiten Welt unterwegs – Paris, London, Berlin. Man dekorierte ihn mit allerhand Ehrentiteln – und irgendwann begann er, in Kunst zu investieren. Maximilian Goldschmidt scheint vor allem das beglückt zu haben, was gülden glänzte. Seine Leidenschaft waren edle Trinkgefäße in Tierform: Eule und Ziegenbock, Eber und Henne und allerhand andere kuriose Kostbarkeiten aus früheren Jahrhunderten.

Der Sammler wird in die Enge getrieben, um an seine Sammlung zu kommen

Ohne den Bankier Goldschmidt, der einer der reichsten Männer Preußens war, hätte es die Stadt Frankfurt vermutlich nicht ganz so weit gebracht. Er steuerte 1914 ein erkleckliches Sümmchen bei, damit die Universität gegründet werden konnte. Er engagierte sich sozial wie kulturell und schenkte Museen Werke. Vor allem das Kunstgewerbemuseum profitierte enorm von Maximilians Engagement im Förderkreis.

Gedankt wurde es ihm schlecht. 1938 kauften die Nazis ihm auf hinterhältige Weise seine Sammlung ab – und deklarierten es später sogar als Rettungsaktion. Man trieb den alten Herrn förmlich in die Enge, warnte vor Plünderungen, damit sich der Oberbürgermeister dann höchstpersönlich bereit erklären konnte, die Sammlung für 2,5 Millionen Reichsmark zu kaufen. Maximilian willigte notgedrungen ein. Von dem Geld hat er nie etwas gesehen.

Das Thema wurde lange unter dem Teppich gekehrt

Wen schert’s? Jahrzehntelang hat es kaum jemanden interessiert, was diesem jüdischen Bankier und Kunstsammler widerfahren ist. Das leidige Kapitel wurde lieber unterm Teppich gehalten. Als in den Museen dann allmählich die Provenienzforschung damit begann, die dunklen Flecken in den deutschen Museumssammlungen aufzuspüren, da gab es so viele andere, auch dramatischere Schicksale, sodass der Fall Goldschmidt unbearbeitet blieb.

Erst jetzt ist das Schicksal der Sammlung aufgearbeitet worden

So blickt das Museum Angewandte Kunst Frankfurt erst jetzt, 85 Jahre später, in einer Ausstellung auf „Die Sammlung von Maximilian Goldschmidt-Rothschild“ – und damit auch auf die eigene unrühmliche Vergangenheit. Denn das Museum am Mainufer ist aus dem einstigen Kunstgewerbemuseum hervorgegangen, das dem Mäzen doch eigentlich so viel verdankte. Jetzt wurde erstmals versucht, zumindest Teile der Sammlung wieder zusammenzutragen und die Ergebnisse der mehrjährigen Provenienzforschung in den eigenen Beständen zu präsentieren.

Der Oberbürgermeister freut sich über die Wertsteigerung

Und so stehen sie nun wieder in Vitrinen, die güldenen Eulen- und Ziegenbock-Trinkgefäße, aber auch antike Figürchen und Meißener Porzellan, böhmische Humpen aus dem 16. Jahrhundert und chinesische Jadeschalen, kleine Damenbildnisse und große Gemälde. Schätze, die verstehen lassen, warum der Oberbürgermeister Friedrich Krebs sich sogar stolz brüstete und 1941 den Frankfurtern vollmundig erklärte, dass die Ankäufe „die einzig richtige Politik“ gewesen seien. Denn die Sammlung sei schon jetzt nach drei Jahren gut „das Zehnfache“ wert. „Wir haben, ohne ein Selbstlob auszusprechen, eine vorsichtige und trotzdem weitsichtige Politik getrieben.“

Über die Person ist wenig bekannt

Da war Maximilian von Goldschmidt-Rothschild bereits tot, er starb 1940 mit 96 Jahren. Seine letzten Jahre fristete er im Dachgeschoss des Palais Rothschild. Immerhin: Nachdem die Nazi ihm auch dieses Anwesen zu einem Schleuderpreis abgeluchst hatten, ließen sie den alten Mann ein paar Zimmer im Dachgeschoss bewohnen, wofür sie freilich eine horrende Miete kassierten.

Aber wer und wie war dieser Maximilian von Goldschmidt-Rothschild überhaupt? Katharina Weiler, die nun mehrere Jahre lang mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste seine Sammlung untersucht hat, konnte wenig über ihn in Erfahrung bringen. Sie ist zumindest auf Postkarten gestoßen, die Maximilian seiner Familie schickte. Diese Grüße ließen auf einen offenbar bescheidenen Menschen schließen, meint sie. In der Ausstellung sieht man den alten Herrn auf einem Foto, eine hagere Gestalt, die in dem schlichten Jackett zu versinken scheint.

Maximilian heiratet in eine der reichsten Familien ein: die Rothschilds

Sicher ist: Geboren wurde er am 20. Juni 1843 als Mayer Benedikt Hayum Goldschmidt in Frankfurt. Auch der Vater war Bankier. Maximilian tritt mit 19 Jahren in das Bankhaus B. H. Goldschmidt ein, das er später gemeinsam mit seinem Bruder Adolf führen wird. Schon als Kind ist er häufig bei der Familie Rothschild zu Besuch – und so heiratet Maximilian 1878 Minna Karoline Freiin von Rothschild. Eine wahrlich gute Partie. Denn durch sie wird er Mitglied einer der reichsten Familien jener Zeit. Als der Schwiegerpapa stirbt, tritt er in dessen Fußstapfen und führte nun nicht nur offiziell den Frankfurter Familienzweig der Rothschilds fort, sondern wird 1902 wie der alte Rothschild zuvor zum kaiserlich und königlich österreichisch-ungarischen Generalkonsul ernannt.

Der Kaiser erhebt ihn in den preußischen Freiherrnstand

Die Frankfurter werden stolz gewesen sein, dass ihre Stadt mit der namhaften Familie Rothschild in Verbindung gebracht wurde. Auch wenn den jüdischen Mitbürgern weniger Rechte gewährt wurden, war man auf das Engagement der reichen Juden angewiesen. Das Stammhaus der Rothschilds wurde 1901 zwar liquidiert, die Familie aber hielt weiterhin – wie auch die Goldschmidts – zahlreiche wohltätige Stiftungen, denen Maximilian vorstand.

Sein vielfältiger Einsatz wurde ihm vom Kaiser persönlich gedankt. 1907 erhob Wilhelm II. Maximilian in den preußischen Freiherrnstand. Er war die einzige Person jüdischer Herkunft, die auf diese Weise geehrte wurde. Und nach seiner sogenannten einfachen Adelung war es ihm erlaubt, sich fortan „von Goldschmidt-Rothschild“ zu nennen.

Die Damen spielen im Kleid Tennis

Maximilian und seine Minka hatten fünf Kinder und lebten im Palais Rothschild, ganz in der Nähe der Oper. Einige Fotos in der Ausstellung zeigen, wie man auf der kleinen Terrasse hinterm Haus Tee trank und dem Hund zuschaute. Auf der Wiese wurde Tennis gespielt – die Damen selbstverständlich im langen Rock. Viel mehr verrät die Ausstellung, die sehr nüchtern geraten ist, nicht über den Menschen.

So kann man sich Maximilian von Goldschmidt-Rothschild heute bestenfalls noch über seine Sammlung nähern. In der Ausstellung sind auch Fotografien der Innenräume des Palais Rothschild zu sehen. Sein Schreibtisch war golden verziert – und rings um die Schreibmappe herum gruppierte der passionierte Sammler seine Schätze. Neben ihm stand eine Vitrine – und einige dieser Stücke, die hier im Großen Saal auf dem Tisch und hinter Glas standen, sind nun in Frankfurt ausgestellt. Besonders schön ein goldenes Pferd, dessen Hinterteil in ein Schneckenhaus übergeht. Eine Trinkschale, die um 1600 entstanden ist. Er war bereits 95 Jahre alt, als er zuschauen musste, wie all seine liebevoll zusammengetragenen Sammlerstücke aus dem Haus geschafft wurden. Die Kollektion war deutlich mehr als die 2,5 Millionen Reichsmark wert, die die Stadt ihm zahlte. Die Recherchen von Katharina Weiler haben ergeben, dass das Geld auf ein Sperrkonto gelegt wurde, auf das die Nazis, er selbst aber keinen Zugriff hatte.

Die Museumsleute machten sich sofort daran, die Schätze zu sichten und ordentlich in einer Inventarliste zu erfassen, sodass die „vielleicht größte und wertvollste Privatsammlung“, wie es ein Kunsthändler nannte, besser als die meisten Kollektionen dokumentiert ist. Die Frankfurter Museen konnten sich freuen über prächtige Neuzugänge: Das Liebieghaus bekam 85 Kleinplastiken. An die Städtische Galerie, das heutige Städel, gingen 71 Gemälde. Der Löwenanteil der Sammlung Goldschmidt-Rothschild landete im Museum für Kunsthandwerk. Die Mitarbeiter, die den Mäzen einst hofiert hatten, mussten dem Betrogenen nicht einmal mehr in die Augen schauen: Bereits 1935 hatte Maximilian seine Mitgliedschaft im Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein aufgekündigt – wie die vielen anderen jüdischen Mitglieder auch, die dem Museumsteam jahrelang hilfreich zur Seite gestanden hatten.

Die Nazis haben gerafft, was sie kriegen konnten und auch in Frankfurt viele jüdische Mitbürger um ihre Habe betrogen. Die Museen quollen über, sodass man das Palais Rothschild kurzerhand zum Museum II deklarierte und hier die schäbig erbeuteten Trophäen ausstellte, für die woanders kein Platz mehr war.

Das Palais Rothschild wurde im Krieg zerstört

Das Palais Rotschild wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach Kriegsende versuchten die Frankfurter alles, um die Erben abzuwimmeln, die auf Rückgabe der Sammlung pochten. Die Recherchen von Katharina Weiler haben ergeben, dass schließlich doch ein großer Teil der Sammlung restituiert wurde. Die Nachkommen versteigerten in zwei Auktionen in New York fast alles, sodass die Bestände heute auf der ganzen Welt verteilt sind – bis auf 68 Objekte, die sich noch im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt befinden. Nur in 18 Fällen kann man zweifelsfrei nachweisen, dass diese nach dem Krieg rechtmäßig erworben wurden. Für den Rest will das Museum nun eine „gerechte Lösung mit den Erben finden“.

A usstellung bis 4. Juni im Museum Angewandte Kunst Frankfurt, Schaumainkai 17, geöffnet Di bis Fr 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr